Nur Fahren konnte sich am besten behaupten... Drucken
Geschrieben von: Max E.Ammann/ DL   
Dienstag, 15. Juni 2021 um 10:59

Ittigen/ Schweiz.  In seinen vielen Berichten über den Reitsport und seine einzelnen Disziplinnen greift der Schweizer Autor Max E.Ammann  in der PferdeWoche die nicht-olympischen Sportarten auf, von denen „Tent Pegging“ wohl kaum jemand außerhalb Großbritanniens viel kennt oder jemals erfuhr...

 

Als Ende der 60er-Jahre der damalige FEI-Präsident Prinz Philip mit dem Begehren konfrontiert wurde, den Fahrsport in die FEI aufzunehmen, reagierte er positiv. Er stellte ein Komitee zusammen, das eine FEI-Aufnahme prüfen und im Falle einer positiven Empfehlung gleich ein Reglement liefern sollte. Das geschah. Das Komitee tagte zweimal in Aachen und in Bern. An der da­rauffolgenden FEI-Generalversammlung Ende 1969 wurde der Fahrsport als vierte Disziplin in die FEI aufgenommen. 1970 fand in Luzern der erste CAI statt, 1971 die ers­te EM, 1972 die erste WM. Prinz Philip hat seine spontane Bereitschaft, den Fahrsport aufzunehmen, später formuliert: „Wir nehmen eine pferdesportliche Disziplin in die FEI auf, wenn es von den Verantwortlichen gewünscht wird.“

Distanzreiten, Voltigieren und Tent Pegging

Diese Willkommenshaltung zeigte sich anfangs der 80er-Jahre, als sich gleich drei Pferdesportdisziplinen der FEI anschließen wollten: Dis­tanzreiten, Voltigieren und Tent Pegging. Alle drei wurden um 1982 aufgenommen. 1984 gab es für Endurance und Voltigieren ersten Europameisterschaften und 1986 die ersten Weltmeisterschaften. Nichts passierte im „Tent Pegging“.

Dieses Freizeitvergnügen mit gelegentlichen Wettkämpfen war von britischen Offizieren im Kolonialdienst jahrzehntelang ausgeübt worden (das Aufspießen eines Holzpflocks vom galoppierenden Pferd aus mit der Lanze). Auch jetzt wird es in den Ländern mit britisch-kolonialer Vergangenheit, wie Indien, Pakistan oder Südafrika, noch immer praktiziert. Aber zu einem internationalen Wettkampf kam es trotz FEI nie. Dazu fehlten die Strukturen. Denn anders als beim Distanzreiten und Voltigieren hatte es vor der Aufnahme des Tent Pegging in die FEI keine Vergleichswettkämpfe über Grenzen hinweg gegeben. Da es auch mit einem FEI-Reglement keine Kontakte gab, wurde Tent Pegging nach einigen Jahren wieder von der FEI verabschiedet. In der FEI war Tent Pegging bald als Kuriosität angesehen worden. Bei den jährlichen FEI-Generalversammlungen erheiterten jeweils die Auftritte des britischen Delegierten Sir Harry Llewellyn (Mannschafts-Olympiasieger im Springen mit dem legendären Foxhunter). Voller Emotionen und Empörung sprach Sir Harry vor den Delegierten von «Pig Sticking», also vom Schweineaufspiessen.

Polo und Reining

Prinz Philip, der dann als Viererzugfahrer einige Erfolge feierte (Mannschaftsweltmeister, WM-Einzelsechster), hoffte eine Zeit lang auch, seine erste Pferdesportliebe, Polo, in die FEI zu bringen. Selbst mit seinem königlichen Einfluss, seinem Charme und seiner Überzeugung fand er bei den Polo-Organisationen kein Gehör. Die traditionellen Gruppierungen in England, den USA oder Argentinien, vereinigt in der FIP (Federation of International Polo), wachten eifersüchtig und kompromisslos über den Polosport. Sie hatten keine Verwendung für eine für sie obskure Organisation wie die FEI.

Die Situation mit Polo damals war ähnlich wie heute mit dem Reining, das 1999 in die FEI aufgenommen wurde. Beim Reining ist es die amerikanische NRHA (National Reining Horse Association), die de facto die Oberherrschaft über das Reining – Dressur im Westernreiten - ausübt. Als 2002 und 2006 bei den Weltreiterspielen in Jerez de la Frontera und Aachen das Reining zwei erste große Auftritte im Rahmen der Weltreiterspiele hatten, wunderte man sich über die Distanziertheit der Reining-Verantwortlichen gegenüber der FEI. Dass es nun zum endgültigen Bruch gekommen ist, dass Reining ab 2022 nicht mehr zur FEI gehören dürfte, ist eine logische Spätfolge dieses Machtkampfes zwischen der NRHA und der FEI. Es war Jane Clark, früher FEI-Präsidiumsmitglied und  Präsidentin des US-amerikanischen Pferdesportverbandes, die damals an vordersten Front für «ihr» Reining als FEI-Disziplin kämpfte.

Sonderstellung des Fahrsports

Nimmt man die hier erwähnten Sportarten Fahren, Voltigieren, Distanzreiten, Tent Pegging, Reining und Polo, so erkennt man die Sonderstellung des Fahrsports. Er war seit Jahrzehnten in Europa und Nordamerika im Volk verankert und die Integration in die FEI logisch und erwünscht. Das galt, in reduziertem Maße, auch für Distanzreiten und Voltigieren. Beide hatten grenzüberschreitende Kontakte, vor allem die Distanzreiterei mit ­«ELDRIC» (Endurance and Long Dis­tance Riding International Conference). Auch bei den Voltigierern gab es bereits internationale Wettkämpfe, so 1978 das große Turnier in St. Moritz. Hilfreich war, dass sich «ELDRIC» nach der Aufnahme von Endurance in die FEI auf eine reduzierte Rolle zurückzog – anders als die NRHA im Reining, die auf ihre Machtposition bestand. Ähnliches hätte man auch beim Polo erwarten müssen. Das Scheitern von Tent Pegging als FEI-Disziplin geht dagegen auf ein totales Fehlen internationaler Organisationen und Kontakten – abgesehen vom nostal­gischen Rückblick auf die koloniale Vergangenheit des einstigen britischen Weltreichs – zurück.

 

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