Rekord-Nationen-Preisreiter Beerbaum hört nach Olympia 2012 auf Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Samstag, 05. Juni 2010 um 19:34

St.Gallen. Seit diesem 4. Juni 2010 heißt der deutsche Rekord-Nationen-Preisreiter Ludger Beerbaum (46). Er löste damit Hans Günter Winkler auf der Spitzenposition in Deutschland ab. Als Weltrekordler gilt seit letztem Jahr der inzwischen vom Leistungssport zurückgetretene Schweizer Markus Fuchs mit 145  Einsätzen.

 

Deutsche Verbandsirrläufe seit Hongkong

 

Seit 20 Jahren gehörte er zur deutschen Equipe wie das Amen in die Kirche. Er konnte sich selbst auch nicht mehr daran erinnern, wann er nicht in der Mannschaft ritt. Früher hätte er sich damit herumgequält, allein bei dem Gedanken, da musste ihn seine Mutter jeweils einfangen, doch dann sagte Ludger Beerbaum (46), „das haut mich wahrlich nicht mehr um. Ich habe mir auch ein dickeres Fell zugelegt“. Beim letzten 94. Internationalen Offiziellen Turnier von Deutschland – CHIO – in Aachen ritt der viermalige Olympiasieger und dreimalige Weltmeister zum Beispiel nicht seinen 106. Preis der Nationen für Deutschland, er war in der Soers nur Einzelstarter.

Wochen davor sagte der deutsche Rekordmeister mit acht Titeln nämlich Sätze wie, er habe sich im Laufe der Jahre darauf eingerichtet, auszuschöpfen, was gehe, oder weiter, in der Vergangenheit hätte er die Haltung gehabt, erlaubt sei, was nicht gefunden werde. Er ritt kaltschnäuzig eine Attacke gegen die Verbandsführung, aber auch gehen sich selbst, „ich war wie ein Boxer, der aus der Ecke nicht mehr herauskommt und nur noch um sich schlägt. Ich musste aus dieser Ecke einfach raus, ich musste endlich wachrütteln“. Im juristischen Sinne hat er sich nicht selbst bezichtigt, weil er ja nicht gestand und sagte, er habe zu verbotenen Mitteln gegriffen. So sah das auch FN-Generalsekretär Sönke Lauterbach.

 

In Warendorf schlug der „Blitz“ ein

 

Die Äußerungen des Rudelführers schlugen wie Blitz aus dem Gewitterhimmel in der Zentrale ein, Warendorf geriet endgültig in Panik. Die Nachwehen der Olympischen Reiterspiele von Hongkong im letzten August mit der Medikation und später aufgrund des Einspruchs der eigenen FN auf Doping hochgestuften Affäre um den Schimmel Cöster von Christian Ahlmann und um die unangemeldete Spritzenaktion wegen Schwäche des Hengstes Cornet Obolensky von Marco Kutscher waren noch nicht verebbt, da trat ausgerechnet Ludger Beerbaum  eine weitere Tür ein. Und er nahm nichts vom Gesagten zurück. Das war ja fast noch schloimmer für einige Verbandsoberen.

 

Die deutsche FN, zunächst völlig führungslos wie ein Schiff mit gebrochenem Ruder in aufgewühlter See, löste nach einer vierstündigen Marathonsitzung komplett  die Kader in Springen, Dressur und Vielseitigkeit auf, ließ aber Fahrer, Distanzreiter, Voltigierer und Westernreiter erstaunlicherweise ungeschoren, was Dressur-Weltmeisterin Isabell Werth zu der Bemerkung veranlasste, sie lasse sich nicht unter Generalverdacht stellen, schließlich sei die ganze Angelegenheit durch die Springreiter hervorgerufen worden. Und die erfolgreichste Dressurreiterin hat auch noch nicht vergessen...

 

Beerbaum als Erster zum Verhör

 

Eine neutrale Dreierkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Zusammenschluss des Nationalen Olympischen Komitees und des Deutschen Sportbundesbundes, begann Aktive und Funktionäre anzuhören, von ihrem Entscheid hing die Wiederaufnahme  - oder eine Ablehnung – in die Kader ab.

 

Ludger Beerbaum wurde am 13. Juli letzten Jahres als Erster gehört – oder auch verhört. Er plagte sich natürlich bereits mit den Gedanken herum, was man ihn fragen könnte, ob man Verständnis fände für sein Anliegen, „denn ich möchte mal unseren Sport aufzeigen, wie alles läuft. Ich möchte auch mal herausstellen, wie unsere Pferde umsorgt werden, wie gefüttert, wie trainiert, wie medizinisch versorgt. Unseren Pferden fehlt es an nichts“.

 

Eine Woche später empfahl die Kommission, die Suspendierung aufzuheben. Beerbaum dazu im letzten Jahr: "Ich freue mich, dass die unabhängige Kommission dem deutschen Verband empfohlen hat, meine Suspendierung aufzuheben. Ich habe darauf gehofft, dass ich auf diese Weise rehabilitiert werde. Nun wünsche ich mir, dass die Empfehlungen der Kommission, das Regelwerk zu überarbeiten, auch schnell angegangen werden. Der ganze Aufwand hat sich aus meiner Sicht nur dann gelohnt, wenn das Reglement hinsichtlich der verbotenen Medikation geändert wird."

 

Das Fehlen klarer Richtlinien

 

Beerbaum, der in Riesenbeck auf seiner Anlage zur Zeit u.a. auch drei Tibetaner aus Lhasa trainiert, fordert vom Weltverband, FEI, klare Regeln, „das geht doch schon bei den nationalen Turnieren los, weil nämlich die einzelnen Veterinäre auch keine bindenden Richtlinien haben. Ich für meine Person bin gerne bereit einen Gesundheitspass für jedes Turnierpferd zu führen. Doch dann müssen die Eintragungen über Behandlungen und Medikamente auch für alle anderen Tierärzte verständlich und bindend sein.“ Davon aber sei man in Europa noch meilenweit entfernt. Beerbaum: „Wir brauchen eine einheitliche Liste, was erlaubt und was verboten ist. Was die Liste enthält, muss überall Geltung besitzen. Für den einen ist beispielsweise Nasenspray bereits Doping, für einen anderen nur ein Mittel, um verschleimte Atemwege frei zu machen.“

 

Drei Klassen-Gesellschaft

 

Das Dilemma sei auch, dass zu viele zu wenig vom Reitsport verständen, zu wenig von den komplexen Zusammenhängen. Und so teilt Ludger Beerbaum auch die einzelnen in drei Lager ein, „die einen wollen schönen Sport sehen, gute Pferde, die sagen, sie hätten langsam die Schnauze voll von lauter Doping- und Medikationsdiskussionen, dann gibt es die andere Gruppe, die sich total gegen den Turniersport stellt, die möchte ihn abschaffen, was zur Folge hätte, Pferde könnte man nur noch im Zoo besichtigen. Und dann gesellt sich noch eine dritte Gruppe hinzu, zu der gehören neben den Reitern auch die Tierschützer, mit denen kann und muss man reden, wie damals 1990 im Zuge der Barr-Affäre. Die Tierschützer darf man nicht außen vor lassen.“

 

Karriere-Ende mit Olympia 2012 in London

 

1997 war Ludger Beerbaum in Mannheim gerade Europameister mit dem Team und in der Einzelwertung auf der göttlichen Stute Ratina Z geworden. Damals stellte er sich sein persönliches Absatteln so vor: „Ich reite bei einem Turnier und habe plötzlich eine bestimmte Eingebung, ganz spontan und einfach Tschuess zu sagen. Ohne, dass ich auch aufhören müsste.“ Und er sagte: „Wenn ich beim Parcoursabgehen mal das Gefühl haben sollte: Das schaffst Du nicht mehr, dann wäre sofort Schluss. Aber solange ich behaupten darf: Diese Hindernisse springt Dein Pferd allemal – solange reite ich weiter.“

Ludger Beerbaum, fünfmal Europameister, zweimal Team-Weltmeister, zweimal Derby-Gewinner in Hamburg, Weltcupsieger 1993, Vizepräsident des Internationalen Springreiterclubs, selbstbewusst, immer mit klarem Kopf, wenn auch manchmal auch bewusst gegen eine Wand rennend, sagt jetzt: „Ich werde bis Olympia 2012 reiten, dann bin ich 49 Jahre alt und denke, es gut sein zu lassen. Das ist fix, jedenfalls ist es so geplant.“ Coach eines Landes will er nicht werden, dafür wird er weiter junge Pferde ausbilden, Reiter aus aller Welt schulen und ein Gestüt unterhalten.

 

 

 

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