Die Wiener Hofreitschule als PR-Spektakel gebraucht... Drucken
Geschrieben von: Leopold Pingitzer/ DL   
Mittwoch, 02. September 2020 um 17:19

Wien. Die Wiener Hofreitschule für ein PR-Spektakel entweiht, so sehen es viele beim Ansehen des Videos – und auch Leopold Pingitzer von ProPferd.At - Geld stinkt eben bekanntlich nicht...

Es war als spektakulärer PR-Coup gedacht, den sicher viele cool und super gefunden haben und der allem Anschein nach auch funktioniert hat: Seit das 1,44 min. lange Video auf der Facebook-Seite von Ferdinand Habsburg online ist, hat es rund 400 Likes erhalten, wurde über 11.000 Mal aufgerufen, 190 Mal geteilt und vielfach kommentiert: Die Macher können zufrieden sein – wenngleich der Aufwand hinter dieser Aktion wohl gewaltig war. (Video unter diesem Link)

Aber kann auch die Spanische Hofreitschule, die als Location für diesen Clip herhalten musste, zufrieden sein? Nun, auf den ersten Blick mag das so sein, denn man darf annehmen, dass man die altehrwürdige Winterreitschule nicht kostenlos für dieses Spektakel zur Verfügung gestellt hat – und gewiss kann das Reitinstitut, das corona-bedingt monatelang zusperren musste, gerade jetzt Einnahmen gut gebrauchen. Doch das ist möglicherweise zu einfach gedacht – denn selbstverständlich haben solche ,PR-Coups’ auch einen Preis für den, der sie zulässt, und der könnte im Fall der Hofreitschule höher sein als ein paar tausend oder zigtausend Euro, die man kurzfristig lukrieren konnte.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Natürlich muss es und darf es auch in der Spanischen Hofreitschule Veränderungen geben – ob sie einem nun im Detail gefallen oder nicht – doch diese dürfen niemals soweit gehen, dass dadurch die grundlegenden Werte und Ziele, die gleichsam den Kern einer Institution oder Marke bilden, beschädigt werden. Genau dies ist aber meiner Meinung nach hier passiert: Diese im wahrsten Sinn des Wortes ,großspurige’ PR-Aktion wirft ein unrühmliches Licht auf die Hofreitschule und signalisiert auf fatale Weise, dass man mittlerweile für Geld offenbar zu fast allem bereit ist. Für viele Pferdefreunde wurde hier eine rote Linie überschritten.

Ich will hier keineswegs in religiösem Vokabular schwelgen und von ,der heiligen Stätte der Reitkunst’ oder ,geweihtem Boden’ sprechen, aber selbst einem nüchternen, rational denkenden Menschen wird klar sein, dass die Anziehungskraft und Einzigartigkeit der Spanischen Hofreitschule sehr viel mit der Aura und der besonderen Atmosphäre der Winterreitschule zu tun hat, die auch auf der Website des Instituts so sehr gepriesen wird. Diese Aura ist in Wahrheit das größte wirtschaftliche Kapital der Hofreitschule – denn die allermeisten Besucher kommen wegen der kulturellen Strahlkraft des Instituts und seiner Jahrhunderte langen Tradition.

Der innerste Kern dieser Aura ist natürlich die Reitbahn – die bei diesem größenwahnsinnigen Marketing-Manöver buchstäblich unter die Räder kommt, wenn ein 2,5 Tonnen schwerer Geländewagen durch die Bahn pflügt und dabei seinen V8-Biturbomotor mit 585 PS und 850 Newtonmeter aufheulen lässt. Hier wird die angeblich schönste Reithalle der Welt tatsächlich zur Zirkusarena und zur Kulisse für ein sinnbefreites Spektakel degradiert – im Angesicht des Bauherrn Kaiser Karl VI., vor dessen Bildnis bis heute jeder Bereiter beim Betreten der Reitbahn respektvoll und dankbar den Zweispitz zieht. Wo sind der Respekt und die Dankbarkeit bei dieser PS-Protzerei geblieben?

Wer sich ein wenig näher mit der klassischen Reitkunst und ihrer speziellen Ausprägung in der Spanischen beschäftigt, der lernt manche Eigenart kennen, die auf den ersten Blick unzeitgemäß oder sogar schrullig anmutet, die aber bei genauerer Betrachtung sehr wohl einen Sinn hat und tief in der Tradition dieses Instituts wurzelt. Dazu gehört ein ausgesprochen strenges Regime, was den Zutritt zur Reitbahn betrifft: Der ist eigentlich nur Mitarbeitern und Pferden gestattet ist – und zwar aus Respekt vor der Tradition und den Lipizzanern, denn die Reitbahn ist deren angestammtes, ureigenstes Betätigungsfeld, in dem sie nichts stören oder irritieren soll bzw. darf. Der Platz für Besucher und Gäste ist in den Logen und in der Galerie – die Reitbahn aber gehört den Pferden und den Reitern: Das war stets selbstverständliche, gelebte Praxis – nie wäre es einem Podhajsky oder Handler eingefallen, eine Pressekonferenz oder dergleichen in der Reitbahn durchzuführen, das wäre ein Sakrileg gewesen. Nun darf man sogar mit einem 585-PS-Boliden darin herumkurven …

Schmerzlich erinnert man sich zudem daran, dass auch die Bescheidenheit stets ein typischer Wesenszug der Spanischen Hofreitschule und ihres Personals war. So ist beim großen Hans Handler nachzulesen: „Die einfache Birkengerte und die schlichte Eleganz der Reitkleidung symbolisieren die dem Reiter geziemende Bescheidenheit. Der genaue Dienstrang ist nicht an seiner Uniform, sondern an den goldgeschmückten Borten der Schabracken seiner Pferdes zu erkennen.“ Letztlich sind es diese vielen unscheinbaren Kleinigkeiten, die das Besondere und Einzigartige der Hofreitschule ausmachen und die Ausdruck einer Grundhaltung sind, in der das Pferd im Zentrum steht und der Mensch in aller Bescheidenheit hinter ihm zurücktritt. Von Zurückhaltung aber merkt man angesichts dieser dröhnenden, marktschreierischen PS-Kraftmeierei genau gar nichts – und in Zeiten des Klimawandels und eines deutlich gestiegenen Umweltbewusstseins muten solche Show-Einlagen auch reichlich unzeitgemäß an. Aber das mögen Rennfahrer anders sehen.

Und auch das sei angemerkt: Die infernalische Geräuschkulisse, die bei diesem PS-Spektakel die Winterreitschule erfüllt hat und die auch weite Teile des Videos dominiert, passt so ganz und gar nicht zur gedämpften Atmosphäre, die üblicherweise in jeder Reithalle und ganz besonders in der Winterreitschule herrscht. Auch diese ist natürlich den Pferden geschuldet, die nichts erschrecken darf und denen man Rücksichtnahme und Respekt schuldet – nicht nur, wenn sie gerade in der Halle sind. Kurz: Für eine Pferde-Institution – noch dazu eine, die Weltrang beansprucht – ist das alles in hohem Maße unpassend, peinlich und schlicht und einfach die falsche Botschaft.

Bei allem Verständnis für die wirtschaftlichen Herausforderungen, vor denen die Hofreitschule steht: Sie sollte ernsthaft überlegen, ob der seit mehreren Jahren eingeschlagene Weg wirklich zielführend ist – und man mit derartigen Aktionen nicht Gefahr läuft, seinen Namen und die Aura der Hofreitschule endgültig dem Kommerz zu opfern. Was bleibt von der ,Spanischen’ noch übrig, wenn es keine ,roten Linien’ mehr gibt und man alle Traditionen über Bord wirft? Vielleicht weniger, als das derzeitige Management glaubt,

 

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