Er wollte nur seinen Koffer abstellen... Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Freitag, 20. April 2012 um 17:22

S`Hertogenbosch. Er kam aus Kronberg, wo er sich noch über die Form des Hengstes Totilas informierte, dann war er in s`Hertogenbosch als Ort der Weltcupfinals in Springen und Dressur, Dressur-Bundestrainer Holger Schmezer wollte mit einem Freundeskreis am gestrigen Donnerstagabend essen gehen, „ich bin gleich wieder unten, ich bringe nur noch meinen Koffer aufs Zimmer…“

 

Er hatte noch so viel vor, er wollte endlich mal vor allem jene unterrichten, die zwar mit Talent, doch weniger Geld gesegnet sind. Doch das Absolute trat ein an diesem 19. April 2012. Holger Schmezer kam nicht mehr runter an die Rezeption des Hotels, wo die deutschen Dressurreiterinnen und deren Begtleiter warteten. Sie schickten vom Hotel jemanden nach oben - der Bundestrainer lag tot in seinem Zimmer. Mögliche Ursache: Herzinfarkt. Die genaue Todesursache muss noch untersucht werden. Selbstmord dürf6te ausgeschlossen werden, dazu war zu lebenslusig und noch voller Pläne.

Er war am 9. März 65 Jahre alt geworden, er hatte mit seiner Frau Martha und Töchterchen Olenka (6) gerade seinen Eintritt ins offizielle Rentenalter gefeiert.  Sein Vertrag als Bundestrainer der deutschen Dressurreiter wäre Ende des Jahres ausgelaufen, dann wollte er ohne Druck weiter Pferde und Reiter ausbilden…

Er war Reiter und auch Richter. Als Unparteiischer hatte er 1995 einen ganz großen Auftritt, den man manchem Kollegen gerne oftmals wünschte. Beim CHI in Hannover läutete er als Chefrichter die Glocke. Als nämlich die Tochter des Mitveranstalters nicht unbedingt Grand-Prix-reife Lektionen in den Sand zirkelte, zog Schmezer an der Bimmel. Sein Kommentar zur Reiterin: „Der Wettbewerb ist eine Prüfung und keine Trainingseinheit.“ Sie solle erst einmal üben, und wenn sie den Anforderungen gewachsen wäre, könne sie ja wiederkommen. Das war auch gleichzeitig der letzte Auftritt des Holger Schmezer bei einem Turnier des Reiterinnen-Vaters. Schmezer blieb, der andere nicht. Holger Schmezer wurde am 1.Januar 2001 Bundestrainer der deutschen Dressurreiter, Nachfolger von Klaus Balkenhol als Chef. Höher ging`s nicht.

Ließ sich nie verbiegen

Fünf Jahre lang war er Coach für den deutschen Dressur-Nachwuchs, und auch dort bestimmte er die Richtung, auch gegen Eltern, deren Kinder zwar nicht gerade mit einem goldenen Po geboren waren, aber dafür schon in der Wiege auf entsprechende Banknoten-Scheine gebettet wurden.

Holger Schmezer, geboren im badischen Rappenau, hatte Kreuz, er blieb unverdorben, unangefochten, weil er keinen Handelsstall unterhielt. An ihm klebte wahrlich nie der Ruch von Mauschelei, er trug nicht das Kainmal der Bestechlichkeit. „Aber ich will auch nicht der gute Onkel sein“, sagte er mal. Eine Operation wegen Darmkrebs 2007 hatte er gut überstanden.

Moderner Fünfkampf als Beginn

Über den Modernen Fünfkampf kam er ans Pferd, er begann eine Lehre, ritt beim weltbekannten Ausbilder und Reitmeister Willi Schultheis, bildete selbst Pferde aus und startete auf Turnieren bis zur höchsten Klasse. Und er ließ sich auch als Richter ausbilden. Ihm war deshalb schwer etwas vorzumachen.

Über die Dressur sagte er: Sie solle leicht aussehen, zwanglos, schön, ohne jede Quälerei des Pferdes. Über Richter: „Sie sollen das richten, was sie sehen, losgelöst von Namen der Pferde und der Reiter. Und sie sollen ruhig auch einmal mutig sein und keine Angst haben vor guten Noten, wenn sie in ihren Augen zu rechtfertigen sind.“ Und auch den Reitern riet er, sich durchaus mit Richtern zu unterhalten, immer wieder das Gespräch suchen, nicht beleidigt, sondern „um positive Politik zu machen“. Dass Deutschland in der Dressur über Jahrzehnte die Führungsrolle in der Welt nicht mehr abgab, „lag ganz einfach daran, weil der Aufbau von unten nach oben stimmte, an den guten und zahlreichen Ausbildern und letzten Endes auch daran, dass überall, auf welcher Ebene auch immer, jeder gegen starke Konkurrenz anzutreten hat.“

Über seine Arbeit sagte er: „Ich hatte immer Freude an meiner Aufgabe, das Geld stand nie im Vordergrund – verhungert bin ich trotzdem nicht.“

 

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