Erinnerungen an die Anfänge der augenblicklichen EQUITANA Drucken
Geschrieben von: Raimund Hesse/ DL   
Samstag, 09. April 2022 um 13:56

Wolf Kröber, der Erfinder der Pferdemesse EQUITANA, kein anderer hätte so leidenschaftlich und fundiert für diese Schau "Rund um das Pferd" werben können

(Foto: Raimund Hesse)

Essen. Vor zwei Tagen öffnete die 26. Pferdmesse EQUITANA, die vor 50 Jahren, am 27. April 1972, in den Essener Messehallen ihre Premiere feierte. Bis zum heutigen Tag hat sich dieses internationale Hippo-Event zu einer Erfolgsstory der ganz besonderen Art entwickelt. Und wäre es der 1999 aus dem Leben geschidene Wolf Kröber nicht gewesen, würde der Name EQUITANA vermutlich nicht existieren. Heute, an diesem 9. April 2022, wäre Wolf Kröber 82 Jahre alt geworden.

Es war einmal …“, so beginnen gerne viele Märchen, und aus vielen Märchen werden ab und zu wahre Geschichten. Es gab einmal einen Gedanken, aus dem dann irgendwann eine Idee erwuchs, aus der sich nach vielen, vielen Gesprächen, Ablehnungen und Befürwortungen ein Konzept entwickelte. Und dieses Konzept erlebte am 27. April 1972 die Welt-Uraufführung. Eine Erfolgsgeschichte in den nächsten 50 Jahren war die Folge: EQUITANA, die Urmutter aller heutigen Pferdemessen, die europaweit im Laufe der letzten Jahrzehnte entstanden sind – und einige sind auch wieder in der Versenkung verschwunden, Kopien sind eben nachgemacht. Denn eines ist sicher und das haben manche der traditionellen Messemacher lernen müssen: Eine Pferdemesse tickt anders als Verbraucher- oder Industriemessen.

Eine Pferdemesse zu entwickeln und zu gestalten, erfordert ganz viel Herzblut und dafür man muss brennen. Der geistige Vater dieser großartigen Messe namens EQUITANA war niemand anderer als Wolf Kröber, der im wahrsten Sinne des Wortes für sein Baby brannte – und das oft lichterloh.

„Erste Fachausstellung für Reitsport, Freizeitreiten, Pferdehaltung“ hieß der Untertitel der Essener EQUITANA 1972, die in den fünf Hallen auf dem Essener Messegelände vom 27. April bis zum 1. Mai stattfand. Für Messebesucher und Aussteller war die Sache EQUITANA zunächst so etwas wie eine Reise mit unbekanntem Ziel. Hans-Peter Kremser aus der Nachbarstadt Mülheim an der Ruhr gehörte zu den ersten Besuchern: „Ich hatte vor Messebeginn durch Zeitungsberichte davon erfahren und dachte zunächst an eine Art großer Pferdemarkt, diesen kannte ich aus dem Urlaub in Bayern. Ich war mehr als interessiert und fuhr nach Essen. Es war so beeindruckend, dass ich an allen Tagen die EQUITANA besuchte. Danach habe ich bis heute keine versäumt, für mich ist diese Pferdemesse eine große Bereicherung.“

In der Regel werden neue Messen in den Planungsabteilungen der nationalen und internationalen Messegesellschaften konzipiert und nach einer wirtschaftlichen Machbarkeitsprognose durchgeführt – oder auch nicht. Bei der EQUITANA war es etwas anders ... oder mit dem Volksmund zu reden: „Es war einmal ...”

Es war einmal der vorerwähnte Wolf Kröber, Arztsohn aus Mönchengladbach und mit der damaligen Berufsvorstellung, Bauer zu werden. Er hatte zu Beginn der 70er-Jahre die Vision, eine gigantische Pferdeschau zu organisieren, die nicht nur auf dem Turniersport basierte, sondern die Vielfalt der Pferde darstellen sollte. Ob der spätere Tierzucht-Assessor mit der 2. Staatsprüfung am 15. März 1963 die gemeinsame Dortmunder Veranstaltung von FN und Provinzialverband westfälischer Reit- und Fahrvereine – „Das Pferd muss bleiben“ - besucht und erste Inspirationen erhalten hatte, war nach den Erinnerungen von Major a.D. Paul Stecken († 15. September 2016), ehemaliger Leiter der Westfälischen Reit- und Fahrschule in Münster und langjähriger Grand Prix-Richter, und von Dr. agr. Gerd Lehmann (Landstallmeister Nordrhein-Westfälisches Landgestüt Warendorf, 1966–1995) denkbar.

1968: Begegnung in München

Die Woche zwischen dem 19. und 26. Mai 1968. Diese Zeitspanne umfasste die Veranstaltungsdauer der 50. DLG-Ausstellung in den Hallen der Münchner Messe- und Ausstellungsgesellschaft und auf der gegenüberliegenden Theresienwiese in der Münchner Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt. Die Jubiläumsausstellung stand unter der Schirmherrschaft von Heinrich Lübke, von 1959 bis 1969 der zweite Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Vor seiner Präsidentschaft war der gebürtige Sauerländer Bundes- und NRW-Landwirtschaftsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Vermutlich war es Sonntag, der 19. Mai 1968, als es zu einer zufälligen Begegnung vor einem Ausstellungszelt, in dem ein Teil der ca. 130 Pferde untergebracht waren, kam. Bundespräsident Heinrich Lübke und Fritz Meyer-Stocksdorf, Direktor der Hannoverschen Reit- und Fahrschule und DLG-Delegationsleiter des Hannoveraner Pferdekontingents, gerieten wohl schnell über die hannoversche Pferdezucht ins Fachsimpeln. Und ganz interessiert hörte der 27 Jahres alte Wolf Kröber zu, der am 31. März 1968 in Göttingen sein Assessorexamen mit der Note gut bestanden hatte.

kroeber mit heinrich luebke

(v.l.) Wolf Kröber, Fritz Meyer-Stocksdorf, Direktor der Hannoverschen Reit- und Fahrschule und DLG-Delegationsleiter des Hannoveraner Pferdekontingents und Bundespräsident Heinrich Lübke. Ein Foto von historischer Bedeutung, bezogen auf das Lebenswerk von Wolf Kröber.
Foto: Archiv Heide Kröber, Bramsche

Bekannt, und auch chronistisch verbürgt, sind die Entstehung und der jahrelange Reifeprozess der heutigen EQUITANA, denn vor 50 Jahren sah die Messe etwas anders aus. Mit seiner Idee, die eigentlich nur konkret in seinem Kopf vorhanden war, zog Kröber durch deutsche Lande, um Gleichgesinnte für eine Messe für und über Pferde zu finden. Vermutlich wurde ihm damals die Redensart „Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen“ mehr als einmal deutlich bewusst, nachdem er vor allem bei Deutschlands großen Messegesellschaften nette Worte hörte, die allerdings als Absage zu verstehen waren. Auch die Deutsche Reiterliche Vereinigung FN konnte sich für das Konzept einer Pferdemesse zunächst nicht zu begeistern – aus heutiger Sicht jedoch ist die EQUITANA ein wichtiger Baustein in der Marketingstruktur der FN, so ändern sich die Zeiten.

"Ich habe da so eine Idee ...“

 Nur bei einer Messefirma fand Wolf Kröber offene Ohren! Walter Bruckmann, Prokurist der Messe Essen, hörte zu, nachdem sich Kröber in seiner lockeren Art und Weise vorstellte: „Wissen Sie, ich habe da so eine Idee ...“. Es dauerte nicht lange, bis der Messeprokurist und Pferdemann „Feuer fing“. „Eigentlich war es Kröbers jungenhafte Dynamik, die mich einfach mitriss“, sagte Bruckmann vor einigen Jahren in einem Interview.

walter bruckmann mit wolf

Beim damaligen Geschäftsführer der Messe Essen, Walter Bruckmann (l.), konnte Wolf Kröber mit Überzeugung seine EQUITANA-Vision verwirklichen.
Foto: Raimund Hesse

Allerdings war Kröber ein Unbekannter in der Messewelt. Bruckmann rief den Essener Pferdeexperten und langjährigen Equipechef der deutschen Springreiter und Präsident im Deutschen Reiter- und Fahrerverband, Gustav Rolf Pfordte († 24. November 2002) an, der die Idee befürwortete und unterstützte – das Unternehmen EQUITANA konnte beginnen!

gustav pfordte mit wolf

Gustav Pfordte (l.), oftmaliger deutscher Equipe-Chef der Springreiter und leidenschaftlicher Jagdreiter, verstand Wolf Kröbers EQUITANA-Idee.

(Foto: Raimund Hesse)

EQUITANA, das war eine Idee, zunächst nur im Namen kristallisiert und in einem Prospekt als Konzept bebildert vorgestellt. Firmen aus der Pferdesportszene wurden von Kröber besucht, um diese als erste Aussteller zu gewinnen. Insgesamt 170 Interessenten wurden damals vom Kröber’schen Fieber „angesteckt“, von denen jedoch niemand so genau wusste, wie dieser Sprung ins kalte Wasser enden würde. War man in deutschen Landen noch zögerlich, wurde im United Kingdom of Great Britain schnell gedacht und noch schneller gehandelt. „A very good shop window“ nannte es die Pferdesportszene Großbritanniens. Der erste internationale Erfolg der EQUITANA: Zum ersten Aussteller-Pool gehörte der britische Gemeinschaftspavillon mit 23 Firmen. Nach Messeschluss fuhren die Aussteller mit zufriedenen Gesichtern nach Hause – die Mutter aller heutigen Pferdemessen hatte nach fünf aufregenden Messetagen ihre Feuertaufe bestanden. Dass 23 Pferdeschaubilder aus Großbritannien, Holland, Polen und Deutschland aus Vereinen und privaten Gestüten bei den Besuchern gut ankamen, muss wohl nicht sonderlich erwähnt werden.

 

1972 grosse ring

Am Eröffnungstag - 27. April 1972 - bereits volle Zuschauerränge am Grossen Ring - Moderator Wolf Kröber in seinem Element.

(Foto: Archiv Heide Kröber, Bramsche)

Der guten Ordnung halber des Hinweises, dass am EQUITANA-Premierentag etwa 6.700 Besucher kamen, ca. 15 Prozent davon aus Holland, Belgien, Frankreich und England. Ergänzend dazu der erste Verkaufserfolg: Vier Welsh-Ponys wurden am britischen Gemeinschaftsstand verkauft – eben ein guter „shop window“.

EQUITANA-Erst-Aussteller boykottierten PFERD ’73

Für Wolf Kröber kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen, er wurde durch den Erfolg geradezu angespornt. Zumal bekannt wurde, dass die Kölner Messe für 1973 auch eine Pferdemesse namens PFERD ’73 plante. Noch während der Essener Erstausgabe schlossen sich alle Aussteller zusammen und machten deutlich, dass man die EQUITANA favorisierte, die dann ab 1973 alle zwei Jahre stattfand. Die Kölner Messe verzichtete auf eine Pferdemesse nach Essener Vorbild. Der Vollständigkeit halber der Hinweis, dass die Deutsche Reiterliche Vereinigung nicht abgeneigt war, die damaligen Kölner Pläne zu unterstützen. Und weil daraus nichts wurde, sprang man auf den Essener Zug auf und ist bis heute mit dieser Plattform ganz gut gefahren. Glück für die FN.

Kröber, der oftmals auf Gegenkurs zu den Funktionären der Reiterei stand, verbesserte ständig und kreierte in den Jahren nach der EQUITANA-Premiere ein gigantisches Podium für die Pferde dieser Welt. Er holte die sogenannten Exoten – Friesen, Andalusier, Quarter Horses, Lusitanos etc. – in das Land der traditionellen Pferdezucht, was ihm nicht immer Sympathie einbrachte. Verschiedene Funktionäre der sogenannten etablierten Pferdezuchtverbände waren damals mehr als verschnupft. Kröber ließ sich davon nicht beirren, er zeigte vielen der traditionellen Verbände, dass „Neue Menschen zum Pferd“ der Leitgedanke der EQUITANA und seine Philosophie oder besser gesagt seine Botschaft war, die er den Pferdefreunden in aller Welt mitteilen wollte. Heute, nach 50 Jahren, hat man die Kröber’sche Botschaft verstanden, viele Pferdezuchtverbände haben nach und nach Abteilungen für die Spezialpferderassen eingerichtet.

 

1993 friesen chaise

Die "Schwarzen Perlen" auf der EQUITANA: 1979 wurden die Friesenpferde vom Verband der Züchter und Freunde des Friesenpferdes Deutschland e.V. zum ersten Mal vorgestellt, unser Foto zeigt die Präsentation einer original Friesen-Chaise mit Bernd Reisgies und seiner Frau Marie-Claire, beide in friesicher Tracht.

(Foto: Raimund Hesse)

Stagnation war in den 70er- und 80er-Jahren ein Fremdwort, die EQUITANA verzeichnete steigende Zahlen bei Besuchern und Ausstellern. Wer etwas präsentieren oder verkaufen wollte, wer neue Zielgruppen suchte oder wer sich einfach nur über Entwicklungen oder künftige Trends informieren wollte, kam und kommt an der EQUITANA nicht vorbei – das hat sich bis heute nicht geändert.

Zu Beginn der 90er-Jahre wurde der Branchenumsatz in der Bundesrepublik auf jährlich fünf Milliarden Deutsche Mark im Bereich Pferd geschätzt. Auf der EQUITANA 1989 wurden laut einer Studie des Kölner Meinungsforschungsinstituts Sport und Markt 25 Millionen Deutsche Mark umgesetzt, Anschlussgeschäfte nach der Messe nicht mitgerechnet. Für die damalige Zeit eine astronomische Summe. Kröber sprach von der „Geistigen Börse der Pferdezucht“ – die aus heutiger Sicht als Überbegriff den seit 2005 eingeführten Hengstschauen gleichzusetzen ist.

 

kroeber moskau roter platz

Glasnost - Perestroika - EQUITANA: „Eine gute Reise - Wir treffen uns auf der EQUITANA“ - Die Verabschiedung in der letzten Januarwoche 1989 auf dem Roten Platz in Moskau, im Hintergrund die Basilius-Kathedrale. Wolf Kröber (Mitte, hinter den Equitana-Plakaten) hatte durch Michail Gorbatschows Reformpolitik Glasnost und Perestroika eine etwas aus dem Rahmen fallende Idee.


(Foto: Archiv Heide Kröber, Bramsche)

„Geistige Börse der Pferdezucht“

Die Essener Weltmesse des Pferdesports entwickelte sich zu einer Marke in der internationalen Messewelt. Man wurde von anderer Seite auf den Erfolgskurs aufmerksam, nach der EQUITANA 1989 wurde die Messe an den englischen Messemulti Blenheim verkauft, der wiederum einige Jahre später von Miller Freeman übernommen wurde. Kröber führte als Berater für die neuen Besitzer sein einstiges Lebenswerk weiter, doch es war eine andere Zeit angebrochen, das Sagen hatten nun die Zahlenakrobaten, für die, den Aktionären verpflichtet, nur die Rendite zählte. Was mit der Messe Essen oft auf dem kleinen Dienstweg geregelt werden konnte, funktionierte beim neuen Besitzer nicht mehr so richtig, dort standen entsprechende Strukturen auf der Agenda.

Trotzdem behielt die EQUITANA ihre Begeisterung bei Pferdeliebhabern, auch wenn das Essener Messegelände stets aus den Nähten platzte. Kurz vor Beginn der Auflage 1999 wurde die internationale Pferdewelt von der Nachricht geschockt: Tod von Wolf Kröber am 28. Februar 1999 im Alter von 58 Jahren.

50 Jahre nach ihrer Messepremiere hat die EQUITANA trotz zahlreicher Mitbewerber nach wie vor ihren Stellenwert, ihre Bedeutung in der nationalen und internationalen Pferdewelt. Zwar hat Reed Exhibitions Deutschland GmbH, so heißt seit 2001 Jahren der neue Besitzer, auch mit den Problemen der allgemeinen Wirtschaftslage zu kämpfen, aber das heutige Team gibt sich viel Mühe für den Giganten EQUITANA.

 

wolf kroeber

Ein hippologischer Philosoph: Wolf Kröber hat mit der EQUITANA vor 50 Jahren eine Kreation aus Vision, Idee und Leidenschaft erschaffen. Die EQUITANA wird unzertrennbar mit ihrem Erfinder verbunden sein. Die EQUITANA war 1972 bereits eine faszinierende Veranstaltung mit einem besonderen Charme - und das hat sich im 50. Jubiläumsjahr nicht geändert.

(Foto: Raimund Hesse)

 

Um die Nutzbarkeit unserer Seiten zu verbessern, verwenden wir Cookies. Falls Sie mit der Speicherung von Cookies nicht einverstanden sind, finden Sie hier weitere Informationen. Weitere Informationen >>> Cookie-Hinweis.

Hinweis >>>