Dr. Hanfried Haring nun mit einer 8 vor der 0... Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Donnerstag, 16. Dezember 2021 um 15:39

Dr. Hanfried Haring

(Foto: HPV)

Sassenberg. Er war Reiter, Pferdehändler, Generalsekretär der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), erster Präsident des Europäischen Pferdesportverbandes, saß im Weltverband, richtete Springpferdeprüfungen, er hat den Begriff „Deutsche Sportpferd“ und das Bundeschampionat erfunden – Dr. Hanfried Haring, an diesem 16. Dezember wurde er 80 Jahre alt.

Dr. Hanfried Haring war mal der höchstplatzierte und bestbezahlte Angestellte der Deutschen Vereinigung (FN). Dort verwaltete er am Ende auch seine eigene Personalakte und entdeckte eines Tages bei seinen Unterlagen auf einer Seite handschriftlich notiert: „Richtiges lernt man über Pferde am eigenen Portemonnaie.“ Die Randbemerkung hatte Burchard Müller verfasst, der Vorsitzende der Abteilung Zucht der FN in Warendorf. Hanfried Haring wurde am 1. März 1972 sein Nachfolger. Geholt hatte ihn der Hesse Wolfgang von Scharfenberg, der schlug den Agrarstudenten und – nebenbei - auch Pferdehändler als „brauchbaren Kerl“ in Warendorf vor.

Nach 36 Jahren nahm der ehemalige FN-Zuchtchef als Generalsekretär der deutschen Föderation seinen Abschied in der Zentrale des Reitsports in Warendorf. Sein Nachfolger wurde Sönke Lauterbach, man kennt sich eben, die Weichen waren früh gestellt worden. 2011 wurde Hanfried Haring mit dem „Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland am Bande“ geehrt, 2018 trat er zur Wiederwahl des Präsidenten der Europäischen Reiterlichen Föderation nicht mehr an, sein Nachfolger wurde der Niederländer Theo Ploaegmakers.

Im Pass steht nicht Hanfried als Vorname…

Alle Welt nennt ihn Hanfried, aber im Pass steht Hans-Joachim-Friedrich als Vorname. Wahrscheinlich nach einem Potentaten, dessen Standbild in Jena als „Kürfrist Hanfried der Sanfte“ zu besichtigen ist, und dort „hätten auch die Studenten ordentlich gesoffen, wie mein Vater erzählte.“ Haring, geboren in Halle/ Saale, zwischen 1962 und 1964 bei der Bundeswehr in Lüneburg, am Ende Oberleutnant, zwischen 1966 und 1969 Student der Landwirtschaft in Kiel, danach bis 1972 Assistent am Institut für Agrarökonomie in Göttingen mit Promotion („Ökonomische Bewertung von Zuchtprogrammen der Rinderzucht“), sollte als älterer Jungspund mit 31 erst einmal etwas Praktisches leisten.

Er wurde 1972 nach München zu den Olympischen Spielen geschickt. Die Internationalen Pferdepässe waren gerade eingeführt worden, und er hatte die in den Papieren eingetragenen Abzeichen der Tiere zu kontrollieren. Lange Zeit war er irritiert über eine braune Stute namens Venetia, die Josef Neckermann zu Silber in der Equipe und Bronze in der Einzelwertung vor dem Nymphenburger Schloss trug: „Sie war völlig bunt, mit vielen Abzeichen, so wurde sie mir gezeigt.“ Als er meinte, das könne doch nicht jenes Pferde sein, das er kenne, fuhr ihn Neckermann an: „Wissen Sie denn nicht, dass die Stute vor den Wettkämpfen eingefärbt wird?“ So sollten möglicherweise anscheinend ungleiche Bewegungsabläufe aufgrund der unterschiedlichen Farben der Beine kaschiert werden.

Und noch an etwas erinnert sich Hanfried Haring gerne. Der Springreiter, der auch beim damaligen Bundestrainer Hans-Heinrich („Micky“) Brinckmann trainierte und Prüfungen in der schwersten Klasse bestritt, fuhr im Zug zum damaligen Schneeturnier nach Davos, in Bundeswehrunifiorm. „Da kam kurz vor dem Grenzübergang zur Schweiz eine Dame auf mich zu und bat mich, ich möchte doch die Fahrkarte knipsen und entwerten.“ Sie hatte Hanfried Haring mit einem Schaffner verwechselt, deutsche Soldatenuniformen gehörten eben in jener Zeit nicht wieder zum normalen Alltag. Vor allem nicht in der neutralen Schweiz.

Angebot aus Uganda ausgeschlagen

Hanfried Haring, Sohn eines Professors für Tierzucht, der bereits ein Angebot vom Staat in Uganda als Start ins Berufsleben hatte („Ökonomie und Tierzucht“), der neben dem Springen auch in der Vielseitigkeit bis zur schwersten Klasse antrat, zudem erfolgreich züchtete, betätigte sich in seinen Anfängen in Warendorf „vor allem als Brandbekämpfer“, so Haring. Zu Sitzungen der einzelnen Ausschüsse habe nämlich jeder Reiter zunächst auch seinen Anwalt mitgebracht, sagt er. Als Leiter Zucht arbeitete er zunächst daran, die Gräben zwischen den einzelnen nationalen Zuchtverbänden zuzuschütten, aber er engagierte sich auch für Gespräche mit Vertretern der holländischen, belgischen und französischen Zucht.

Hanfried Haring ist der Schöpfer des Begriffs „Deutsches Reitpferd“ (DSP), was zwar bei vielen Züchtern bis heute nicht gerade zum Applaudieren ermuntert, „doch so konnten die einzelnen Verbände gegenseitige Errungenschaften, Erfahrungen, Erkenntnisse nutzen, ohne das Gesicht zu verlieren oder etwas aufgeben zu müssen“. Neben der Einigung der deutschen Zuchtverbände setzte Hanfried Haring ein weiteres Zeichen, denn auf seinen Ideen beruht die Erfindung des „Bundeschampionat des deutschen Reitpferdes“, das zunächst etwas ruckartig und stolpernd begann, aber inzwischen alljährlich in Warendorf die Glanzprodukte deutscher Zucht ins Schaufenster stellt. Ein Championat ohne Beispiel, beneidet überall dort, wo Pferde und Zucht zuhause sind. Hengstleistungsprüfungen gehen auf ihn zurück, ohne dass er sich in den Vordergrund schieben wollte, aber vieles beruht auf dem ruhigen und zweckorientierten Schaffen des Dr. Hanfried Haring. Man darf ruhig daran erinnern, vor allem an seinem 80. Geburtstag.

Er war zunächst eine Notlösung

Nach dem plötzlichen Tod des allgegenwärtigen Dr. Dietmar Specht am 27. März 1986 übernahm der nie polternd auftretende Hanfried Haring auf Bitten des Präsidenten Dieter Graf-Landsberg-Velen zunächst kommissarisch, dann ab 1.Januar 1991 hauptamtlich auch den Specht-Job des Generalsekretärs („zunächst als Notlösung“). Sein Ziel war von Anfang an: „Finanzielle Unabhängigkeit vom Staat“.

Seit dem 18. Februar 2010 hatte der organisierte Reitsport Europas, wo seit ewigen Zeiten der Turniersport gemacht wurde, auch erstmals eine Stimme durch ihn, die Vertreter von 42 nationalen Verbänden hatten für ihn votiert. Mitte September 2010 in Istanbul wurde er offiziell zum ersten Präsidenten der Europäischen Pferdesport-Vereinigung, European Equestrian Federation (EEF), gewählt, damit saß er auch im Weltverband (FEI) an entscheidender Stelle, und er wollte auch etwas bewegen. Nach seiner Meinung und mit dem Kopfnicken vieler anderer, müsse das System geändert werden, sagte er, er wollte gegen die vermehrt um sich greifende Unsitte der Paycards vorgehen. Es könne doch nicht sein, dass die besten Springreiter zu den Turnieren der Global Champions Tour drängten, zum Beispiel, aber die einzelnen Verbände höchste Schwierigkeiten hätten, „um für die Topliga der Nationen-Preise eine entsprechende Equipe aufstellen zu können“, sagte er. Und er hatte auch ein für jedermann verständliches Beispiel parat. Das wäre im Fußball beispielsweise so, dass der Bundestrainer keine Nationalmannschaft nominieren könnte, „weil die einzelnen Spieler wegen hoch dotierter Matches ihrer Vereine nicht zur Verfügung ständen.“ Doch vieles blieb beim Wollen.

Auch für Hanfried Haring drehte sich das Leben stets um das Pferd. Und so meinte er vor einigen Jahren: „Ich weiß, dass ich mal gesagt habe: Es gibt immer mehr Turniere – und immer weniger, die auch zuschauen. Ich weiß nicht, was wir falsch machen. Reiten ist eine Traditionssportart, die jedoch keine jungen Leute vom Hocker reißt, die interessieren sich am meisten für Trendsportarten, auch wenn die wieder durch andere überholt werden. Eines ist jedoch gewiss: Wir müssen Kinder bereits zum Pferd bringen, wie es die Franzosen vormachen, nicht erst Jugendliche.“

Dem ist bis heute nicht zu widersprechen.

 

 

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