Damon Hill - Kein Rausch ohne Kater... |
Geschrieben von: Oliver Wehner/ |
Dienstag, 07. April 2015 um 17:27 |
Damon Hill auf der EQUITANA 2015 Essen (Foto: Raimund Hesse) Essen/ Wassenberg. Gedanken zu Damon Hills magischem, aber den Fan auch etwas ratlos zurücklassenden Kurzcomeback – Und Randbemerkung…
Aller Skepsis, aller Vorbehalte wegen des (zu) frühen Endes einer Traumpartnerschaft zum Trotz: Es war ein magischer Moment für über 4000 Zuschauer, als das beste deutsche Dressurpferd kürzlich auf der Equitana in Essen nach einem halben Jahr verordneter Rampenlichtabstinenz für einen kurzen und überaus effektvoll inszenierten Gänsehaut-Augenblick auf die große Viereck-Bühne zurückkehrte. Gloria Gaynors „I am what I am“ erklang sanft aus den Lautsprechern, in der großen Messehalle wagte kaum jemand zu atmen, als der eher kleine Donnerhall-Sohn mit den ganz großen Bewegungen hereintrabte. Damon Hill war also wieder da. Und gleich wieder weg. Als endlich applaudiert werden durfte, war das Schauspiel im Grunde schon vorbei.
Dass ein 17-jähriges Mädchen den westfälischen Hengst in Essen ritt, hatte nun niemanden mehr überrascht. Die sehr talentierte Jil Marielle Becks, Tochter der Besitzer und Züchter Melanie und Christian Becks, bewältigte die verkappte Kurzkür vor der für sie natürlich ungewohnten und gewaltigen Kulisse hochkonzentriert. Etwas zackig wirkten „Damis“ Bewegungen, vielleicht nicht mit der allerletzten Losgelassenheit, aber präzise und frisch. In den zwei Stunden zuvor waren auf der Equitana-Hengstschau fantastische Pferde präsentiert worden, Superstars im Sport. Dressur-Vererberlegenden wie Fidertanz und Belissimo, Parcours-„Flugzeuge“ wie Embassy II und Colorit, der tollkühne Vollblut-Newcomer Asagao. Aber als Damon Hill, Weltcupsieger sowie Mannschafts-Welt- und Europameister, mit seiner jungen Passagierin in der andächtigen Stille piaffierte, da gehörte ihm der Abend ganz allein. Doch wie das so ist, kein Rausch ohne Kater.
Auf die drängende Frage, ob denn das nun schon die Verabschiedung des 15-Jährigen aus dem großen Sport war, gab es keine echten Antworten. Die Becks’ ließen lediglich verlauten, dass Damon Hill neben seinem Deckgeschäft bei Heiner Schiergen fit gehalten wird. Ob er nun doch noch im Herbst seiner Karriere einem renommierten Reiter zugeführt wird (unwahrscheinlich) oder aber der jungen Jil Marielle als „Professor“ den Einstieg in den Grand Prix ebnen soll (wahrscheinlich und natürlich auch völlig legitim), blieb letztlich unausgesprochen.
Und das holt es wieder zurück, gerade nach einem solchen Auftritt: dieses schale Gefühl, dass es schön gewesen wäre, Damon Hill weiter unter Helen Langehanenberg auf Championaten, also auf allerhöchstem Niveau, zu sehen. Doch dieses Kapitel ist Geschichte, wer auch immer an dem Zerwürfnis zwischen Reiterin und Besitzer die Schuld trägt. Die Fans müssen sich damit zufrieden geben, dass „Dami“ nun eben für sich ist, was er ist – Zitat Gloria Gaynor. Sie werden aber nicht vergessen, wer ihn dazu machte: Langehanenberg und seine erste Ausbilderin Ingrid Klimke.
Dazu darf oder sollte vielleicht auch angemerkt werden:
In Kurzform ohne Pathos: Ingrid Klimke, Olympiasiegerin in der Vielseitigkeit, Reitmeisterin und in der Dressur ganz oben angesiedelt, hat den Hengst Damon Hill bis zum Grand Prix ausgebildet und auch damit gewonnen, konnte ihn aber wegen eines Schulterbruchs nicht weiter arbeiten. Ihre damalige Schülerin Helen Langehanenberg fragte, ob sie nicht den Donnerhall-Nachkommen übernehmen dürfe, bis sie wieder gesund wäre. Ingrid Klimke hatte nichts dagegen. Dann ging der Hengst zum Absamen auf eine Deckstation – und Ingrid Klimke konnte anschließend im Internet lesen: Die neue Reiterin heißt Helen Langehanenberg…
Dass Damon Hill unter Helen Langehanenberg nicht mehr geht, lag auch daran, dass die Forderungen im Hinblick auf Olympia in Rio de Janeiro 2016 – von welcher Seite auch immer – bei einer monatlichen Leasingrate von 40.000 Euro gelegen hätten, bis 35.000 € wären Gönner und das Deutsche Olympiadekomitee für Reiterei (DOKR) mit privaten Geldgebern sogar mitgegangen…
Nur: Auch das ist interessant: Es fragt inzwischen niemand mehr nach Damon Hill und Helen Langehanenberg, wie auch nicht mehr nach Totilas. Nirgendwo scheint die Welt so vergänglich und vergessen wie im Reitsport. Aber viele merken es eben nicht. Es zählt einzig und allein der Moment, die Höchstleistung zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort. Dieter Ludwig |