Nun lernt Deutschland von Holland in der Dressur... Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Samstag, 26. Dezember 2009 um 20:08

 

Wassenberg. Es tut sich tatsächlich  etwas in der deutschen Dressur. Die Zeit des selbstverständlichen Dahinpiaffierens von Goldmedaille zu Goldmedaille bei allen Championaten war endgültig passe bei der letzten Europameisterschaft Ende August im englischen Windsor. Mit Bronze hatte sich bis dahin seit 1965 keine deutsche Mannschaft als geschmückt gefühlt. Das kontinentale Championat vor zwei Jahren in Turin mit Silber wurde zwar als verloren registriert, doch es kam schlimmer. Erstmals wurde eine deutsche Dressur-Mannschaft „nur“ Dritte – und der Trend ging inzwischen eher nach unten als nach oben. Endlich wurde begriffen. Der neue Dressurausschuss ist kein Debattierverein mehr.

Joe Hinnemann mit dem Autor

(Foto: U.Ludwig)

 

Das sagt Johann Hinnemann

 

Johann Hinnemann (Vörde), 61, Reitmeister, früherer Bundestrainer in Kanada, Deutschland und in der Niederlande, sagt es offen: „Die deutsche Dressur hat viel zu spät auf  Anzeichen reagiert, nicht mehr vorne weg zu reiten. Es war ja immer alles gut gegangen bei Olympischen Spielen und Internationalen Meisterschaften.“ Und er sagt: „In der deutschen Verbandszentrale Warendorf  wurden ja bisher nur Erfolge verwaltet, mit etwas anderem hat sich niemand beschäftigt. Aber die Zeichen wurden nicht erkannt.“ Und weiter behauptet er: „Es gibt ja in Deutschland kaum noch Ställe, wo echt ausgebildet wird.“ Die besten deutschen Trainer seien inzwischen fast nur noch im Ausland engagiert, und Lehrlingen würde bei der Ausbildung vor allem Theorie beigebracht, „aber kein richtiges Reiten.“ Er fordert: „Talente müssen gefördert werden, vor allem im praktischen Reiten.“

 

Er, der sich wie kein anderer vor allem gleich hinter seinem Haus im Nachbarland Holland auskennt, meint, in der Niederlande zähle nur die Leistung. Der deutschen Mannschaft, die bei der letzten EM in Windsor auf dem dritten Platz endete, bescheinigte er, „alle sind toll geritten.“

 

Der Neue:  Klaus Röser – wenig bekannt

 

Seit März ist Klaus Röser (45) neuer Vorsitzender im Dressurausschuss. Er gilt für viele nicht zu unrecht für befangen, ist er doch einer der führenden Angestellten im Unternehmen Paul Schockemöhle, und der wiederum ist eng verbandelt mit dem Pferdehändler und Vermarktungsstrategen Ulli Kasselmann. Röser gilt als excellenter Organisator und steht nun vielleicht deshalb auf dem richtigen Platz in der Dressur, wo bisher Geld und Beziehungen mehr bewirkten als Talent und Können. Möglicherweise haben die Holländer da nun indirekt und wohl ungewollt Hilfestellung geleistet, denn bei ihnen zählte an erster Stelle immer die Leistung. So kam beispielsweise ein Edward Gal mit nichts als Talent in den Stall vom heutigen Bondscoach Sjef Janssen und Anky Van Grunsven, in Windsor wurde Edward Gal auf dem Hengst Totilas Doppel-Europameister, und bei den anstehenden Weltreiterspielen in Kentucky hat er kaum Konkurrenz, weil er selbst Klasse ist – nicht nur der Hengst.

 

Klaus Röser kannte kaum einer in Deutschland, eher im arabischen Raum, wo er große Shows organisierte. Sein Mentor Ulli Kasselmann (62) sagt: „Man wird ihn noch kennen lernen. Klaus hat unglaublich viel drauf.“ Die Zukunft beginnt schon ein bisschen in der Dressur am kommenden Dienstag, da nämlich bittet Klaus Röser zu sich ins heimische Lohne bei Vechta,  „einige Trainer, Mitglieder vom Ausschuss und von den Reitern die Aktivensprecher Monica Theodorescu und Heike Kemmer, vorwegnehmen möchte ich nichts, das wäre den anderen gegenüber unfair.“

 

Kasselmann: „Weg von Paragrafen...“

 

Ein Ulli Kasselmann, auch Mitglied im Dressurausschuss, will in erster Linie Pferde verkaufen, aber dazu braucht er vor allem den Sport.  Neben der Kundschaft.  Ohne Sport kein Bedarf an Pferden. Nicht zuletzt deshalb will er in Deutschland auch einiges bewirken, er möchte vor allem „weg vom sturen Paragrafendenken“. Als Beispiel nennt er  die talentierte  „Junge Reiterin“ Lena Teichert. Sie kann auf dem geleasten Pferd D`Accord  am Finale „Preis der Besten“ teilnehmen, dank Kasselmann. D`Accord gehört Hans-Werner Aufrecht (Affalterbach), der wiederum ist Erfinder der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft im Motorsport, aber auch Vater der Springreiterin Pia-Luise und Dressur-Elevin Eva-Maria. Für Eva-Maria kaufte er im österreichischen Linz einen Reiterhof, dort soll der braune Oldenburger Hengst Diamonit aufgestellt werden. Der am 1. Januar 2010 achtjährige Vererber war bei der letzten PSI-Auktion von Ulli Kasselmann und Paul Schockemöhle Anfang Dezember mit 760.000 Euro teuerstes Pferd.

 

Ulli Kasselmann, immer offen für neue Ideen und Märkte: „Wir müssen weg vom Denken in Regularien., wir müssen uns befreien von einer gewissen Engstirnigkeit. Der Ausschuss oder einzelne Mitglieder müssen in Zukunft frei entscheiden dürfen. Wir müssen auch wieder dahin kommen, dass sich Reiter Kritik gefallen lassen, dass sie sich aber wie früher an Richter wenden und fragen, was zu verbessern ist.“ Und er sagt: „Wir dürfen Eltern talentierter Jugendlicher nicht im Stich lassen. Aber auch Eltern müssen das Gefühl haben, dass wir sie von Verbandsseite  nicht alleine lassen.“ Und da ist großer Nachholbedarf...

 

Um die Nutzbarkeit unserer Seiten zu verbessern, verwenden wir Cookies. Falls Sie mit der Speicherung von Cookies nicht einverstanden sind, finden Sie hier weitere Informationen. Weitere Informationen >>> Cookie-Hinweis.

Hinweis >>>