John Roche ging und schloss die FEI-Tür ganz leise als Gentleman Drucken
Geschrieben von: Peter Wyrsch/ DL   
Mittwoch, 13. April 2022 um 16:16

 

Für seine weltweite besonnene Arbeit für das Pferd und den Sport wurde John Patrick Roche (auf dem Foto rechts) beim Turnier 2019 vor Weihnachten in der Londoner Olympia Hall eigens geehrt.

(Foto: privat)

Ittigen/ Schweiz. Nach 33 Jahren in Diensten der FEI (Fédération Equestre Internationale) zog sich John Patrick Roche im Februar 2020 vorzeitig von seinem Posten als Direktor der Disziplin Springreiten zurück. Der Captain der irischen Armee ging sieben Monate früher als geplant von Bord und in Pension. Er mochte zahlreiche Entscheide des FEI-Managements nicht mehr mittragen, wie die PferdeWoche schildert.

Gerechtigkeit und Unbestechlichkeit sind und waren für den pflichtbewussten Iren stets Maxime, Welfare of the horse (das Wohlergehen des Pferdes) sein absolutes Credo. Als das Management aber immer mehr aktiv ins Tagesgeschäft seiner Abteilung eingriff, konnte er seine Tätigkeit nicht mehr nach seinen Vorstellungen und Überzeugungen ausüben. Und als ihm das FEI-Management im Dezember 2019 und nach Ehrungen in Verona und London ein striktes Reiseverbot zu Turnieren auferlegte und ihm sogar verbot, weder privat noch für den Weltverband an nationalen und internationalen Turnieren zu erscheinen, zog Roche die Konsequenzen. 

Dienstleister und Repräsentant

John Roche sah die Tätigkeit der FEI und seine Funktion stets als Dienstleistung für die Stakeholders, die Interessengruppen um leistungsbezogenen und fairen Pferdesport. Er ist der Meinung, dass die Gesundheit und das Wohlergehen der Pferde aber missachtet werden, wenn überforderte Reiterinnen und Reiter ohne Erfahrung und Klasse aus Ländern ohne reiterliche Tradition teilnehmen. Nicht jeder noch so reiche Autofahrer kann sich in ein Ferrari-Rennauto setzen und an Formel-1-Rennen teilnehmen, wenn die Qualität fehlt. 

Offensichtlich sieht dies das Management des Weltverbandes anders und öffnet immer mehr den Fächer für ihre Wettbewerbe. Je mehr Flaggen von Ländern an internationalen Turnieren wehen, desto mehr Geld fließt in die Kassen des Dachverbandes, und je mehr Clicks auf social medias registriert werden, desto mehr klopft man sich am FEI-Hauptsitz in Lausanne auf Schenkel und Schultern. 

Die schrecklichen Bilder

John Roche, der überaus korrekte Funktionär mit jahrelanger eigener Erfahrung auf höchstem Niveau im Sattel, wollte am Saint Patrick's Day, dem irischen Nationalfeiertag am 17. März, etwas loswerden, was ihn seit Monaten beschäftigt: "Ich kann die schrecklichen Bilder der Reit-Wettbewerbe an den Olympischen Spielen 2021 in Tokio, die viral um die Welt gingen und berechtigte Kritik nach sich zogen, nicht vergessen. Ich plädierte stets, dass weiterhin vier Reiter pro Nation mit einem Streichergebnis den Mannschaftsevent bestreiten und dass die Einzelwettbewerbe nach dem Team-Event ausgetragen werden. Und ich verstehe nicht, dass die FEI trotz Protesten von namhaften Leuten wie Rodrigo Pessoa oder Steve Guerdat, dem Jumping Riders Club und dem europäischen Reiterverband (EEF), an diesen Formeln festhält."

Der irische Gentleman

Der gläubige irische Katholik John Roche mag keine schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit waschen. Zu sehr ist der stolze Absolvent der Army Equitation School ein Gentleman. Ihn erfüllten seine Aufgaben bei der FEI, die er seit 1987 unter der damaligen Präsidentin Anne Mountbatten-Windsor, die ihren Vater Prinz Philip beerbt hatte, mit enormem Engagement ausgeübt hatte. Nach der Matura besuchte er die irische Militärakademie, die er nach zwei Jahren als second lieutnant abschloss. Danach wurde er zuerst first lieutnant und schliesslich Captain.

John Roche vertrat sein Land in Uniform auf höchster Stufe im internationalen Springreitsport. Er bestritt 20 Nationenpreise, war zweimaliger EM-Teilnehmer (Team-Bronze 1979 in Rotterdam mit Maigh Cuillin und Team-Sechster zwei Jahre später in München mit Lough Crew)) und war 1982 mit seinem verlässlichen, aber nicht allzu schnellen Lough Crew auch WM-Reiter Irlands in seiner Heimat in Dublin. 1979 stand er, und da ist er besonders stolz, in der irischen Siegerequipe am CHIO in Aachen, als erstmals ein irisches Team in der Soers, im Mekka des Reitsports, triumphiert hatte. 1983 trat der am 7. August 1954 in Foulksmills im Süden Irlands geborene John Patrick Roche als Aktiver mit 29 Lenzen frühzeitig zurück.

Augen für Marie-Madeleine

1981 war ein entscheidendes Jahr im Leben des inzwischen ergrauten, blassen, aber weiterhin rüstigen Pensionärs. Am damaligen CSI St. Gallen lernte er Marie-Madeleine kennen. Die Jura-Studentin war als Hostess im Gründenmoos tätig und hatte die Aufgabe, die britischen und irischen Teammitglieder zu betreuen. John Roche war sichtlich begeistert, als er die blonde St. Galler Arzt- und Zahnarzttochter wiedersah, auf die er schon im Frühjahr zuvor am CSI Wien ein Auge geworfen hatte. Seine Blicke blieben den Teamkameraden und Konkurrenten nicht verborgen. So fädelte der englische Springreiter Ted Edgar ein Treffen mit Marie-Madeleine ein. Sie sollte den Briten die Gallusstadt zeigen. "Zum vereinbarten Treff kam aber außer John keiner", verrät seine Gemahlin. "So führte ich ihn alleine durch die Stadt und ans St. Galler Stadtfest, als er alsbald meine Hand ergriff und diese nicht mehr losließ. Ich wollte allerdings keinen Reiter."

Es wurde doch einer. 1983 heirateten die beiden in Murten im Westen der Schweiz, verbrachten aber die gemeinsame Zeit bis 1985 in Irland, in Curragh im County Kildare. Dort ist seit dem 19. Jahrhundert ein wichtiger Militärstützpunkt sowie Irlands bekannteste Pferderennbahn. John war noch immer bei der Armee und hätte seinem Land zwei Jahre lang im Libanon bei der UN-Friedenstruppe dienen müssen. Daraus wurde nichts. Die Angetrauten brachen ihre Zelte auf der Grünen Insel ab, dislozierten in die Schweiz, wo sie in der Umgebung von Bern seit Jahren sesshaft geworden sind.

Fritz Widmers Anfrage

Im Dezember 1986 wurden im Restaurant Bären in Münchenbuchsee im Kanton Bern Roches berufliche Weichen gestellt. Der ehemalige FEI-Generalsekretär Fritz Widmer saß mit seiner Frau am Nebentisch und wusste nicht, dass der Ire in die Schweiz gezogen war. Widmer kannte Roche schon als aktiven Reiter und hatte mit ihm schon diverse Gespräche geführt. Die FEI wollte sich erweitern. John wurde zu einem Bewerbungsgespräch für die neu geschaffene Stelle eines Geschäftsführers eingeladen. Er erfüllte die Voraussetzungen, erhielt aber die Auflage, sich neben seiner Muttersprache und deutsch auch die französische Sprache anzueignen. Roche lernte während sechs Monaten akribisch französisch in Neuenburg. 

Der mit vier Schwestern und drei Brüdern aufgewachsene Sohn eines Landwirts und Vollblutzüchters wurde 2007 bei der FEI angestellt. Als Geschäftsführer war er verantwortlich für die Bereiche Springsport, Fahren und den FEI-Kalender. Er stieg die Karriereleiter des allmählich von Bern nach Lausanne dislozierten Weltverbandes hoch und wurde Direktor des Weltcups und der Nationenpreis-Serie. Auch das "General Stewarding" war ihm unterstellt. Er prägte loyal und mit viel Verve seine Tätigkeiten, die ihn in über 60 Länder und auf alle Kontinente führten. 300 Tage im Jahr war der stolze Ire unterwegs, saß für die FEI im Flugzeug, im Zug, im Auto oder am Bürotisch, war an zig-Kongressen und Meetings und fast nie zu Hause. 

Umgänglich und kompetent

Seine umgängliche und kompetente Art wurde geschätzt. Er war ein angenehmer Ansprechpartner, stets korrekt und regelkundig und im massgeschneidertem Anzug mit gebügeltem Hemd und edler Krawatte stilvoll gekleidet. Unter ihm breitete sich der Springsport weltweit aus. Er hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Kerndisziplin des Reitsports von jährlich 340 internationalen Turnieren auf inzwischen rund 1800 entwickelte. Doch über gewisse Ausdehnungs- oder Erweiterungsformen, die der Idee des Leistungssports Springen und des Partners Pferd nur begrenzt folgen, war John Roche immer mehr "not amused".

Nunmehr hat John Roche Zeit. Zeit um seinen Steckenpferden zu frönen. Zeit für den "Club der Habits Rouges" am Ufer des Murtensees, wo er mit Gleichgesinnten mithilft, auf einem romantischen Trainingsplatz im Grünen den Boden und feste Hindernisse zu erhalten. Und Zeit, wieder selbst in den Reitsattel zu steigen, zu schwimmen oder mit seiner Gattin Marie-Madeleine und seinem kontaktfreudigen Lieblingshund, dem 2 1/2-jährigen Welsh Corgie Tinka, Spaziergänge an der Aare zu unternehmen.

 

   

 

 

 

 

 

 

 

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