Der Traum eines kleinen Mädchens...(137) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Mittwoch, 08. August 2012 um 14:17

Mit einem Tinker aufs Turnier...

 

 

In diesen Sommerferien überschlugen sich die Ereignisse für Polly und die Freunde aus dem Reitstall Hubertus. Letzte Woche konnte Polly ihr erstes eigenes Pferd in Empfang nehmen. Es hieß Beauty und stand nun in einer Box von Pollys geliebtem Reitstall. Seit ihrem siebten Lebensjahr ritt sie dort auf den herzigen Schulponys. In Hubertus hatte sie auch viele Freunde gefunden, der Stall war ihr zweites Zuhause.

 

Aus ihrer Clique war sie erst die Zweite, die ein eigenes Reitpferd besaß. Nur Petra hatte schon immer ein eigenes Pony, Diana. Dass Harald und Maria als Kinder des Reitstallbesitzers sozusagen Besitzer aller Schulpferde und –Ponys waren, zählte nicht. Das jedenfalls fand Polly.  Fünf Jahre dauerte es, bis sich ihr Vater erweichen oder überreden ließ, auch ihr ein Pferd zu kaufen. Sie war nun stolze Besitzerin, ihr gehörte ein Pferd.

 

Aber dann fiel Polly ein, dass Brigitta und ihre Freundin Martine (Schwestern) ja teure Dressurpferde von ihrem Vater in den Stall gestellt bekommen hatten.

 

Also, Pollys konstruierte Statistik war seit gestern wieder über den Haufen geworfen. Denn Cordula hatte ebenfalls ihr eigenes Pferd bekommen. Damit war Pollys Exklusivität hin, so ganz so stolz durfte sie nicht mehr sein. Nun lief auch Cordula sehr hoch erhobenen Hauptes durch den Stall, an den Schulponys vorbei, um ihr neues Pferd zu begrüßen.

 

Bis dahin hatte der erste Weg sowohl Cordula als auch Polly schnurstracks in die Stallgasse geführt, wo die Schulponys untergebracht waren. Aber von nun an  gingen sie dorthin, wo sich die Boxen der Turnier- und Privatpferde befanden. Damit verband sie auch das Recht, ihre Utensilien und Putzsachen in die private Sattelkammer zu räumen. Pollys Vater hatte aufgestöhnt, als er zur Kenntnis nehmen musste, dass dieser Umstand mit einer Extramiete für einen Spind im Zusammenhang stand. Noch mehr Kosten! Er schüttelte immer nur den Kopf.

 

Cordula hatte von ihrem Rechtsanwalt-Vater ein Dressurpferd gesponsert bekommen. Es war eine dunkelbraune bereits ausgebildete Stute. Sie hieß Angelique und hatte schon eine A-Dressur-Prüfung unter dem vorherigen Besitzer gewonnen. Cordulas Mutter zeigte jedem die Abstammungspapiere und die Turnier-Erfolge, eingetragen im sogenannten Checkheft, und wies dabei wichtig auf den Sieg einer A-Dressur hin. Damit nur niemand das übersehen könnte…

 

Aus irgendeinem Grund mochte Polly Cordula. Die aber blieb immer etwas distanziert, zwar immer höflich und freundlich, aber zurückhaltend. Polly suchte Cordulas Nähe. Sie wollte über ihr Glück mit Beauty und Cordula mit ihrer Angelique sprechen. Leider hatte Cordula selten Zeit, immer war sie in Eile. Ihre Mutter trieb sie an, nicht zu bummeln, sondern rasch ihre Reitstunde über die Bühne zu bringen, damit man schnell zu den wartenden Schulaufgaben nach Hause fahren konnte. Dabei war Cordula sowieso schon Klassenbeste.

 

So war es auch heute gewesen. Cordula ließ beim Zusammenpacken ihrer Klamotten eine Bemerkung fallen, die Polly den Atem  stocken ließ. Noch ehe Polly etwas sagen konnte, war Cordula schon verschwunden. Für Cordula erfüllte sich ein Traum, von dem Polly ihren Eltern noch gar nichts gesagt hatte: Mitreiten in der Turnierreiter-Abteilung.

 

Was für Cordula die normalste Sache der Welt war, bedeutete für Polly ein schier unüberwindbares Hindernis. Denn die Teilnahme an der Turnier-Abteilung kostete noch mehr Geld, und sie musste doch dankbar sein, dass ihr Vater schon sehr viel Geld für den Kauf eines Pferdes ausgegeben hatte. Dazu kam die monatliche Unterbringung und Fütterung. Das alles kostete wahnsinnig viel Geld. Polly hätte es nie selbst oder nur von ihrem Taschengeld bezahlen können. Wie sollte sie nun auch noch um Geld für Reitstunden bitten? Das konnte sie doch nicht. Sie war ihren Eltern wirklich dankbar. Unter keinen Umständen wollte sie als unersättlich gelten. Ihre Brüder hatten keine Wünsche, so groß wie ein Pferd. Die hatten nämlich nichts bekommen.

 

Polly holte Beauty noch einmal aus der Box und band sie an den Ringen in der Stallgasse an. Ganz in Gedanken bürstete sie Strich für Strich über das dunkle Fell ihres Pferdes. Nachher bückte sie sich, um die langen weißen Haare über den Hufen durchzukämmen. Das brauchte schon seine Zeit. Aber Polly fand es wunderschön, ihr Pferd so liebevoll zu pflegen. Sie genoss es, dem Tier Gutes zu tun. Beauty schaute sie mit ihren schwarzen Augen an. Polly glaubte, reine Liebe darin zu erkennen. Sie sah ihrer Beauty tief in die Augen. „Schön, dass Du bei mir bist“, dachte sie.

 

Dabei immer noch mit ihrem Unterrichts-Problem beschäftigt, standen plötzlich Martine und Brigitta neben ihr. Schnell merkten die beiden Schwestern, dass Polly irgendetwas bedrückte.

 

Polly erzählte, dass Cordula in Zukunft mit ihrer tollen Dressurstute am Turnier-Training teilnehmen durfte. Sie selber aber traute sich nicht, ihre Eltern darum zu bitten. Da lachte Brigitta lauf auf und rief: „Du willst mit einem Tinker auf Turniere?“

 

Bis dahin hatte Polly nicht groß darüber nachgedacht. Aber es stimmte schon, Beauty war ein Tinker, ein irisches Zigeuner-Pony, ein Kaltblut. Dennoch fand Polly, dass Beauty überhaupt nicht wie ein Kaltblut aussah. Sie war ziemlich schlank. Nur die Kötenhaare, das lange Haar um die Hufe, war verräterisch. Es gehörte nun einmal zu der Rasse. Warum solle sie damit nicht die eine oder andere Dressurlektion lernen können? Sie hatte jedenfalls nicht in der ersten Woche, seitdem Beauty da war, „einen Abgang gemacht“. Brigitta aber schon von ihrem Pferd., und nicht nur einmal. Die blöde Kuh brauchte gar nicht so zu lachen! Außerdem würde sie ja keinen damit schädigen.

 

Warum nur wurde die Cordula so von ihren Eltern unterstützt und sie nicht? Na ja, ihr ein Pferd zu kaufen, war ja schon tolle Unterstützung. Das musste sie ehrlich ihren Eltern zugestehen. Sie würde, wie bisher auf den Schulponys nun mit ihrem eigenen Pferd in der Abteilung von Herrn van Hopps, dem Schulbetrieb-Reitlehrer des Reitstalles Hubertus, teilnehmen. So schlimm war das nun auch nicht.

 

Polly fuhr mit dem Fahrrad nach hause. Es war nicht weit, ein bisschen Feldweg, dann ein Stück Strasse. Schon von Weitem sah sie das Auto ihres Vaters vor dem Haus stehen. Der war wohl früher zu Hause als sonst. Polly schaute auf ihre Armbanduhr. Nee, sie war später dran als normal. Es war schon gegen 19 Uhr 30.

 

Ihre Mutter schien hinter der Haustür gestanden zu haben, als eintrat. Sie schickte die Tochter gleich ins Büro zum Vater. Das war seltsam. Normalerweise wünschte Pollys Vater, in seinem Büro nicht gestört zu werden. Ausnahme gab es üblicherweise nur für anliegende Standpauken, wenn einer der Geschwister etwas ausgefressen zu haben. Polly aber war sich keiner Schuld bewusst.

 

Nervös betrat sie den verbotenen Raum, und gleich plapperte sie los, um sich über das Auslachen der blöden Brigitta bei ihrem Vater zu beschweren. „Darüber möchte ich gerne mit Dir sprechen“, sagte dieser ernst. Polly dachte schnell nach, ob sie was Böses gesagt hatte. Hatte sie aber nicht. Hatte Brigitta sie angeschwärzt?

 

„Herr Neureich hat mich angerufen“, sagte der Papa, der wusste, dass es sich um den Vater von Pollys Freundinnen handelte. „Wir haben uns abgesprochen. Herr Neureich hatte schon mit den Eltern von deiner Freundin Cordula gesprochen. Ihr werdet in Zukunft eine eigene Trainings-Stunde für Turnier-Vorbereitung und Ausbildung erhalten. Wer noch alles mitmachen möchte, steht noch nicht fest. Wir werden sehen. Den genauen Tag und Zeitpunkt müssen wir noch mit Herrn van Hopps abstimmen.“

 

Stille. Dann jubelte Polly los. Kein Problem mehr. Turnier-Stunden für sie und Beauty. Diese Sommerferien waren die schönsten, die es je gab. Polly stieß einen Jubelschrei aus und rannte zum Telefon, um alles mit Cordula zu besprechen. Danach würde sie Marine anrufen und danach vielleicht Petra.

 

(Fortsetzung folgt…)

 

 

 

 

 

 

 

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