Der Traum eines kleinen Mädchens (29) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Mittwoch, 12. Mai 2010 um 22:00

Polly oder Anpfiff für den Reitlehrer

29. Kapitel

Polly hat einen neuen Stundenplan bekommen. Sie wird Mittwochs nicht mehr zur Reitstunde gehen können.  

Polly wusste nicht, wie das in Zukunft gehen sollte: Mittwochs hatte sie Schule bis 13:30 Uhr, sechs Stunden. In den letzten beiden Stunden ausgerechnet auch noch Turnen. Sie liebte Turnen. Aber sie verausgabte sich dabei immer so. Danach fühlte sie sich völlig ausgepowert, durstig und hungrig. Sie musste also erst einmal essen. Wenn sie erst um 14:00 Uhr zuhause war, dann erst noch essen musste und Schulaufgaben zu erledigen hatte.... In den letzten Monaten war sie jeden Mittwoch schon um 14:00 Uhr im Reitstall gewesen.

Der Rucksack flog unter die Garderobe. Richtig sauer lief sie in die Küche zu Mama und erzählte völlig empört vom neuen Stundenplan. "Oh, das passt mir gar nicht", sagte Mama, "Wir müssen unseren Wochenplan komplett umstellen." Auch Mama war keineswegs begeistert. "Na ja, heute geht es ja noch Mal", beruhigte sie sich und ihre Tochter.

Polly hatte sich sehr auf ihre Freunde im Stall gefreut. Letzte Woche hatten sie so gelacht über die Erwachsenen. Die waren ja am 1. Mai völlig ausgerastet. Bis dahin hatte sie ihre Eltern und die anderen noch nie betrunken auf einem Fest erlebt. Ein bisschen machten sich die Kinder über Sabines und Petras Mamas lustig. Polly hoffte, dass die Kinder sich heute wieder so gut über die Eltern amüsieren würden. Es war wirklich sehr lustig gewesen. Petra war natürlich sofort zu ihrer Mama gerannt und hatte gepetzt. Frau Dimmer war aber diesmal nicht sofort herangerauscht. Sie schimpfte die Kinder nicht aus, sie ließ sich überhaupt nicht auf der Stallgasse blicken. Das konnte nur bedeuten, dass sie sich schämte.

Im Reitstall lief heute alles so wie bisher jeden Mittwoch zur Ponystunde. Aber Polly sollte sich Prinzchen fertig machen. Ein neues Mädchen, was schon viel eher da war als Polly, bekam Lisa zugeteilt. Harald und Maria die Geschwister waren noch nicht da. Aber Rolf. Der lief laut pfeifend durch den Stall. Dabei hielt er eine funkel-nagel-neue Pony-Trense so in der Hand, dass keiner sie übersehen konnte.. Marion, immer so bemüht lieb und höflich zu sein, war so blöd und sprach Rolf auf die neue Trense an. Und nun ging es los: Rolf erzählte lang und breit, dass seine Eltern ihm die neue Trense mitgebracht hatten. Keiner im Ponystall konnte es also überhören, dass Rolf ein eigenes Kopfstück für seinen Rih erhalten hatte.

Vergangenen Mittwoch hatten die Kinder das neue Sattelzeug, das für die gestohlenen Sachen angeschafft worden war, den jeweiligen Ponys angepasst, Rolf auch eine stalleigene neue bei Rih. Weil sein Vater aber  Rih gepachtet hatte und der deshalb wie ein eigenes Pferd behandelt wurde, sollte das Pferdchen nun auch eine Privat-Trense haben. Jetzt musste Rolf erstmals dieses Kopfstück alleine zusammenbauen und richtig verschnallen. Prompt kam er deswegen auch für die erste Pony-Stunde am Nachmittag zu spät in die Bahn.

Die anderen Kinder waren schon leichtgetrabt. Prinzchen mit Polly gingen vorne. Polly gab richtig Gas beim Traben. Marion auf dem kleinen Fips kam nicht mit, sie konnte keine Ecke ausreiten. "Du bist hier nicht auf der Flucht, Penelope!" brüllte der Reitlehrer. Er hatte Polly bei ihrem Geburtsnamen genannt. Polly war geschockt. Sie schämte sich. Ihren richtigen Namen mochte sie nicht hören, weil sie fürchtete, dass die anderen Kinder sie deswegen auslachen würden. Aber nichts geschah.

"Was ist denn mit Dir los, Rolf?" fragte Herr van Hopps. "Kannst Du Deinen Rih nicht ruhig an den Zügel reiten?" fragte er weiter. "Es geht nicht. Der schlägt immer mit dem Kopf", antwortete Rolf. Er strengte sich an und fasste die Zügel ganz kurz. Rih riss seinen Kopf wieder hoch, machte seinen Hals ganz steif und den Rücken hart. Rolf hopste auf ihm rum und konnte nicht vernünftig im Sattel sitzen. Rih schlug dauernd den Kopf hoch und runter. In der Ecke riss er den Kopf hoch und traf Rolf mit dem Nacken im  Gesicht. Der ließ sich fallen und Rih haute ab. Er lief Runde um Runde, Kopf hoch, Kopf runter, Kopf hoch, Kopf runter.

Der großkotzige Rolf rappelte sich auf. Er heulte vor Wut. Blut lief ihm aus der Nase. Aber er ließ sich vom Reitlehrer nicht helfen. Er war so wütend auf sein Pony. Als er es endlich einfing, riss er am Zügel, sodass das Pony wieder den Kopf hochriss.

In dem Moment erschien Joachim. Herr van Hopps rief den Hilfsreitlehrer zu sich in die Bahn. Er sollte den Pony-Unterricht weiter machen. Von Rolf ließ er sich erzählen, wieso er nicht auf seinem Rih saß. Joachim lupfte den Jungen mit einem Schwung auf das unruhige Pferdchen. "Rolf an die Tete, vor Polly", befahl Joachim. Jetzt war Polly beleidigt. "Warum darf der Rolf vor? War sie nicht gut genug?" dachte sie für sich. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass der junge Reitlehrer Rolf auf Rih genau beobachtete. Polly, die nun hinter Rolf herritt, konnte genau sehen, welche Probleme der sonst so vorlaute Junge vor ihr hatte. Jedes Mal, wenn das Pony mit dem Kopf schlug, bekam der kleine Reiter einen Schlag von unten und kam aus dem Sattel.

"Komm mal her", sagte Joachim zu Rolf. "Neue Trense, was?", fragte er provozierend. "Haste wohl selbst angepasst, oder?", fragte er nicht wirklich, sondern stellte es fest. "Absteigen!" befahl er. Rolf rutschte sofort herunter.

Noch in der Bahn zog er dem Pony die Trense aus. Der Zügel blieb zur Sicherheit über dem Pferdehals. "Kommt mal alle her und schaut Euch das an", rief er der Abteilung zu. Alle Kinder stellten sich mit ihren Ponys im Kreis auf. "Das Gebiss ist ungeeignet für Rih. Es ist ein Olivenkopfgebiss. Das ist zu stark für ein Pony. Die Hebelwirkung ist zu groß. Rih ist zu empfindlich im Maul. Ein Olivenkopfgebiss tut im weh. Eine ganz normale, einfach gebrochene Wassertrense mit normalen Ringen ist das Richtige", erläuterte der Hilfsreitlehrer den Kindern und zeigte genau den Teil der Trense, über den er sprach. "Das nächste, was nicht in Ordnung ist, ist das Stirnband dieser Trense. Es ist zu klein. Oder vielmehr zu kurz. Deswegen drückt das Genickstück der Trense voll dem Pony in die Ohren. Das tut ihm weh. Rolf, Du musst ein etwas größeres Stirnband kaufen", wandte sich Joachim unmittelbar an den beschämten Besserwisser.

Joachim sagte ganz laut, dass es jeder, auch außerhalb der Reitbahn, hören konnte: "Das hätte ein Reitlehrer aber auch sehen müssen". Alle hielten die Luft an. Sie wussten, wer gemeint war. Herr van Hopps drehte auch prompt den Kopf rum und sagte sehr leise zu Joachim: "Du kommst nachher mal zu mir, ok?"

Polly erinnerte sich, dass letzte Woche genau darüber gesprochen worden war. Rolf hatte es wohl nicht nötig gehabt, genau zuzuhören. Jetzt hatte er die Quittung: er hatte seinem Pony Schmerzen verursacht und war deswegen runtergefallen. Polly nahm sich fest vor, immer ganz gut zuzuhören, wenn so etwas Wichtiges erklärt wurde.

Die Reitstunde war zu Ende. Mama war schon da. Polly konnte sehen, dass sie mit Herrn van Hopps sprach. Hoffentlich wurde eine Lösung wegen des geänderten Stundenplans gefunden.

(Fortsetzung folgt.....)

 

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