Der Traum eines kleinen Mädchens...(127) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Dienstag, 15. Mai 2012 um 16:19

Alarmstufe: Kolik bei Burgos...

 

Die Turnier-Abteilung des Reitstalles Hubertus war Pollys großes Ziel, dorthin wollte sie kommen. Die bereits dort ritten, waren ihre Vorbilder. Aggi, die Tochter des Reitlehrers, dazu Gudrun und Anette verehrte sie sehr. Von denen ritt Gudrun am erfolgreichsten auf Turnieren, und wohl auch am besten. Mit ihrem Burgos II kam sie fast nie ohne Schleife nach Hause. Das war schon mit dem vorherigen Burgos der Fall, der sich dann leider die Schulter gebrochen hatte und eingeschläfert werden musste.

 

Ganz besonders freute sich Polly, wenn Gudrun sie bat, ihren teuren neuen Burgos II trocken zu reiten. Das geschah seit vergangenem Jahr immer häufiger. Am Montagabend dieser Woche durfte Polly wieder trocken reiten. Polly sollte dabei die Zügel zwar nicht aufnehmen, dennoch versuchte sie, so korrekt wie möglich im Sattel zu sitzen, immer hoffend, dass Gudrun ihre Bemühungen bemerkte. Gestern war das der Fall. Gudrun kam schon nach fünf Minuten wieder in die Halle, nicht um ihr Pferd abzuholen. Sie forderte Polly auf, die Zügel aufzunehmen und anzutraben. Polly war völlig überrascht und tat genau, was Gudrun sagte.

 

Ein tolles Gefühl vermittelte Burgos II im Trab. Die Tritte waren gewaltig, und sein Schwung ließ Polly deutlich im Sattel mitschwingen. Nach einer Schrittphase sollte Polly nun im Trab aussitzen und die Zügel etwas konstanter in ihren Händen halten. Es klappte! Burgos nahm den Kopf runter und kaute auf dem Trensengebiss. Polly achtete darauf, dass sie dem Turnierpferd nicht im Maul wehtat. Burgos ging am Zügel. Nur Polly, die so einen schwungvollen Trab nicht gewohnt war, musste sich äußerst anstrengen, um ihren festen Sitz beizubehalten.

 

Gudrun, die oft schwierig oder sogar zickig war, schien aber nun ganz zufrieden. Jedenfalls meckerte sie nicht herum. Polly blamierte sich also nicht. Nach fünfzehn Minuten sollte  endlich Burgos II wirklich Feierabend haben, und Polly sollte den Wallach  noch wenige Runden Schritt am hingegebenen Zügel reiten.

 

Dieser Tag war wieder so einer, an dem sie lange darauf warten musste, abgeholt zu werden. Weil sie mit den Hausaufgaben getrödelt hatte, wäre sie mit dem Fahrrad zu spät in den Stall zu den Pony-Stunden gekommen. So musste sie wieder mit dem Auto gebracht werden. Jetzt bekam sie die Quittung, sie musste warten. Ausgerechnet an dem Tag, an dem sie nun das tolle Erlebnis mit dem Turnierpferd allen zuhause erzählen wollte.

 

Ihre Freunde waren schon lange aus dem Reitstall weg. Es wurde später und später. Sie war die letzte im Stall. Ganz alleine saß sie in der Tränke und langweilte sich. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Hans Lichtenhügel rief Polly, sie solle in den Stall zu Gudrun kommen. Es sei etwas mit dem Pferd.

 

Burgos II stand in seiner Box. Klatschnass klebte sein Fell am Hals und in den Flanken. Immer wieder bog der Wallach den Hals nach hinten. Gudrun war in größter Aufregung. Kolik! Das Wort war gefallen. Nur langsam bekam Polly heraus, dass sich Burgos, kurz nachdem er abgesattelt wurde, immer wieder ins Stroh warf und wälzte, dann aber wieder aufstand. Sein Futter rührte er nicht an.

 

„Polly, kannst Du Burgos in der Halle herumführen? Er muss sich bewegen. Er darf sich auf keinen Fall hinlegen. Da musst Du aufpassen. Nimm eine Gerte mit“, sagte Gudrun zu ihr. „Ich muss den Tierarzt anrufen“, hängte sie an.

 

Für Polly war das alles nicht so einfach. Burgos wollte sich gar nicht bewegen, er wollte sich eher immer hinwerfen in den Sand. Polly riss am Strick und klatschte mit der Gerte an die Hinterbeine des Wallachs, damit der nicht stehen blieb.

 

Es dauerte eine Ewigkeit, bis der Tierarzt kam. Burgos II wurde zur Untersuchung auf die Stallgasse gebracht.

 

Zuerst zog der Tierarzt das untere Augenlid des Pferdes herunter und schaute zudem auf die Innenseite der Lippen. „Er kontrolliert die Durchblutung der Schleimhäute“, erklärte Hans den dabeistehenden Reitkollegen. Alle waren tief besorgt. Jeder konnte sich noch genau daran erinnern, wie es war, als Gudrun ihren ersten Burgos verlor. Jeder fühlte mit ihr und hoffte, dass Burgos II nichts Schlimmes hatte.

 

Dann nahm der Tierarzt ein Stethoskop und hörte das Pferd auf beiden Seiten ab. Die Leute sollten dabei etwas ruhiger sein, damit er richtig hören konnte. Alle verstummten.

 

„Ich höre Darmgeräusche“, sagte er ernst. Dann legte er das Stethoskop fort und zog sich einen ganz langen Plastikhandschuh über. „Jemand muss den Schweif hochhalten“, sagte er. Hans trat sofort an das Pferd heran und fasste mit beiden Händen die Schweifrübe und drückte sie hoch. Der Tierarzt führte seinen behandschuhten Arm tief in den Darm vom Burgos ein. Was er dort machte und abfühlte, davon hatte Polly keine Ahnung. Ihr fiel aber auf, dass Burgos  ganz still stand und die Prozedur über sich ergehen ließ.

 

„Eine echte Kolik“, sagte der Veterinär. Nichts sonst. „Ich gebe nun Injektionen für den Kreislauf und gegen Krämpfe“, erläuterte der Tierarzt ruhig. Für ihn war alles Routine. Hans raunte Polly zu, dass der Tierarzt Spritzen meinte und zur Entkrampfung Buskopan spritzen würde. Woher der Hans das nur alles wusste? So klug hatte Polly den bisher gar nicht eingeschätzt. Sie war beeindruckt.

 

Gudrun solle jetzt erst einmal mindestens eine Stunde abwarten und beobachten, ob das Buscopan wirke, meinte der Tierarzt. Sie solle das Pferd auch nicht mehr im Schritt führen, das wäre nicht mehr nötig, sagte der Veterinär. So nebenbei sagte er, dass man heute gar nicht mehr so sicher sei, dass man ein kolik-krankes Pferd zur Bewegung zwingen sollte. Aber früher sei das alles so angeraten worden.

 

Der Tierarzt packte seine Utensilien zusammen und verließ den Reitstall. „Sie können mich jederzeit anrufen“, hatte er noch zu Gudrun gesagt, als er ging.

 

Gudrun wich nun nicht mehr von der Box ihres Pferdes. Polly auch nicht. Solange niemand kam, um sie abzuholen, konnte sie Gudrun Gesellschaft leisten. Ängstlich und angespannt schaute diese dauernd in die Box. Dort stand Burgos jedoch inzwischen ganz entspannt und knabberte an Holzspänen. Das Stroh war inzwischen gegen Späne ausgetauscht worden, wie der Tierarzt geraten hatte. Stroh sollte er auf keinen Fall zunächst mehr fressen. Möglicherweise war sogar Stroh die Ursache für die Kolik, die Verstopfung.

 

Polly kam es ewig vor, dort vor der Pferdebox zu stehen. Aber unter keinen Umständen würde sie Gudrun im Stich lassen. Die Stunde nach der Buscopan-Injektion war um, und die beiden waren erleichtert, dass es Burgos besser ging. Er verhielt sich inzwischen wieder ganz normal. Gudrun begann nun ihrerseits alles aufzuräumen. Dann lud sie Polly zu einer Cola ein.

 

In der Tränke mussten sie den anderen Gästen genau erklären, was geschehen war. Jeder wollte wissen, woher die Kolik möglicherweise gekommen sei. Das aber wusste auch Gudrun nicht. Es war bis dahin alles so gewesen wie immer. Nichts Auffälliges war vorher zu erkennen gewesen.

 

„Wir können wohl getrost nach Hause fahren“, sagte sie zu Polly, als sie nochmals in den Stall gingen, um Burgos „Gute Nacht“ zu sagen. Polly sah auch schon Opa kommen, um sie nun endlich abzuholen. Dennoch folgte sie Gudrun erst noch zu Burgos II, den sie heute geritten hatte.

 

Doch, Oh Gott, Burgos stand erneut klatschnass in der Box. Er bewegte sich, scharrte mit den Hufen, wollte sich hinwerfen. Die Kolik war anscheinend nicht vorbei. Gudrun begann zu weinen. „Kein Tierarzt mehr,“ entschied sie, „wir fahren direkt in die Klinik.“ Und zu Hans sagte sie: „Du rufst in der Klinik an und sagst, dass wir unterwegs sind. In vierzig Minuten sind wir dort. Sag auch, dass es sich um eine schwere Kolik handelt und dass es ein sehr wertvolles Pferd ist.“

 

Polly durfte nicht mehr mit. Sie hatte morgen Schule. „Ich drücke Euch ganz toll die Daumen“, sagte sie noch und folgte widerwillig ihrem Großvater zum Auto. Gleich nach der Schule würde sie morgen in den Stall kommen und hören, ob die guten Wünsche geholfen hatten.

(Fortsetzung folgt…)

 

 

 

 

 

 

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