Thomas Frühmann war in Lebensgefahr Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Dienstag, 26. Januar 2010 um 15:24

 

Linz. In der Klasse „U 70“ reiten zur Zeit auf internationalem Parcours ganz oben der Franzose Michel Robert (61) und der Österreicher Hugo Simon (67). Bald gehört auch Thomas Frühmann dazu, der am 23. Januar 59 wurde. Und dass er noch reitet, verdankt er fast einem glücklichen Zufall, denn er musste sich einer schweren Operation unterziehen...

 

„Es hätte auch anders laufen können“, sagt er. Wegen eines Leistenbruchs ließ er sich Mitte Dezember in ein Linzer Klinik zur Operation einweisen, „doch dort stellten sie etwas anderes zusätzlich fest: Verengung der Herzkranzgefäße.“ Ihm wurden zwei Stents implantiert, „es hätte alles auch negativ ausgehen können, wenn ich wegen des Leistenbruchs nicht ins Spital gegangen wäre.“

 

„Gott begnadet“ – nennt ihn Alwin Schockemöhle

 

Der das sagt, kennt was von diesem Sport und auch über ihn, Alwin Schockemöhle (72). Schockemöhle, einer der größten Horsemen der Welt urteilt so über Thomas Frühmann, den bisher einzigen echten Österreicher in der Weltspitze des Springreitens. Frühmann benötigt keine Lederhosen und keinen Trachtenjanker, auch keinen Pass vorzulegen, um auch als Austrianer durchzugehen.

 

Thomas Frühmann stammt aus Wien. Der Vater war Psychiater, der Sohn sollte ebenfalls Arzt werden, doch die Mutter schlug sich auf seine Seite, er wurde Springreiter. Statt Abitur begann er mit 17 Jahren  in München eine Lehre bei Ottokar Pohlmann, dem Vater von Barbara Pohlmann, ehemals Ehefrau von Paul Schockemöhle und dann auch von Ludger Beerbaum.  Ottokar Pohlmann war selbst Olympiateilnehmer der Vielseitigkeit 1960 in Rom und baute in München 1972 den Cross, der als Lehrstück für Fairness in die Geschichte einging.

 

Von  Österreich zu „Brenni“ nach Heide

 

Nach den Pohlmann-Jahren übernahm der Wiener in seiner Heimat zunächst das Gestüt „Andlershof“, doch, „um in diesem speziellen Sport international herauszukommen, da musste ich zurück nach Deutschland.“ Deutschland war das Land, wo auch der Reitsport gemacht wurde. Frühmann-Spezi Georg Ahlmann, Vater des   Doppel-Europameisters von 2003 und Bronze-Medaillengewinners der Weltreiterspiele 2006 in Aachen, Christian, vermittelt ihm 1981 einen Job auf dem  Gestüt „Römersee“ in Heiden im westlichen Münsterland, nicht weit von der Niederlande entfernt. Dort hatte  Gerhard Brenninkmeyer das Sagen, der Mitbesitzer von „C&A“.  Brenninkmeyer war stolz, einen solchen Bereiter zu haben. Er zahlte ihm im Monat 3.000 Mark auf die Hand, er durfte die Hälfte der Gewinnprämien einsacken, 30 Prozent sackte er ein beim Verkauf eines Pferdes, und für die Wohnung war auch keine Miete zu zahlen. „Brenni“, wie man ihn nannte, sagte damals auch ganz frank und frei,  dass Thomas F. 1982 nicht weniger als 210.000 Mark netto eingestrichen habe. Doch das momentane Glück dauerte gerade mal drei Jahre, dann wurde „Brenni“ von einem Infarkt gefällt.

 

Ab September 1984 in Mühlen

 

Alwin Schöckemöhle holt daraufhin Thomas Frühmann ins Oldenburger Land in seinen Turnierstall. Ab 1. September 1984 ist Thomas Frühmann ein Mühlener. Beide müssen keinem mehr etwas beweisen, Alwin Schockemöhle nicht als einer der erfolgreichsten Springreiter weltweit und für alle Zeiten, und Thomas Frühmann ebenfalls nicht.Er gehörte nicht nur zur Equipe mit Hugo Simon auf Gladstone, Georg Riedl auf Weekend und Roland Fischer auf Icarus, die 1980 beim so genannten „Ersatz-Olympia“ – anstelle von Moskau - in Rotterdam Bronze hinter den erfolgreichen Kanadiern und den Briten gewann, sondern er war im Preis der Nationen einer von lediglich drei Reitern, der auf der Stute Donau zweimal ohne Fehler aus den beiden Umläufen herauskam.

 

Thomas Frühmann ist auch ein Geschenk für die Medien, immer gut für einen losen Spruch wie während des Weltcup-Finals 1990 in den Dortmunder Westfalen-Hallen, als er meinte: „Tolles Turnier. Die Pferde hatten zu fressen – und wir Reiter zu saufen...“

 

Nicht stilvoll – aber erfolgreich

 

Er ist nicht der große Stilist, aber er reitet erfolgreich, „und meine Pferde sind alle weich im Maul“ (Frühmann).  Seine Serie kann sich sehen lassen. Auf dem Hengst Grandeur gewinnt er dreimal das Deutsche Derby in Hamburg und wurde Sieger im Großen Preis von Aachen, auf Genius holt er sich  1992 im kalifornischen Del Mar den Weltcup, wenige Monate danach kommt im Sattel von Genius Olympisches Silber mit dem Team in Barcelona dazu. Unter schwierigsten Bedingungen wird seine zweite Ehefrau Heidelinde („Heidi“) schwanger und bringt am 15. Mai 1990 Daniel zur Welt. Frühmann baut in Maria Alm bei Salzburg ein Haus und zieht dort mit der Familie im April 1995 ein. Gleichzeitig tritt Thomas Frühmann von der Weltbühne des Springsports ab, die Ehe zerbricht, Scheidung im Jahre 2.000, Österreichs einziger echter Vorzeigereiter scheint irgendwo als Provinzreitlehrer sein Talent zu verschludern.

 

2004 acht Große Preise gewonnen

 

Im November 2002 heiratet er zum dritten Mal, Anfang 2003 kommt sein zweiter Sohn auf die Welt, und er selbst feiert sportlich ein Comeback im März 2004. Auf dem Westfalen-Wallach The Sixt Sense, der mal Zeno hieß und Zorro T als Vater hat, aus einer Mutter namens Granada stammt, tritt er einen einmaligen Siegeszug an. Thomas Frühmann: „Ich war lange schon hinter dem Wallach her, aber Besitzer Helmut Steindl wollte ihn nicht verkaufen.“ Das Pferd irgendwann unter dem Sattel zu haben, wurde für Frühmann eine Herausforderung wie den Mount Everest zu besteigen ohne Sauerstoffgerät. Der Bayer Steindl konnte wohl dem Werben und sicherlich auch  dem finanziellen Angebot  nicht mehr widerstehen. Er verkaufte das Pferd an Serena Hamberg, Frühmanns nicht gerade unvermögende erste Ehefrau für ein paar Wochen, und die gab den Westfalen ihm in Beritt. 2004 gewinnt Thomas Frühmann, dessen Leben wahrlich in jeder Beziehung teilweise einer Achterbahn gleicht, nicht weniger als acht Große Preise.

 

Kein Championat mehr für Österreich

 

Er kommt nach 13 Jahren erstmals wieder 2005 zum deutschen CHIO nach Aachen, wo er 1978 und 1986 bei den jeweiligen Weltmeisterschaften ritt. Zuhause legte er sich mit der Springausschussvorsitzenden Gabi Morbitzer, geschiedene Ehefrau von Hugo Simon, an, reitet nicht mehr für Österreich in einem Preis der Nationen oder bei einem Championat, was er damit begründet: „Ich habe doch erlebt, dass Pferde, die beispielsweise bei einer Weltmeisterschaft gingen, danach monatelang nicht mehr einzusetzen waren, nervlich so kaputt waren sie. Und ich habe nun mal nur ein Spitzenpferd, das muss ich sorgsam behandeln.“ Und er sagt: „Championate sind für alle jene gemacht, die über mehrere so genannte Kracher verfügen oder sich ausrechnen können, dass sie ganz vorne sind.“

 

Er weiß auch, „ein Pferd wie The Sixt Sense werde ich nie mehr haben. Der Wallach will keinen Fehler machen, und einiges macht er sich manchmal im Parcours auch selbst passend. Er hat grenzenloses Vermögen.“

Thomas Frühmann, der 66 Mal  für Österreich einen Nationen-Preis ritt, achtmal an Europameisterschaften teilnahm, dreimal an Olympischen Spielen und viermal an Weltchampionaten, ritt seinen Westfalen derart nach oben,  dass die Internationale Züchtergemeinschaft nicht anders konnte, als den Wallach zum erfolgreichsten „Springpferd 2006“ zu wählen. Bei der ersten Global Champions Tour sprang das Paar insgesamt 212.500 Euro ein, was hinter dem Belgier Ludo Philippaerts Platz zwei bedeutete, im Dezember 2006 wurde Thomas Frühmann in München außerdem zum Abschluss der Riders Tour als erster Nicht-Deutscher  „Springreiter des Jahres“, was eine Gewinnprämie von 250.000 Euro zusätzlich zu den Prämien der einzelnen Springen einbrachte. Alwin Schockemöhle: „Thomas ist dennoch ganz normal geblieben, er ist anspruchslos, er braucht kein dickes Auto, um von A nach B zu kommen. Er ist vor allem einer, für den das Wort Freundschaft wirklich etwas bedeutet.“

 

"Mit The Sixt Sense höre ich ich auch auf"

 

Frühmann hat nur noch wenige Pferde in den Stallungen am Turnierglände in Linz, wo der alljährliche CSIO von Österreich ausgetragen wird, „und wenn für The Sixt Sense  die Pension ansteht, dann höre ich auch auf.“ Der Wallach ist jetzt 14 Jahre alt, die Leistungskurve weist noch keinen bösen Knick auf. Nur in Aachen beim deutschen Offiziellen Internationalen Turnier (CHIO) wird er nicht mehr satteln. Geschäftsführer Frank Kemperman hat ihn 2006 zu sehr vergrätzt. Um seine hochschwangere Frau Lilly zu entlasten, hatte er seinen Hund mitgenommen, was gegen die bekannte Vorschrift auf dem CHIO-Gelände verstößt. Frühmann: „Kemperman ließ nichts gelten, nicht mit sich reden, er drohte mir sogar, mich nach Hause schicken zu lassen.“ Der Österreicher bat deshalb seinen Schwager, nach Aachen zu kommen, „und der fuhr deshalb in einem Rutsch 1.700 Kilometer hin und zurück, um den Hund abzuholen.“ Der CHIO sei für ihn jedenfalls deshalb für allemal gestorben („nie mehr Aachen“), was wiederum Ludger Beerbaum mit der Bemerkung konterte: „Pech für Thomas...“

 

 

 

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