Der Weltverband im Spinnennetz der Präsidentin... Drucken
Geschrieben von: Max E.Ammann/ DL   
Donnerstag, 21. November 2013 um 10:21

Lausanne. Der Weltverband FEI darf zurecht fast als eine geheimnisvolle Loge bezeichnet werden. Die den Sport bezahlen, haben kaum etwas zu bestimmen. Im Hauptquartier in Lausanne herrscht eher eine Atmosphäre der Angst vor Entlassung, sollte jemand gegen Präsidentin Haya aufmucken. Der frühere Springreiter-Weltcupdirektor, FEI-Kenner und Journalist Max E. Ammann (75) sticht in seiner Kolumne beim Schweizer Magazin PferdeWoche in der jüngsten Ausgabe mutig und offen in eine Beule hinein.

 

Anlässlich der FEI-Generalversammlung von 2006 in Kuala Lumpur in Malaysia wurde Prinzessin Haya, die Tochter von Hussein, dem verstorbenen König von ­Jordanien und Ehefrau des Herrschers von Dubai, Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum, zur FEI-Präsidentin gewählt. Sie folgte auf Doña Pilar de Borbón, die Schwester des spanischen Königs.

Diese Wahl war erwartet worden. Von ihren zwei Gegnern bei dieser Wahl hatte der griechische Vizepräsident nach einem FEI-internen Machtkampf ein beschädigtes Ansehen und die dänische Prinzessin, obwohl außerordentlich kompetent in pferdesportlichen Angelegenheiten, war so schüchtern und unnahbar, dass nur wenige der über 100 FEI-Wahlberechtigten sie kannten.

Haya hatte ihre Wahl sorgfältig vorbereitet: Ein PR-Star aus Schweden und ein erfolgreicher Pferdesportveranstalter aus England hatten ihre Wahlkampf-Broschüre, Manifest genannt, geschrieben. Dieses Manifest enthielt nicht nur die üblichen Versprechungen von Wachstum, Stärke, Offenheit, Verfügbarkeit und, und, und – sondern offerierte der FEI auch einen großen Millionenbetrag, sollte sie gewählt werden. Hayas erste Monate waren vielversprechend: Während den Weltreiterspielen 2006 in Aachen gab sie eine Einzelpressekonferenz, die jedermann beeindruck­te.

 

Haya wollte die FEI umwandeln: Von einem kollegialen Verein von Pferdefreunden zu einem professionell geführten, kommerziell orientierten Verband. Damit begannen ihre ersten Probleme. Spitzenleute für Spitzenpositionen, die zwei oder drei Sprachen sprechen, sind rar, selbst in der Schweiz. Vor allem in Lausanne, wo über 20 internationale Sportverbände und nicht zuletzt das IOK um diese Spitzenleute werben.


Die FEI, mit ihrem durchzogenen Ansehen in Bezug auf administrative Führung und zu vielen Fehlbesetzungen als Generalsekretär, gehörte in Lausanne zum unteren Ende eines Wunschtotems für Jobs, und hatte Mühe, die Besten zu finden. Eine Beziehung zum Pferd war keine Voraussetzung mehr für eine Anstellung bei der FEI. Stattdessen fanden sich bald mehrere durchschnittlich qualifizierte Leute in FEI-Kaderpositionen. Dies passte möglicherweise ins Konzept von Haya, die sich mehr und mehr als autokratische Präsidentin hervortat. Das Exekutiv-Komitee mit den zwei Vizepräsidenten wurde Monate, dann Jahre nicht mehr einberufen. So war es keine Überraschung, dass sich sowohl der ers­te Vizepräsident, Sven Holmberg aus Schweden, als auch der zweite Vizepräsident aus Neuseeland, zurückzogen. Holmberg entschied sich, bei der Wahl von 2010 gegen Haya anzutreten. Er hatte keine Chance.

Millionen für den Verband

Da war Hayas finanzielle Großzügigkeit: In der Zwischenzeit hatte sie die Millionen ihrer Vorwahl-Versprechungen ausbezahlt. Dann kaufte sie ein Bürohochhaus in Lausanne als neues FEI-Hauptquartier, ließ es aufwändig renovieren und schenkte es der FEI. Gesamtkosten dieses Geschenkes: Rund 25 Millionen Franken. All das spaltete die Mitgliedländer der FEI in zwei ungleiche Gruppen. Auf der einen Seite waren die pferdesportlich dominierenden Länder Westeuropas, wie Schweden, Deutschland, die Niederlande, Frankreich oder die Schweiz sowie Nord­ame­rika, die mit Miss­trauen die Geldgeschenke betrachteten, die zur FEI kamen, und ebenso die neue Welle im Sekretariat, Richtung kommerzielles Unternehmen.

Auf der anderen Seite waren die kleineren Landesverbände in Osteuropa, Afrika, Südamerika und Asien mit nur beschränkten pferdesportlichen Aktivitäten. In andern Worten: Die 20 bis 25 nationalen Verbände in Opposition zu Haya waren für 80 bis 90 Prozent aller FEI-Veranstaltungen verantwortlich. Aber sie verfügten - nach dem Ein- Land/eine-Stimme-Prinzip - nur über 20 bis 25 Stimmen – gegenüber rund 100 der kleineren Verbände, die von Hayas Großzügigkeit beeindruckt waren.

Diese widersprüchliche Situation, in der die Länder, die für den Sport bezahlen, von denen, die davon profitieren, dominiert werden, zeigte sich brutal bei der Wiederwahl von Haya 2010. Sven Holmberg und ein weiterer Europäer, der Niederländer Henk Rottinghuis, waren chancenlos. Haya gewann überwältigend.

Erneute Wiederwahl

Nachdem Haya 2006 erstmals gewählt wurde, wurden die Statuten der FEI geändert, offenbar auf ihren Wunsch hin: Ein Präsident sollte maximal zwei Amtsperioden zu vier Jahren haben, und nicht drei, wie in den alten Statuten vorgesehen. Ob Haya seitdem ihre Meinung geändert hatte, oder ob ihre Anhänger aus eigenem Antrieb handelten: Tatsache ist, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2013 massive Anstrengungen unternommen wurden, Haya eine dritte Amtszeit zu ermöglichen, das heißt: Sie 2014 erneut bis 2018 zu wählen. Die Opposition gegen diese Änderung der Statuten war stark. Die Gegner machten geltend, dass die Probleme, ja Skandale im Endurance-Sport – zu einem wesentlichen Teil dominiert von Hayas Ehemann Scheich Mohammed – Haya in einen fatalen Interessenkonflikt brächten.

Die Doping- und Wohlfahrt-Krise im Distanzreiten ist unübersehbar, und vieles davon bezieht sich auf den Nahen Osten, genauer gesagt, haben ihre Ursprünge in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Herrscher in Dubai und Besitzer der weltgrößten Endurance-Ställe ist Scheich Mohammed, Hayas Ehemann.


In der Londoner Tageszeitung «Telegraph» erschien kürzlich, aus der Feder von Pippa Cuck­son, ein langer Artikel, in dem die Geschichte von Doping, Medikamentenmissbrauch, toten Pferden und Regelverstößen im Endurance-Sport aufgezeichnet wurde. FEI-Statistiken zeigen auf, dass seit 2005 in allen sieben FEI-Disziplinen total 162 Dopingfälle behandelt wurden. 34 davon betrafen Endurance und davon 20 mit Bezug zu den Endurance-Ställen der Al Maktoum-Familie. Scheich Mohammed ist auch Besitzer des größ­ten Rennstalles in England. In den Ställen wie Darley oder Godolphin stehen 2000 Vollblüter. Dort wurde ein weitverbreiteter Miss­brauch von verbotenen Steroiden entdeckt. Nur wenig später wurden aus einem Privat-Jet von Scheich Mohammed auf dem Londoner Flughafen Stan­sted verbotene Medikamente konfisziert. Als einige Landesverbände, darunter die Schweiz, die FEI angingen, um Auskunft über die Vorkommnisse zu erhalten, war die Antwort unzureichend und ausweichend. Nach einigem Zögern schuf die FEI ein Komitee, um die Miss­stände im Endurance zu untersuchen.

Ein Mitglied ist Saeed Al Tayer, Vizepräsident des Dubai Equestrian Club, zweifellos eine Al Maktoum-Verbindung. Und da ist die Rolle von Lord Stevens, dem früheren Chef der Londoner Polizei. Er hat eine Vereinbarung mit der FEI, arbeitet aber neuerdings auch für Al Maktoum.

Ende September gab Haya bekannt, auf eine dritte Amtszeit zu verzichten. Ihre Präsidentschaft würde im November 2014 beendet sein. Da begann die Komödie der Verirrungen an der Generalversammlung der FEI Anfang November 2013 in Montreux.

Verharmlosung

Statt dass das erwähnte Endurance «Krisen»-Komitee sich der Probleme annahm und die Delegierten sich Gedanken über den nächsten Präsidenten machten, geschah genau das Entgegengesetzte. Das Endurance-Komitee, geleitet vom britischen Funktionär Andrew Finding, versuchte, die Probleme zu verharmlosen. In Bezug auf Haya entwickelte sich eine Kampagne während dieser drei Tage in Montreux mit dem Ziel, Haya eine dritte Amtszeit zu ermöglichen. Ein Unterschriftenbogen, der eine entsprechende Statutenänderung verlangt, zirkulierte, und 100 Delegierte unterschrieben ihn. Zu denen, die unterschrieben, gehörte auch der Belgier Jacky Buchmann und der US-Delegierte. In der Folge setzte die FEI eine außerordentliche Generalversammlung für den 29. April 2014 an. Es ist anzunehmen, dass dann die Statutenänderung – die eine dritte Amtszeit erlaubt – angenommen wird.

 

Das Erstaunlichste bei all diesen Vorkommnissen ist die Tatsache, dass in all diesen Jahren die westeuropäischen Verbände, die USA und Kanada nicht in der Lage waren, einen Nachfolgekandidaten zu Haya aufzubauen. Die Schwäche der Europäer zeigt sich einige Jahre, nachdem die Europäer, damals bejubelt, einen europäischen Pferdesport-Verband gegründet hatten. Diese Neugründung entpuppte sich als derart diskret und machtlos, dass niemand in der Pferdewelt weiß, dass sie noch exis­tiert. Man muss befürchten, dass die Europäer und Nord­amerikaner, die doch 80 bis 90 Prozent der Aktivitäten und des Einkommens der FEI bestreiten, auch 2017, wenn es um die wirkliche Nachfolge für Haya geht, keine Ahnung haben, wen sie vorschlagen sollten...

 

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