Wenn Reiter nichts mehr zu melden haben... Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Freitag, 04. August 2023 um 20:38

Wassenberg. Ab dem nächsten Jahr beginnt eine neue Serie für Nationen-Preise im Springreiten, das Eigenlob des Weltverbandes (FEI) erschreckt eher, der Sport und das Pferd sind die Verlierer. Dem Geld wurde Tradition geopfert, möglicherweise auch der weitere Niedergang des Turniersports billigend in Kauf genommen, zumal in Deutschland als größter nationaler Föderation innerhalb der FEI in den unteren Bereichen immer mehr kleine Turniere wegbrechen aufgrund von fehlenden Startern. Doch ohne Basis auch kein Spitzensport. Der augenblickliche Fußball in Deutschland steht als mahnendes Beispiel.

Durch die Schweizer Reitställe hallte sicherlich vor einigen Tagen ein wahrer Jubelschrei aus St.Gallen. Dort sprach die Presseabteilung gar von einem Quantensprung. Die 80.000 Einwohnerstadt südlich des Bodensees gehört neben Rotterdam zu den lediglich zwei auserwählten Austragungsorten Europas für die ab 2024 laufende neue Serie, die sich nach der Geschichte den nicht unbedingt passenden Titel „Longines Völkerbund-Liga“ zulegte. Neben St.Gallen und Rotterdam wurden in den vermeintlich illustren Kreis der Veranstalter Ocala/ USA und Abu Dhabi/ Saudi Arabien aufgenommen. Das Finale organisiert wie schon seit zehn Jahren der Real Club de Polo de Barcelona. Was mit den übrigen Internationalen Offiztiellen Springreiterturnieren (CSIO) passiert, wurde bisher noch nicht gesagt. Alles lief im Verborgenen wie bei den „Freimaurern“, dieser mächtigsten Sekte der Welt. Wer sich bewarb als Austragungsort wurde genauso wenig vom Weltverband (FEI) veröffentlicht wie auch nicht, nach welchen Kriterien bei der Bewertung vorgegangen wurde. Es wurden nur am Ende die Veranstalter verkündet.

Nach nicht bestätigten Aussagten hätten sich aus Europa u.a. auch Falsterbo/ Schweden und das polnische Sopot beworben, doch sollen die finanziellen Auflagen so gravierend gewesen sein, „dass Sopot zurückzog“, wie ein Insider berichtet. Aus Deutschland hatte sich kein Kandidat gemeldet. Aachen, das sich vor Jahren bereits mit Rolex verbündete und die Preisgelder in Millionenhöhe trieb (Preis der Nationen 1 Million, Großer Preis 1,5 Millionen), zeigte an der neuen Serie genauso wenig Interesse wie Spruce Meadows/ Kanada, Rom oder La Baule in Frankreich, die ebenfalls einen Pakt mit Rolex geschlossen haben, auf die Seite von Rolex schlugen sich auch die Organisatoren von Genf, Dinard/ Frankreich und vor Jahren bereits s`Hertogenbosch/ Niederlande. Ein weiterer Großer kommt in Kürze dazu. Wie es überhaupt weiter gehen soll oder wird, was aus den  traditionellen Nationen-Preis-Turnieren in Hickstead, oder Sopot und Falsterbo werden soll oder könnte, darüber wurde bisher nichts veröffentlicht.

„Historische Entscheidung“ sagt FEI-Präsident

Nach Bekundung aus dem Reiter-Hauptquartier in Lausanne hätten das FEI-Präsidium und das FEI-Springkomitee die Kandidatenunterlagen sechs Monate geprüft und diskutiert, Namen wurden nicht genannt, eingebunden in die finale Findung wäre auch Sponsor Longines gewesen, heißt es. Und so verkündete am Ende FEI-Präsident Ingmar de Vos (60): „Wir haben eine historische Entscheidung für die Zukunft des Springsports getroffen, es geht in der Serie darum, Menschen für den Springsport zu begeistern, um Teamgeist, die Kunst des Reitens, um Werte und Kameradschaft.“ Die Austragungsorte seien ganz gezielt ausgewählt worden, man habe faire Entscheidungen getroffen und man habe versucht, eine Balance zu wahren. Den früheren Veranstaltern sagte de Vos, der erste bezahlte FEI-Präsident mit geschätztem Jahresgehalt von rund 700.000 Euro, Dank und wünschte ihnen alles Gute für die Zukunft.

Die neue Serie ist hoch dotiert. Jeder der Vier Nationen-Preise in der Liga wirft 700.000 Euro aus, davon gehen an das Gewinnerteam 230.000, an den Zweiten 150.000 und an den Dritten 110.000 €. Der Zehnte und damit Letzte im Team-Wettbewerb erhält noch 14.000 €. Der jeweils ebenfalls ausgeschriebene Große Preis ist mit 300.000 Euro ausstaffiert. Beim Endturnier werden insgesamt 1,6 Millionen vergeben, beim Finale der Teams 1,4 Millionen Euro. Die Gewinnermannschaft kassiert 490.000, weitere Prämien belaufen sich auf 308.000, 224.000, 154.000, 84.000, 63.000, 42.000 und 35.000. Extragelder werden verteilt an die Reiter-Pferd-Kombinationen mit den wenigstens Strafpunkten (40.000) in den Normalparcours` der gesamten Serie, der Groom des besten Pferdes im Endturnier wird mit 5.000 € belohnt, der Equipechef der Gewinnermannschaft kassiert 15.000, und der Besitzer des erfolgreichsten Pferdes im Finale wird mit einer Trophäe und einer Wildcard für das Pferd seiner Wahl für die nächste Serie bedacht.

Die Mannschaften beginnen mit jeweils vier oder drei Reitern die erste Runde des Finals, im zweiten Durchgang kann jede der besten acht Equipen aus dem ersten Umlauf nur noch drei Reiter einsetzen.

Alles, was bisher war mit Nationen-Preisen und verschiedenen Ligen, ist Geschichte. Die neue Serie „Longines League of Nations“ bestreiten zehn Verbands-Equipen. Herangezogen zur Aufstellung einer Mannschaft werden bei jeder Föderation die sechs besten Springreiter auf der Weltrangliste. Mit vier oder mindestens drei Reitern gehen die für die Serie qualifizierten Teams in die vier Qualifikationen. Bundestrainer werden da wohl auch überflüssig. Die Weltrangliste stellt die Mannschaften auf.

Die Aktiven haben resigniert

Alles, was zuletzt vom Weltverband beschlossen oder befürwortet wurde, fand kaum oder gar keine Zustimmung bei den Springreitern, und die tragen letzten Endes den Sport, nicht die Bürokraten, die inzwischen in Lausanne auf allen wichtigen Stühlen hocken. Dass die Drei-Mann-Regel in Teams wieder eingeführt wurde, vor allem bei den Olympischen Spielen, „ist gegen den Sport und gegen das Pferd gerichtet“, wie der zweimalige Mannschafts-Olympiasieger Lars Nieberg (60) sagt. Und Doppel-Olympiasieger Uli Kirchhoff äußerte sich dahingehend, es könne doch nicht sein, dass der Sport inzwischen von Nichtreitern dominiert und bestimmt werde, „die meisten wissen von denen doch gar nicht, wie sich reiten anfühlt“, der Preis der Nationen mit Vierer-Teams erzeuge Spannung pur, „da kommt es doch oft auf den vierten Reiter an, ob gewonnen wird oder nicht“. Und Turnierveranstalter Ulli Kasselmann sagt: „Man kann doch das nicht ändern, was bisher gut war.“

Der Internationale Springreiterclub (IJRC) mit den Olympiasiegern Kevin Staut (Frankreich) und Steve Guerdat (Schweiz) als Wortführern bat, doch eigene Aktive in die Jury entsenden zu dürfen, nachdem beschlossen wurde, dass ein einziger der Regelwärter einen Reiter im  laufenden Wettbewerb bzw. während des Rittes abläuten kann, allein schon auf Verdacht „Verletzung des Wohlergehens des Pferdes“. Eine solche Entscheidung ist nicht anfechtbar. Dagegen ist auch die Anrufung eines ordentlichen Gerichts nicht möglich. Der britische Goldmedaillengewinner Nick Skelton formulierte es so: „Viele der Jurymitglieder sind aufgrund ihres Alters inzwischen zu weit weg vom Sport und dem Pferd. Man sollte Springreiter in die Jury holen, die sich gerade erst vom aktiven Sport verabschiedet haben“. Der Motorsport mache es doch erfolgreich vor, „warum nicht der Reitsport“?

Der IJRC unterstützt dafür vorbehaltlos die Eliminierung eines Pferdes, „wenn Blut um das Maul oder die Nüstern auftritt“. Auf die Frage, warum denn nichts passiere auf die Schreiben und Fragen der Springreiter, sagte der deutsche Bundestrainer Otto Becker: „Ist doch schon alles durchgewunken.“ Der belgische Coach Peter Weinberg sagt: „Ingmar de Vos ist stur. Und wenn er etwas will, setzt er das auch durch.“

Tür auf für Jan Tops

Der FEI-Präses hat auch leicht zu regieren und sich durchzusetzen. Und man muss wissen, wie. Der Belgier weiß es, und er hat gute Freunde, die genau so schlau sind. Der Niederländer Jan Tops als Erfinder der Global Champions Tour zum Beispiel gilt als Tops-Intimus, der kann sich nun noch stärker ausbreiten mit seinen Veranstaltungen weltweit, die von der FEI abgesegnete Nationen-Preis-Reihe alter Prägung mit vielen Turnieren ist Vergangenheit und steht ihm nicht mehr wegen der Termine im Wege.

Die FEI ist der Dachverband von insgesamt 136 nationalen Föderationen, von denen 46 keine Turniere ob in Springen, Vielseitigkeit, Dressur, Fahren oder Voltigieren, Distanzreiten oder Reining veranstalten, 15 haben gar keinen Reiter oder Fahrer, acht gerademal jeweils einen Aktiven gemeldet, und bei 30 Föderationen ist nicht einmal ein Pferd registriert. Aber jeder Verband hat wie die großen Reitsportnationen Großbritannien, Italien, Frankreich, Niederlande, USA, Deutschland, die Schweiz, Spanien und inzwischen auch Schweden bei Abstimmungen eine Stimme. Und die FEI lädt zu Generalversammlungen natürlich nicht in Entwicklungsländer, wo in Jugendherbergen geschlafen wird, ganz im Gegenteil. Die FEI lässt dann viele für lau einfliegen, nächstes Mal nun im November nach Mexiko City, wo der FEI-Kongress vom 18. bis 21. 11. tanzt und tagt und sicher Weiteres durchwinkt. Kleines Dankeschön oder Entgegenkomen einiger Kogressteilnehmer, die ja nicht unbedingt einer Föderation mit Pferden oder Turnierveranstaltungen angehören müssen. Hauptsache: Auf ihre Stimmenn ist Verlass.

 

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