Sexueller Missbrauch im Reitsport - Antworten auf Fragen seitens der deutschen FN Drucken
Geschrieben von: FN-Press/ DL   
Freitag, 21. Februar 2020 um 16:40

Warendorf. Sexueller Missbrauch ist auch  ein heißes Thema im Reitsport, vor allem, nachdem das Magazin „Der Spiegel“ das Thema aufgriff. Das Echo bei allen Reiter-Verbänden verhallte anscheinend rasch, doch die deutsche FN unternimmt einiges, was natürlich bei einem „Beamten-Apparat“ wie in Warendorf eben länger dauert…

 

Das Thema sexueller Missbrauch im Sport bleibt aktuell. Und deshalb umso  notwendiger ist es für Sportverbände und -vereine, Konzepte für die Prävention von sexualisierter Gewalt zu erstellen und vor allem umzusetzen. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) beschäftigt sich zusammen mit ihren Mitglieds- und Anschlussverbänden sowie dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) seit geraumer Zeit mit der Frage, wie Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene, bestmöglich vor Übergriffen bei der Ausübung ihres Hobbys Pferdesport geschützt werden können.

Im Interview mit FN-Press berichtet Maria Schierhölter-Otte, Leiterin der FN-Abteilung Jugend, über den aktuellen Stand der Arbeit.

FN-press: Frau Schierhölter-Otte, warum hat die Prävention von sexualisierter Gewalt einen so hohen Stellenwert in Ihrer Arbeit?


Maria Schierhölter-Otte: „Unser Sport besitzt durch das Pferd eine besonders große Emotionalität. Potenzielle Täter nutzen das Tier, um ihre Opfer abhängig zu machen. Etwa, indem sie anbieten, ein bestimmtes Lieblingspferd reiten zu dürfen oder eine private Reitstunde zu bekommen, dafür aber Gegenleistungen erwarten. Täter suchen sich ihre Opfer selten zufällig aus und bauen die Beziehung über einen längeren Zeitraum auf. Die körperliche und emotionale Nähe, die im Sport entstehen kann, birgt leider die Gefahr sexualisierter Übergriffe. Eine Kultur der Aufmerksamkeit und des Handelns Verantwortlicher muss dazu beitragen, Betroffene zum Reden zu ermutigen, potentielle Täter abzuschrecken und ein Klima zu schaffen, das Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Sport vor sexualisierter Gewalt schützt.“

Wie können sich potenzielle Opfer schützen und wo finden sie Hilfe?

Sch.-Otte: „Der wichtigste Schutz ist Selbstbewusstsein. Wenn Kinder und Jugendliche selber sagen können: Komm mir nicht zu nah  - oder ich suche mir Hilfe, dann kann das Täter erstmal abschrecken. Wir ermutigen unsere Nachwuchssportler deshalb, stark zu sein, sich nichts gefallen zu lassen und sich lieber frühzeitig Hilfe bei einer Vertrauensperson zu suchen, damit es gar nicht erst zu Grenzüberschreitungen kommt. Wenn es dennoch zu Vorfällen kommt, müssen Opfer den Mut haben, eine Person zu finden, die ihnen glaubt, mit der sie darüber reden können und sich helfen lassen. Auslöser müssen nicht erst ungewollte Berührungen oder Gewalt sein, sondern auch bei blöden Sprüchen oder Kommentaren und Nachrichten im Internet sollte man sich Hilfe suchen. Die Aktion #uyvequestrian ist hierfür ein gutes Beispiel.
Wer im engen Umfeld keine Vertrauensperson hat, kann sich an unsere Abteilung Jugend bei der FN wenden. Auch Beratungsstellen wie Zartbitter e.V., Innocence in danger oder das bundesweite Hilfetelefon N.I.N.A. helfen, informieren, beraten und betreuen Opfer von sexualisierter Gewalt und Diskriminierung (Kontaktdaten siehe unten). Wer sich bedroht fühlt oder bedroht wird, sollte sich immer an die Polizei wenden.“

Was kann der Verband zur Prävention solcher Vorfälle tun?

Sch.-Otte: „Am Anfang steht die Aufklärung über dieses Thema. Dafür nutzen wir zum Beispiel Kaderlehrgänge und Tagungen für Trainer, Jugendleiter und Ansprechpartner der Landesverbände und Vereine. Wir haben aber auch unsere Regelwerke, Richtlinien, Kaderkriterien und unsere Satzung angepasst. Für Vereine, Trainer und Turnierveranstalter stellen wir Informationen, Plakate und Leitfäden zur Verfügung, die bei der Frage helfen, wie man sexuellen Übergriffen vorbeugen kann, wie im Falle eines Falles vorgegangen werden sollte und an welche Stellen man sich wenden kann.“

Welche Maßnahmen wurden ergriffen?

Sch.-Otte: „Wir verlangen von Trainern und Menschen, die es gerne werden möchten, ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis. Außerdem müssen sie einen Ehrenkodex unterschreiben, um an der Trainerausbildung teilzunehmen. Um jugendliche Kaderreiter für ihre Rechte und Pflichten zu sensibilisieren, haben wir Handlungsrichtlinien für die Nachwuchskader U14 bis U21 erstellt. Diese sind auch Bestandteil der Kaderrahmenvereinbarung. Zusätzlich haben wir Theoriemodule zum Thema Prävention von sexualisierter Gewalt und Alkoholmissbrauch für alle Altersklassen anlässlich der Lehrgänge am Bundesstützpunkt in Warendorf etabliert. Die Nachwuchsathleten werden zudem bei Lehrgängen anonym zu Themen wie Wertschätzung, Respekt und Prävention befragt. Bei Lehrgängen mit Übernachtung ist nachts eine ausgebildete pädagogische Fachkraft vor Ort, die Aufsicht führt. Für die Nachwuchskader Springen haben wir außerdem in einem Pilotprojekt einen Elternbeirat gegründet. Bei bundesweiten Jugendturnieren wie dem Preis der Besten und den Deutschen Jugendmeisterschaften haben wir stichprobenartig Atemalkoholkontrollen durchgeführt. Zusätzlich haben wir ein Drogenmessgerät angeschafft. 2019 haben wir zum Preis der Besten einen ehemals alkoholabhängigen Referenten eingeladen, der für alle Kader-Eltern einen Vortrag zur Sensibilisierung für das Thema Alkohol gehalten hat.“

Was passiert noch auf Bundesebene und in Zusammenarbeit mit Landesverbänden, DOSB und DSJ?


Sch.-Otte: „Im Dezember 2019 haben wir zum Beispiel eine Fortbildungsveranstaltung für die Ansprechpartner unserer Landes- und Anschlussverbände zum Thema Prävention von sexualisierter Gewalt im Pferdesport ausgerichtet. Wir haben uns der Plakataktion „Safe Sport“ des DOSB angeschlossen und ein neues Poster mit dem Slogan „Im Pferdesport wird Missbrauch mit Hufen getreten“ zur Verfügung gestellt, das kostenlos bei uns bestellt werden kann. Wir haben ein Präventionskonzept für unseren Verband erstellt und uns gegenüber DOSB, Deutsche Sportjugend und Bundesinnenministerium zu einer verbindlichen Erfüllung von Richtlinien und Qualitätsstandards im Bereich Prävention von sexualisierter Gewalt verpflichtet.
Außerdem beteiligen wir uns am Forschungsprojekt „TraiNah“ der Deutschen Sporthochschule Köln, zusammen mit drei anderen Spitzenverbänden. Dabei geht es um die Rolle der Trainer bei der Prävention. Hier gilt mein Dank unseren beteiligten Bundestrainern aus den Disziplinen Dressur, Springen, Vielseitigkeit und Voltigieren.“

Wo sehen Sie noch Herausforderungen in Sachen Prävention und im Umgang mit Tätern?

Sch.-Otte: „Wir können hier in Warendorf viele Dinge anstoßen und umsetzen. Um ihre volle Wirkung zu entfalten, müssen sie aber bis zur Basis in den Vereinen durchdringen. In einigen Vereinen ist das Bewusstsein für das Thema sexualisierte Gewalt noch nicht da. Da bekomme ich manchmal zu hören „das gibt es bei uns nicht.“ Das ist natürlich gefährlich, wenn man sich dem so vehement verschließt und die Problematik ignoriert. Ich würde mir wünschen, dass es in jedem Verein einen Beauftragten für Prävention oder Ansprechpartner für sexualisierte Gewalt gibt. Auch der Umgang mit Tätern stellt uns immer wieder vor Herausforderungen. Wir sind keine Strafverfolgungsbehörde und erfahren manchmal erst aus den Medien, wenn zum Beispiel ein Reitlehrer übergriffig wurde. Um einem Täter den Zugang zu unserem Sport zu verwehren, benötigt auch unsere Verbandsgerichtsbarkeit Beweise und Zeugen.

Wie oben angesprochen, hat die FN ihre Regelwerke, Richtlinien und Kaderkriterien angepasst, um besser mit Fällen von sexualisierter Gewalt und Alkoholmissbrauch umgehen zu können.“

Was wurde in diesem Bereich konkret getan?

Sch.-Otte: „Bereits 2018 hat die FN eine Kommission unter Vorsitz des Vizepräsidenten und Juristen Dr. Harald Hohmann gegründet, die umfangreiche Handlungsvorschläge dazu erarbeitet hat, wie der Verband sowohl präventiv als auch im Falle eines Verstoßes schnell und angemessen reagieren kann. Diese Maßnahmen hat der Verbandsrat bei den FN-Tagungen im Mai 2019 beschlossen. Zum Beispiel wurde die Leistungs-Prüfungs-Ordnung so angepasst, dass die FN eine Jahresturnierlizenz für einen bestimmten Zeitraum verweigern oder entziehen kann, wenn der Turnierteilnehmer etwa eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung begangen hat. Solche Verstöße werden auch dann nach geltendem Verbandsrecht geahndet, wenn sie sich außerhalb eines Turniers ereignen. Darüber hinaus können Teilnehmer nun auch bei stark herabgesetzter Leistungsfähigkeit durch übermäßigen Alkoholkonsum, also ab 0,5 Promille, nicht zum Turnier zugelassen oder disqualifiziert werden.
Unsere Kaderkriterien haben wir dahingehend angepasst, dass Athleten, gegen die zum Beispiel ein Strafverfahren wegen eines Verstoßes gegen die sexuelle Selbstbestimmung geführt wird, nicht in einen DOKR-Kader berufen werden dürfen. Ist ein Athlet bereits Mitglied eines Kaders, so wird er für die Dauer des Verfahrens suspendiert. Wird ein Athlet wegen einer wie oben genannten Straftat verurteilt, so wird die Kaderberufung widerrufen. Für die Dauer der Haftstrafe und/oder der bestimmten Bewährungszeit ist eine Kaderberufung ausgeschlossen. Auch, wenn wir in den vergangenen Jahren bereits viele Maßnahmen ergriffen haben, sind unsere Aktivitäten im Bereich Prävention und Umgang mit sexualisierter Gewalt nicht abgeschlossen und wir werden auch in diesem Jahr weiter an diesem Thema arbeiten.“

Hier erhalten Opfer Hilfe:

Opfer von sexualisierter Gewalt oder Diskriminierung im Pferdesport können sich kostenlos und anonym an die die FN-Abteilung Jugend wenden. Ansprechpartnerin ist:

Maria Schierhölter-Otte
02581-6362-135
Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! Sie müssen JavaScript aktivieren, damit Sie sie sehen können.

Kontakt zu den Beratungsstellen:
Zartbitter e.V.:
Die Beratungsstelle ist per E-Mail über Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! Sie müssen JavaScript aktivieren, damit Sie sie sehen können. oder unter 0221-312055 zu erreichen.

Innocence in danger:
Telefon: 030-330075-49 oder E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! Sie müssen JavaScript aktivieren, damit Sie sie sehen können.

N.I.N.A. e.V. - Hilfetelefon Sexueller Missbrauch:
Telefonnummer: 0800-22 55 530 (kostenfrei & anonym)

 

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