Dunkle Wolken über FEI-Zentrale in Lausanne Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Donnerstag, 04. Juni 2020 um 20:54

Wassenberg. Nicht zum ersten mal steckt der globale Reitsport in einer kritischen Phase. Vertrackt zudem, dass sich der Weltverband wie nie zuvor blind in eine Richtung orientierte und sich vor allem mit dem Unternehmen Longines bis 2028 verkuppelte, das sich jetzt völlig unerwartet zunächst vom sogenannten geldträchtigen Masters verabschiedete, weiteres ist absehbar…

 

Reiten und Sport haben heutzutage mit Geld zu tun. Und Pferde sind nunmal teurer als ein Tennisschläger oder ein Paar Fußballschuhe. Doch vom Pferd geht etwas Nobles aus, Edles, und nicht zuletzt deshalb wird dieser Sport von Tausenden geliebt und verehrt. Und die ganz oben reiten ob in Springen oder Dressur und Vielseitigkeit, stehen für Können, sonst wären sie nie dahin gekommen, wo sie sind. Früher war Reiten dem Adel vorbehalten, dann den Offizieren und nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst denen, die sich ein Pferd überhaupt leisten konnten. Inzwischen wird dieser Sport im Sattel von jenen beherrscht, die es können. Zum Sport gehören auch Turniere, um sich zeigen zu können, nicht nur im Sattel, denn der Sport erst entfaltet die Schönheit eines Pferdes. Doch Turniere kosten, so mussten Sponsoren gewonnen werden. Und besonders ersehnt waren jene Konzernchefs oder Industriemagnaten, die sich gern selbst in den Sattel setzten. Wie ehemals Edzard Reuter von Mercedes Benz. Oder sie mussten überredet werden, wie damals 1977 der mächtige Volvo-Boss Pehr Gyllehammar von Volvo vom Schweizer Journalisten Max Ammann.

Für die erste Weltcupsaison der Springreiter 1978/ 79 machte Volvo für damalige Zeiten märchenhafte 480.000 Schweizer Franken locker. Nach 20 Jahren stiegen die Schweden als große Gönner aus dem Weltcup aus, bis dahin hatten sie etwa 100 Millionen Euro investiert und zusätzlich als Ehrenpreise 161 Limousinen gespendet. Max Ammann: „Als ich nach 20 Jahren von meinem Amt zurücktrat, übergab ich dem Weltverband FEI ein fertiges und auch intaktes Produkt. Doch in der FEI ist nach wie vor niemand da, der von Marketing oder Pressearbeit etwas versteht. Es lernt auch niemand dazu. In der FEI wird nur verwaltet – aber nicht geführt. Das ist das Hauptproblem beim Weltverband.“

Die internationale Föderation hatte nach Volvo nie mehr einen Sponsor der Klasse und Größe von Volvo. Weder für den Weltcup noch für die Nationen-Preise.

Der Weltcup lebt immer noch, doch nicht mehr in der Qualität der Jahre davor. Als Gegengewicht in der Freiluftsaison erfand der Niederländer Jan Tops (59) die Global Champions Tour 2006, die auf Ideen von Paul Schockemöhle (75) fußt. Doch dem dreimaligen Europameister waren früh seine Befürworter aus der Kutsche gesprungen, so kämpft seine in Deutschland initiierte Riders Tour inzwischen stark ums Überleben. Dafür machte Mannschafts-Olympiasieger Tops alles besser. Er sammelte erst einmal potientielle Geldgeber um sich, vor allem jene, die nicht unbedingt die großen Reiter waren, aber „Asche“ hatten, so der Fachjargon im Sattelvolk für Geld, und ihre Sprösslinge im Parcours erleben wollten. So wurde zum Beispiel auch die Milliardärin Tina Anassis (Griechenland) seine Kundin, aber vor allem vorneweg holte er jene aus den arabischen Ölstaaten zu sich in seine Anlage nach Valkenswaard/ Niederlande. Ihnen verpasste er nicht nur Unterricht, sondern auch den entsprechenden Untersatz. Er war Lehrer und Pferdehändler in einem.

Er verbandelte sich mit dem TV-Sender Eurosport und fand neben den Sponsoren auch zusätzlich VIP-Tischbesteller, denn seine Turniere mussten ja auch bezahlt werden. Auf normale Zuschauer legte er nie besonderen Wert. Und die besten Springreiter hatte er sofort an der Angel, denn bei ihm gab es Prämien in nie geahnten Höhen. Seine Ehefrau, die ausgezeichnete australische Springreiterin Edwina Tops-Alexander, brachte es bisher auf ein Preisgeld von 3.999.093,94 Euro, dahinter folgen die beiden Briten Scott Brash mit 3.925.707,63 und Ben Maher mit 3.427.410,01 €. Zuletzt schloss Tops auch einen Vertrag mit dem Schweizer Konzern Longines. Das 1832 in Saint-Imier (Schweiz) gegründete Unternehmen (Jahresumsatz rund 1,6 Millarden Franken) – älteste eingetragene Uhrenmarke der Welt – ist aber auch Sponsor beim Weltverband FEI und seit 2012 der Masters Serie. Dazu gehörten die Großen Preise der Turniere in Hongkong, Paris und New York sowie nun auch noch zusätzlich Lausanne. Jedes Turnier war mit einer Million US-Dollar dotiert, auf den Sieger in der Reihenfolge Hongkong – Paris – New York wartete ein zusätzliches Preisgeld von 2.250.000 Euro, zwei Erfolge hintereinander sollten eine Prämie von einer Million erbringen, zweimal Erster mit einer Unterbrechung noch 500.000 €.

Doch nun kam Corona, und damit wurde der gesamte Sport weltweit durcheinander geworfen, bis zum Stillstand. Longines gab das Ende der Vereinbarung mit dem belgischen Unternehmen als Veranstalter bekannt. Ohne großen Kommentar. Die Masterserie ist damit bereits wieder Geschichte. Das könnte auch Folgen haben für Jan Tops und seine Global Tour oder die FEI, die sich komplett gebunden hat an Longines. Sollte das Unternehmen möglicherweise auch abrupt den Kontrakt mit dem Weltverband lösen, wäre die ganze Nationen-Preis-Serie gefährdet. Und der Mann, der leidenschaftlich für die Wichtigkeit der Nationen-Preise stand, für sie auch seit Jahren kämpfte,  nämlich Sportdirektor Springen John Roche (Irland), wurde vor einigen Monaten vorzeitig und unverzeihlich in den unfreiwilligen Ruhestand geschickt. Solche Entscheidungen könnten schwarze Gewitterwolken mit Starkregen oder gar Hagel über der FEI-Zentrale Lausanne aufziehen lassen.

 

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