Die tickende Zeitbombe ist entschärft Drucken
Geschrieben von: Oliver Wehner/ DL   
Freitag, 07. Januar 2022 um 16:46

Weitersweiler. Überall und an jedem Ort ereignen sich Tag für Tag Ereignisse, die Menschen und deren Umfeld schlagartig verändern. Jeden kann es treffen. Ein Ereignis aus der Reiterei greift nun Oliver Wehner in der Rheinpfalz auf.

 

24 Jahre jung ist die Nordpfälzerin Sophie Stilgenbauer. Dressurreiterin, Leistungssportlerin, Stallchefin.  Eine  Frau voller Energie, Tatendrang, mit großen Plänen. Dann so etwas, am Ende eines ereignisreichen Jahres. Wie das?

Ende November verschickte Sophie Stilgenbauer an ihre WhatsApp-Kontakte ein Foto ihrer Hündin Sia, kommentiert mit: „Vermisse sie so sehr“. Sofort die besorgte Rückfrage: Was ist mit dem Hund? Sia, stellt sich schnell heraus, geht es  blendend, sie ist zu Hause. Aber ihr Frauchen liegt im Krankenhaus, denn: „Ich hatte einen Schlaganfall.“

Da muss man erstmal schlucken. 24 Jahre jung ist Sophie Stilgenbauer, eine der besten  Dressurreiterinnen ihrer Altersklasse und in Rheinland-Pfalz, im Land nach Punkten 2021 die Dritte der Rangliste. Gerade erst hat sie als junge Chefin ihren eigenen Ausbildungsstall in Weitersweiler/ Donnersbergkreis – eine kleine, feine Anlage  für bis zu 20 Pferde  übernommen. Alles sehr aufregend.

Sechs Wochen nach dem  Schock kann Sophie Stilgenbauer Entwarnung geben. „Im Nachhinein hätte es so, wie es passiert ist, nicht besser laufen können“, sagt sie, was erstmal verwundert. „Wenn ich es übergangen hätte, wer weiß, wie es dann ausgegangen wäre“, ergänzt sie und spricht von einer „tickenden Zeitbombe.“ Damit meint die gebürtige Albisheimerin ihr „Persistierendes Foramen ovale“ (PFO). Dahinter verbirgt sich  ein ovales Loch in der Herzscheidewand, das bei rund 25 Prozent der Menschen bestehen bleibt, obwohl es sich nach der Geburt durch die beginnende Funktion der Lunge hätte schließen sollen. Kaum jemandem bereitet es Probleme – bei Sophie Stilgenbauer allerdings sorgte es an jenem Novembertag für große Aufregung.

Es war kurz vor zehn am Morgen, sie ritt gerade ihr zweites Pferd an diesem Tag. Plötzlich wurde der rechte Arm taub, es kribbelte, „er hat Bewegungen gemacht, die ich nicht kontrolliert habe“. Geistesgegenwärtig stieg sie schnell vom Pferd ab, berichtete ihrer Mutter Heike von dem Vorfall, dem sie selbst gar nicht so viel Bedeutung beigemessen hatte. Doch die Mama reagierte prompt: „Ruf sofort einen Krankenwagen.“ Heike Stilgenbauer hatte den richtigen Riecher, denn sie hat ihrer Tochter das Problem quasi vermacht. Den Rettungssanitätern gab sie noch mit auf den Weg: Schaut bitte wegen Schlaganfall.

Im Krankenhaus in Kaiserslautern bestätigte sich über Umwege der Verdacht. „Der Arzt sah auch geschockt aus“, erinnert sich Sophie Stilgenbauer. Schnell wurde sie minimalinvasiv operiert, wurde das Loch im Herzen geschlossen. Zwischenzeitlich hatte Heike Stilgenbauer ihre alte Krankenakte von vor zehn Jahren besorgt. „Meine Mutter“, erzählt Sophie, „hatte fast an der gleichen Stelle ein Loch im Herzen, selbst der Arzt fand das faszinierend.“ Der Mama ist sie heute sehr dankbar: „Ich hätte den Krankenwagen nicht geholt. Mir ging es ja nie wirklich schlecht.“ Und noch im Krankenhaus, während sie auf die Diagnose gewartet hatte, verschwanden die Symptome. Möglich also, dass ihre Schwächung unerkannt geblieben wäre. So paradox es klingt: „Mit der Diagnose waren dann alle erleichtert.“

Auch deshalb, weil Sophie Stilgenbauer davon ausgeht, in ein bis zwei Wochen ihren Sport und ihren Job wieder mit voller Kraft und Hingabe ausüben zu können. Die ersten Wochen hat sie sich natürlich geschont. Für die Zeit, da sie noch nicht viele Pferde am Tag reiten konnte, besorgte sie sich zwei erfahrene Aushilfsbereiter, damit die Ausbildung der talentierten Vierbeiner weiter ging.

Und jetzt freut sich Sophie Stilgenbauer schon wieder auf all ihre Turnierpferde. Ihre Jahrespläne richtet sie stets an ihren Sportpartnern und deren Entwicklung aus, nie an sich. Dem Schimmel Baptiste steht eine weitere Grand-Prix-Saison bevor, Zukunftshoffnung  ImPaul as Well („Paul“) soll ebenfalls in Prüfungen mit Piaffe, Passage und Einerwechseln starten,  und dann sind da noch spannende Jungpferde frisch im Stall in Weitersweiler. Dort geht fast wieder alles seinen gewohnten Gang. Außer, dass die junge Chefin derzeit noch  ab und zu mal bis acht Uhr schläft, „denn der Körper holt sich jetzt viel zurück. Um die Zeit sitze ich normal schon längst auf dem Pferd“, sagt sie lachend.

 

 

 

 

 

 

 

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