Der Fall Daniel Deußer und die unrühmliche Rolle der FN Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Mittwoch, 24. Februar 2010 um 19:54

 

Hamm. Ziemlich genau drei Jahre nach dem hochgespielten Medikationsfall um die Stute Pristinna in einem M-Springen in Florida endeten nun die juristischen Auseinandersetzungen der deutschen FN mit dem eigenen Nationen-Preis-Reiter Daniel Deußer. Die deutsche Föderation erlitt vor dem Oberlandesgericht Hamm eine herbe und wohl auch kostspielige Niederlage. Deußer wurde freigesprochen, das Urteil ist endgültig.

 

Beruhigungsmittel und seine Folgen

 

Angefangen hatte alles in den USA 2007. Noch ehe der öffentlich ziemlich unbekannte Hesse aus Hünfelden in Las Vegas auf dem Hengst Air Jordan Zweiter wurde im Weltcup-Finale hinter dem Schweizer Beat Mändli, ritt er ein paar Wochen zuvor in Florida im Rahmen des bekannten Winterfestivals auf der Stute Pristinna ein normales M-Springen zum Eingewöhnen. Der Dopingtest war anschließend positiv. Die Fahnder filterten fünf Pikogramm eines verbotenen Stoffes aus dem Urin heraus, ein Bereich mit zwölf Nullen hinter dem Komma. Die nicht erlaubte Substanz des Beruhigungsmittels Request 2 steckte in Ergänzungspillen, die von Tierarzt Dr. Marc Suls dem Pferd wegen Flugstress` gegeben worden waren. Auf der Packung stand u.a., das Naturprodukt wäre in wenigen Tagen abgebaut.  Daniel Deußer, in Diensten des in Handel und Turnieren weltweit agierenden holländischen Mannschafts-Olympiasiegers Jan Tops: „Noch auf dem Flug zur Verhandlung vor dem US-Verband in Kentucky schwor der Veterinär, nichts gewusst zu haben.“

 

Der Reiter als Verantwortlicher nach allgemein angewandtem und durchaus umstrittenen Recht wurde zu einer Sperre von drei Monaten für Turniere in den USA verurteilt, obwohl die Kommission einräumte, eine Leistungsbeeinflussung habe das Mittel nicht bewirkt. Die Strafe endete am 31.März 2008. Deußer hatte zudem eine Buße über 2.000 US-Dollar zu entrichten, er nahm die Strafe an.

 

Der international bekannte Tierarzt Dr. Leo De Backer (Belgien), : „Zweifellos ist Marc Suls daran nicht unschuldig. Er hätte das Präparat vorher testen müssen, das wäre seine Pflicht gewesen.“ Suls war zehn Jahre lang Assistent bei De Backer.

 

Fraglich: Zweimaliges Bestrafen...

 

Der Fall Deußer hätte wohl kaum einen in Deutschland und im Ausland schon gar keinen mehr als ein Mückenstich berührt, wäre nicht der Dortmunder Veranstalter Dr. Kaspar Funke wenige Tage vor dem CHI 2008 in der  Westfalenhalle  aufgeregt herumgelaufen.. Er behauptete, von der ganzen Angelegenheit nichts gewusst zu haben, sonst hätte er nämlich Deußer gar nicht starten lassen. Daniel Deußer (28), der vom zweimaligen Team-Olympiasieger Lars Nieberg entdeckt und von Ex-Weltmeister Franke Sloothaak viereinhalb Jahre gefördert wurde, sagte damals: „Stimmt nicht. Bundestrainer Kurt Gravemeier rief fünf Tage vor der Veranstaltung aus Braunschweig Funke an und sagte ihm, es könnten einige Schwierigkeiten wegen Florida auftreten.“ Funke hätte den Start des deutschen B-Kaderreiters gar nicht verbieten können, da gegen ihn keine internationale Sperre ausgesprochen war und auch jede andere Handhabe fehlte. Dazu der renommierte Schweizer Anwalt Dr. Ulf Walz: „Ob der deutsche Verband vielleicht nochmals und für das gleiche Vergehen strafen darf, ist sehr fraglich, in jedem Fall aber höchstrichterlich noch nicht geklärt.“

 

„Man wollte Daniel Deußer köpfen“

 

Die deutsche FN versuchte es und unternahm eine Hauruck-Aktion. Die erste Disziplinarkommission  der deutschen FN entzog dem Berufsreiter für fünf Monate die Turnierlizenz für das In- und Ausland. Die einzelnen Turnierveranstalter wurden zudem angewiesen, Deußer keine Startzusage zu erteilen. Gegen den mündlichen Beschluss, so in der Verkündung, könne kein Rechtsmittel eingelegt werden.

 

Deußer beriet sich mit dem Münsteraner Rechtsanwalt Andreas Kleefisch, der verlor fast die Contenance und sagte: „Man wollte Daniel Deußer bewusst köpfen. Was hier ablief war perfide und  pervers. Eine grobe Rechtsverletzung.“ Und er sagte: „Einer Disziplinarkommission kann es nicht gestattet sein, Staatsanwalt, Richter und Vollstrecker in einer Person zu spielen und Beschlüsse, die offenkundig nicht einmal durch das eigene Vereinsreglement gedeckt sind, für sofort wirksam erklären.“

 

Kleefisch hatte mit einem Eilantrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht Münster Erfolg. Gegen die  FN, vertreten durch den geschäftsführenden Vorstand Dr. Hanfried Haring, Reinhardt Wendt als stellvertretenden Vorsitzenden und Dr. Klaus Miesner, wurde angeordnet (Aktenzeichen 11 O 139/08), den Beschluss vom 24. März 2008 bis zur Entscheidung in der Hauptsache eine Jahreslizenz für 2008 nicht mit der Begründung zu versagen, es liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 20 Ziffer 1 LPO wegen Dopingvergehens in Zusammenhang mit dem Pferd Pristinna während der Wellington Masters Horse Show vor. Dem Antragsgegner wird bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 100.000 Euro untersagt, den Antragsteller an der Teilnahme an nationalen und internationalen Reitturnieren zu hindern, soweit dies auf den Beschluss vom 24.04.2008 gestützt wird. Die Kosten dieses Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt. Der Streitwert wird auf 100.000 Euro festgesetzt. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die nationalen und internationalen Sportverbände sowie die nationalen und internationalen Turnierveranstalter davon in Kenntnis zu setzen.“

 

Einwände des Rechtsanwalts:

 

In dem Eilantrag an das Landgericht Münster führte Kleefisch unter anderem aus:

 

++ Dass das zuständige Hearing-Komitee des US-Verbandes bindend festgestellt hat, dass Deußer die pflanzliche Substanz nicht dazu eingesetzt habe, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen

 

++ Dass er die Strafe akzeptiert hat

 

++ Dass die Sperre seitens des Verbandes rechtswidrig ist, weil es abweichend von der Verbandssatzung und dem Reglement des Verbandes für derartige Fälle keinen  verbandsinternen Rechtsbehelf gibt

 

++ Dass die FN erst ein Jahr nach dem rechtskräftig geahndeten Verstoß in den USA aktiv geworden ist und die Ausstellung einer Jahreslizenz verweigerte

 

++ Dass die FN nicht darauf einging, Deußer habe seine Strafe verbüßt, er wurde zur Verhandlung vor die Disziplinarkommission zitiert. Die gestand ein,  man habe sich mit einer ausdrücklich unauthorisierten Übersetzung des Urteils aus den USA begnügt. Trotz mündlicher und schriftlich vorgetragener ausführlicher Hinweise auf die Rechtswidrigkeit des Tuns verkündete Dr. Ettwig-Georg Wann als FN-Justitiar, der mündliche Beschluss der Disziplinarkommission entfalte sofortige Wirkung, ein Rechtsmittel dagegen existiere nicht. Aus logistischen Gründen sei eine baldige schriftliche Zustellung des Beschlusses nicht möglich. Kein Problem hatte die FN jedoch damit, nämlich zwei Stunden nach Verkündung des Beschlusses eine ausformulierte Pressemitteilung auf der Homepage zu veröffentlichen.

 

++ Dass eine eingehende Beschlussbegründung nicht erfolgte

 

++  Dass der Beschluss offensichtlich rechtswidrig ist, weil sich eine ausreichende Grundlage im Satzungs- oder Regelwerk nicht findet , dass die Verweigerung der Startgenehmigung eine faktische Sperre und damit ein Berufsausübungsverbot von fünf Monaten darstellt

 

++ Dass die Disziplinarkommission keinen wichtigen Grund für den Beschluss hinreichend vortrug und auch keine Begründung dafür abgab

 

++ Dass für eine derart einschneidende Maßnahme die ausreichende Satzungsgrundlage fehlt

 

++ Dass die von der Disziplinarkommission ergangene Maßnahme einem faktischen Arbeitsverbot gleichkommt und zwingend einer satzungsmäßigen Grundlage bedarf

 

++ Dass die Einhaltung des wesentlichen Prozessgrundrechts von den ordentlichen Gerichten voll überprüfbar ist. Verstößt ein Verband gegen das Mehrfachverfolgungsverbot, kann die Dopingsanktion durch das staatliche Gericht in einem Hauptsacheverfahren aufgehoben und dem mehrfach verfolgten Athleten Schadenersatz wegen unrechtmäßigen Verbandsmaßnahmen zugesprochen werden.

 

++ Dass dem Antragsteller lediglich der rechtskräftig festgestellte Vorwurf zu machen ist, seinem Stalltierarzt vertraut zu haben, und dabei auf einen anerkannten Veterinär.

 

++  Dass der in den USA bewertete und geahndete Verstoß nach der deutschen LPO allenfalls als leichter Verstoß anzusehen ist, der nicht vorsätzlich begangen wurde und allenfalls als Ordnungsmaßnahme der Verwarnung in Betracht kommt, zumal auch die Behandlung mit Request 2 zum Schutz und Wohle des Tieres auf dem Zwölfstunden-Flug diente

 

++ Dass die Sperre von  fünf Monaten unverhältnismäßig, grob willkürlich und unzulässig sei.

 

Der Beschluss des Landgerichts Münster wurde übrigens Dr. Wann am 30.April durch die Gerichtsvollzieherin persönlich ausgehändigt. „Höchststrafe“, wie man in juristischen Kreisen spottet.

 

Fall Deußer – eine falsche Rechtsanwendung

 

„Der Fall Deußer ist schlicht eine falsche Rechtsanwendung. Vereinfacht kann man sagen: Strafentscheidungen eines Schiedsrichters zum Beispiel im Fußball, gelten normalerweise als Spielregelentscheide, die gerichtlicher Überprüfung nicht zugänglich sind, wie beispielsweise Platzverweise, Strafstöße usw.  Aber: Sanktionen, die am so genannten grünen Tisch durch Verbandsfunktionäre getroffen werden, sind in der Regel gerichtlicher Überprüfung zugänglich, wie zum Beispiel Lizenzverweigerungen, Startsperren, nachträgliche Disqualifikationen, Geldbußen, Preisgeldverweigerung oder –rückforderung, Verbands- oder Kaderausschlüsse,“ so der bekannte Schweizer Rechtsanwalt Dr. Ulf Walz, bestens gewieft im Umgang mit Funktionären, Gesetzen und Reglements.

 

Deußer: „Hätte der Verband früher haben können“

 

Das Oberlandesgericht in Hamm stellte nun fest, dass der Entzug einer Lizenz durch die FN rechtswidrig war. Die Vergabe war jeweils nur immer auf Weile gegeben worden. Denn Deußer war jeweils vor ein ordentliches Gericht gezogen, um eine Einstweilige Verfügung zu erreichen.

 

Zuletzt bekam die FN im Oktober 2009 in Münster vor dem Landgericht Recht. Dagegen wehrte sich einer der besten deutschen Nachwuchs-Springreitern nun in Hamm vor dem Oberlandesgericht – und dort bekam er endgültig Recht. Den Ausgang des Verfahrens erfuhr Daniel Deußer in Göteborg, wo er am Wochenende beim Weltcupturnier startet. Deußer: „Natürlich bin ich froh, dass nun alles vorbei ist. Das hätte der deutsche Verband auch schon früher haben können.“ Sicher auch preiswerter – bei einem Streitwert von 100.000 Euro. Daniel Deußer bedankte sich auch bei seinem Chef Jan Tops, „der immer zu mir stand. Aber sicher vor allem auch deshalb, weil er wusste, dass ich nichts getan hatte.“

 

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