Alwin Schockemöhle zum 85. Geburtstag Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Samstag, 28. Mai 2022 um 16:36

Mühlen. An diesem 29. Mai wird Alwin Sch0ockemöhle, einer der größten Springreiter aller Zeiten, 85. Jahre alt. Es geht ihm besser, als viele glauben machen wollen.

Er ist zwar nicht mehr so gut bei Fuß, „aber ansonsten geht es ihm ganz gut“, sagt seine Frau Rita, vor allem werde zu viel Falsches geredet. Sie meint ihren Ehemann Alwin Schockemöhle, der an diesem Sonntag 85 Jahre alt wird. Einer der letzten ganz Großen des Springsports.

Die drei Schockemöhle-Brüder errangen im "Reich des Pferdes" Weltgeltung, Paul als Reiter und Züchter, Werner als Buchautor, Zuchtexperte und Hengsthalter, Alwin als Ausbilder, Reiter und Traberzüchter. Werner starb 2000 nach mehreren Krebs-Operationen und schwerem Leiden, gerademal 60 Jahre alt, Paul (77) herrscht inzwischen über ein wahres Imperium in allen möglichen Bereichen. Alwin Schockemöhle schleppt sich seit Jahren mit ständigen Schmerzen durch das Leben, aufgegeben hat er nie, obwohl er oftmals daran dachte, „sterben wäre besser“. Generell wurde die ganze Familie Schockemöhle wahrlich vom Glück nicht verfolgr.

Flachrennen und Springen

Der zehnte Wettbewerb an jenem 24. Juli 1955 in Rastede bei Oldenburg war ein Flachrennen. Auf einem sechsjährigen Fuchswallach namens Erz kam ein gewisser Alwin Schockemöhle auf den dritten Platz. Beim mittelschweren Springen der gleichen Veranstaltung belegte dieser 18-jährige auf dem Holsteiner Wallach Tiro auch noch einen fünften Rang, wobei der Sieger Hans Günter Winkler auf Gronau hieß. Alwin Schockemöhle hatte noch keinen Namen. Er ritt alles, was zu reiten war. Reitlehrer Eduard Drees, den alle Onkel Edu nannten, nahm sich als Erster seiner an.

Als die Familie Schockemöhle 1953 auf den heimatlichen über 400 Jahre alten Hof nach Mühlen zurückkehrte, förderte ihn Jan Noordendorp. Der erkannte rasch die Qualitäten dieses Jungen und gab die Beobachtungen weiter nach Warendorf an die Zentrale der deutschen Reiterei. In Warendorf residierte damals Landstallmeister Dr. Gustav Rau, einer der großen Hippologen der Pferdegeschichte und des angekoppelten Sports. Rau holte Schockemöhle nach Warendorf.

In einer Bude mit Reiner Klimke

Warendorf wurde der Beginn einer sicherlich ziemlich einmaligen Karriere eines Landwirtssohnes aus Südoldenburg. Zunächst sollte Alwin Schockemöhle in der Vielseitigkeit seinen Platz suchen. Mit dem später in der Dressur erfolgreichen Reiner Klimke teilte er das Zimmer, „wir hatten ein Bett und eine Luftmatratze. Wöchentlich wechselten wir die Schlafstelle“, so Klimke.

Der Vater erwarb in Holstein den siebenjährigen Vollblutwallach Tiro, mit ihm qualifiziert sich der Sohn für "Olympia der Reiter" 1956 in Stockholm. Nominiert wurden andere, ihm fehle die Erfahrung, hieß es. Alwin Schockemöhle zog die Militarykappe ab und setzte sie nie wieder auf. Klimke und er waren dennoch später bei Olympia in Stockholm dabei, als Zuschauer, per Anhalter waren sie nach Schweden getrampt. Erster Reitlehrer von Akwin Schockemöhle war übrigens zunächst sein Vater Aloys, ein Pferdenarr, der 1963 bereits starb und Alwin als dem Erstgeborenen den Hof vererbte.

Erstes Gold in Rom 1960

1960 in Rom ritt er auf Ferdl an der Seite von Fritz Thiedemann mit Meteor und Hans Günter Winkler auf Halla zu seiner ersten Olympischen Goldmedaille, aus Mexiko City kehrte er 1968 mit Team-Bronze zurück. Nach dem alten Reglement wäre er auch Einzelsieger geworden, denn er und Donald Rex waren das beste Paar in der Teamwertung und daraus der beste war auch Goldmedaillengewinner in der Einzelwertung.

Bis heute gilt er als Meister der Ausbildung. Der ehemalige Reit-Künstler und Bundestrainer Hans-Heinrich Brinckmann schwärmte oft: "Diese Losgelassenheit bei Alwins Pferden darf als Beispiel für alle Zeit gelten." Keiner wie er vermochte auch die Schlaufzügel wahrlich so meisterlich zu handhaben.

Über Jahre hinweg lästerte man oft über ihn als den "Champ ohne Titel". Zwischen 1963 und 1973 gewann er dreimal Silber und zweimal Bronze bei einer Europameisterschaft, ganz vorne standen am Ende immer andere, bis eben zum Championat 1975 in München, wo auch erstmals um die Mannschaftsmedaillen beim Europachampionat  geritten wurde. Dort zog er bei der Meisterschaft des alten Kontinents erstmals ganz rechts zur Platzierung auf, dort, wo die Siegerschleifen angeheftet werden. Auf dem Gelände von Olympia 1972 war sein gewaltiger Wallach Warwick Rex mit ihm allen davongesprungen - zum Einzeltitel und zu Mannschafts-Gold.

Nur einer kam bei Olympia durch

Seine Karriere vollendete er ein Jahr danach bei den Olympischen Sommerspielen in Bromont außerhalb von Montreal 1976. Er gewann als erster Reiter der Geschichte ohne Fehler nach zwei Umläufen mit dem riesigen Hannoveraner Warwick Rex, den wahrhaft nicht auch unbedingt Schönheit drückte. Heute steht Warwick Rex in Bronze gegossen mitten in Vechta.

Was der kanadische Parcourschef Tom Gayford 1976 in die Arena stellen ließ, hätte in jetziger Zeit die echten Tierschützer zu einer Demonstration gezwungen. Im ersten Umlauf warteten neun Oxer, von denen vier eine Tiefe von 2 m aufwiesen, einer brachte es auf 2,10 m und der Schlussoxer gar auf eine Breite von 2,20 m, der Wassergraben wurde mit 5 m gemessen. Fünf Oxer mit jeweils 2 m Tiefe ängstigten jeden Teilnehmer in der zweiten Runde, Sturzbilder en masse wurden zu keiner Werbung für diesen Sport. Hans-Heinrich Brinckmann, Bundestrainer und auch als Parcoursbauer damals unerreicht: „So etwas habe ich noch nie gebaut.“ Die Brutalität im ersten Umlauf lag am Ende in der Dreifachen mit Oxer-Oxer-Steil und jeweils nur einem Galoppsprung zwischen den Hürden. Alwin Schockemöhle später:: „Damit hatte ich gerechnet. Dafür reiten wir ja schließlich bei den Olympischen Spielen, wo ganz einfach an Grenzwerte herangegangen werden muss.“ Doch Warwick Rex flog geradezu mühelos über die Stangen und den Wassergraben zum Gold. Nie mehr durfte sich später ein Parcoursgestalter bei Olympia oder einem Championat derart hemmungslos und ungestraft am Reitsport vergehen.

Unmittelbar nach seinem Erfolg an jenem 27. Juli 1976 läuteten in Mühlen die Kirchenglocken. Mit nochmals Silber aus dem Preis der Nationen kehrte Alwin Schockemöhle aus Montreal nach Hause zurück, wo er und sein Bruder Paul als ebenfalls Mannschafts-Mitglied - dazu Sönke Sönksen und Hans Günter Winkler - in einer Kutsche in einem Triumphzug durch die damalige "Reiterhauptstadt Mühlen" gefahren wurden.

Karriere-Ende und Bruch mit Verband

1977 beendete Alwin Schockemöhle seine Sattellaufbahn. Jahrelang hatte er sich wegen eines gespaltenen Rückenwirbels gequält, der Schmerz kappte brutal jede Überlegung an eine sportliche Fortsetzung. Er sagte aber auch: "Lieber jetzt abtreten, ehe man über mich lacht." Am Schlusstag des CHIO von Deutschland in Aachen ging er mit Warwick Rex auf die letzte Ehrenrunde. 40.000 Menschen winkten ihm nach traditionellen CHIO- Brauch mit weißen Taschentüchern zu. Danach berief ihn Warendorf als Olympia-Inspekteur. Er sollte als Equipechef neue Aufgaben übernehmen und zuständig sein für den Pferdeankauf.

Doch weil er alles und jeden an sich selbst maß, geriet er rasch in die Kritik. Man warf ihm Befangenheit vor, zumal sein Bruder Paul und auch sein Schüler Franke Sloothaak inzwischen in der deutschen Spitze und somit in der Equipe ritten. Während des Internationalen Turniers in Wolfsburg 1980 sprach die Mehrheit der deutschen Springreiter ihm das Misstrauen aus. Alwin Schockemöhle trat sofort von seinem Posten zurück. Von jenen, die als Funktionsträger so groß verkündet hatten, wenn er zurücktrete, würden auch sie ihre Ämter niederlegen, konnte sich plötzlich keiner mehr an Gesagtes erinnern.

Zufall gibt es nicht…

Zufall, so sagt Alwin Schockemöhle, gebe es nicht für ihn. Erfolg lasse sich auch errechnen, und Talent allein genüge nicht, "wenn man nicht ständig hart an sich arbeitet“. So war er als Springreiter, als Ausbilder beispielsweise von Gerd Wiltfang, Johan Heins, Franke Sloothaak, Ulli Kirchhoff und Jörg Münzner sowie als Berater von Thomas Frühmann, so wurde er auch als Traber-Züchter.

Die Freundschaft mit seinem alten Sattelkollegen Georg Ahlmann brachte ihn zu den Trottern, "denn für Galopper war ich zu schwer, außerdem dachte ich, wenn ich aus Gesundheitsgründen nicht mehr reiten kann, in einen Sulky dagegen vermag ich mich immer noch zu setzen." In kurzer Zeit und in Partnerschaft mit seinem ehemaligen Schwiegervater Otto Schulte-Frohlinde und Ahlmann rollte er wie eine Sturmflut über die Szene hinweg. In wenigen Jahren stellte er fünfmal in Deutschland und einmal auch in Italien den Derby-Gewinner, nachdem er selbst als Springreiter das Blaue Band in Hamburg-Klein Flottbek dreimal gewann. Sein Hengst Diamond Way gilt nach wie vor als der erfolgreichste Vererber in Europa. Sein Ausnahme-Traber Abano AS erfüllte ihm gleichzeitig seinen größten Traum als Züchter: Der Hengst mit dem Belgier Jos Verbeeck im Sulky siegte 2003 in Paris im Prix d`Amerique, dem bedeutendsten Trabrennen der Welt, "davon hatte ich im Grunde genommen immer geträumt, wie jeder andere in der Szene auch. Es gibt nichts Größeres in dieser Sportart..." Der Deutsche Traberverband nahm ihn in die Ruhmeshalle der Zunft auf.

Schockemöhle der Erfinder

Alwin Schockemöhle klügelte die Hallenberieselung aus, er erfand die Führmaschine, eine Box, in der sich Pferde nach der Arbeit in warmer Gebläseluft wie unter einem riesigen Fön erholen, und er konstruierte eine Spezialbox mit eingearbeiteten heilenden Magnetfeldern. Auf seinem Areal in Mühlen steht die größte überdachte Trabrennbahn der Welt, 1.045 m lang, acht Meter breit, mit überhöhten Kurven. "Menschen arbeiten auch nicht gerne im Freien, wenn es regnet oder schneit, warum Pferde? Wenn sie Leistung bringen sollen, müssen sie Spaß an der Arbeit haben, auch im Training, und unter dem Dach gibt es im Sommer auch keine Mücken, was ich erst später bemerkte, und was für die Tiere ausgezeichnet ist", so Schockemöhle.

Über Pferde sagt er: "Sie wollen gleichrangig behandelt werden, sie unterwerfen sich dem Menschen nicht. Haben sie Vertrauen gefasst, überlassen sie ihm die Führungsrolle gerne." Über Preise im Handel und auf Auktionen meint er: "Pferde sind wie Kunstgegenstände, Liebhaberobjekte, kostbar wie Antiquitäten. Was einer dafür gibt, das sind sie ihm auch wert."

Bei einem Klasse-Springpferd setzt er "überdurchschnittliches Springvermögen, gute Technik, Mut und Nerven" voraus, "alles dies ist bereits bei einem jungen Pferd durchaus zu erkennen".

Vom Überfall nicht erholt

Seinen 65. Geburtstag feierte er damals nicht. Vier Gangster waren wenige Wochen zuvor in sein Haus eingedrungen, hatten ihn und seine Frau Rita gefesselt, gequält und nur nach Geld und Schmuck gesucht. Inzwischen wurden alle nur erdenklichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen. AS lebt inzwischen wie in Fort Knox. Abends gehen überall die Rollos herunter, und auch innen sind Verriegelungen durch Knopfdruck und Automatik zugange. Von den Verbrechern wurde keiner gefasst, die Akte bereits acht Tage nach dem Überfall zugeklappt.

Seit jenem brutalen Verbrechen, als die Gangster ihn schlugen, eine Bohrmaschine auf dem Brustbein ansetzten und drohten, nach und nach einen Finger nach dem anderen zu brechen, ehe sie mit Schmuck, Bargeld und Uhren verschwanden, seither verlässt er seinen Bungalow kaum noch. Ständige Schmerzen haben ihm außerdem die Lebensfreude genommen. Woran er inzwischen den meisten Spaß hat, ist sein Enkel Leon Alwin von Tochter Vanessa, der hat seinem Opa aber bereits angedroht, er wolle Bauer werden, und wo heute noch Pferde ständen, da möchte er Kühe sehen…

Er solle erst einmal vorreiten...

Als Turnierbesucher wird er nicht mehr gesehen. Er weiß aber dennoch weiter Bescheid. Und was ihn dabei ärgert, "dass bei vielen Turnierveranstaltern zur Teilnahme nicht allein die sportliche Qualifikation herangezogen wird, sondern auch das Geldvermögen, um sich einzukaufen." Als offiziellen Springreiter-Ausbilder lehnte ihn der deutsche Verband vor über 40 Jahren ab, "weil meine Halle nicht den Warendorfer Vorschriften entsprach und ich auch kein spezielles Dressurviereck besaß“, und außerdem ließ man ihn wissen, er solle erst einmal in Warendorf vorreiten… Auszeichnungen erhielt er überall. Am meisten geehrt fühlt er sich, dass ihn das Land Niedersachsen als „Sportler des 20. Jahrhunderts“ ehrte.

Eines ist Alwin Schockemöhle zu eigen, der zusammen mit dem Belgier Francois Mathy für den Holsteiner Verband in der Normandie den Jahrtausendhengst Cor de la Bryere entdeckte: Sieht er irgendwo ein Klassepferd, werden seine Handflächen schweißnass…

Sein Ritt zu Gold in Bromont

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Ehrungen und Titel und Platzierungen

„Sportler des Jahrhunderts“ von Niedersachsen, am 4. Februar 2012 in die „Rumeshalle des Trabrennsports“ aufgenommen und am 16.Juli 2016 auch in die „Hall of Fame“ des deutschen Sports.

Deutscher Meister: 1961, 1963, 1967 und 1975

Europameisterschaften: 1963 in Rom Einzel-Zweiter, Team-Dritter/ Ferdl

1967 Einzel-Dritter/ Donald Rex und Pesgö

1969 Einzel-Silber/ Donald Rex und Wimpel

1973 Einzel-Silber/ Donald Rex und Weiler

1975 Einzel- und Team-Gold/ Warwick Rex

Olympia: Mannschafts-Gold 1960 in Rom auf Ferdl

Mannschafts-Bronze 1968 in Mexiko City auf Donald Rex

Einzelgold und Team-Silber 1976 in Montreal auf Warwick-Rex

Dreimal Sieger im Deutschen Derby in Hamburg, dreimal Gewinner des Großen Preises in Aachen,

50 Nationen-Preise für Deutschland geritten

Goldener Ring des Aachen-Laurensberger Rennvereins (ALRV), Veranstalter des alljährlichen CHIO von Deutschland.

Neben HG Winkler, Hans-Heinrich Brinckmann, Max Habel, Josef Neckermann, Dr. Reiner Klimke und Dieter Graf Landsberg-Velen ausgezeichnet mit dem FN-Ehrenzeichens in Gold mit Lorbeer, Olympischen Ringen und Brillanten.

Verletzungen:

1969 Absplitterung eines Lendenwirbels nach einem Sturz vom Pferd

1980 drei Bandscheibenoperationen

1975 Herabfallender Spiegel durchtrennt am Bein eine Vene

1982 OP am rechten Arm, Entfernung von Knochensplitter

1990 Virusinfektion

1995 Prostata-Operation, nach einem Kreislaufzusammenbruch fast gestorben

1996 Operation an Nerven im rechten Handgelenk

 

 

 

 

 

 

 

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