Fritz Johannsmann - oder sein stressigstes Wochenende des Jahres Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Mittwoch, 27. Juli 2022 um 18:10

Fritz Johannsmann auf seinem Hobbygerät von BMW

(Foto privat)

Steinhagen. Ohne ihn und noch einen würden wohl kaum Championate laufen, keine Olympischen Spiele oder sonstwo große Turniere, denn sie befördern die wahren Athleten dorthin, wo ohne sie jeder Reiter nur noch ein Mensch wäre – ohne Pferd. Sie wirken unauffällig, aber entscheidend, ohne dass sie jemand groß erwähnt. Sie sind die wahren und unauffälligen Helfer des Turniersports.

Am 25. Juli meldete er Vollzug, „alle Pferde in ihren Boxen“, sagte er am Telefon. Damit war eine der größten Operationen seit Gründung des Transportunternehmens zunächst einmal zu Ende, eine logistische Meisterleistung. Auf neun Transportern waren die Dressur-Pferde von Dänemark, Schweden, Österreich und Deutschland sowie die Vielseitigkeitspferde von Österreich und Deutschland in die Ortschaft Hartpury zweieinhalb Stunden westlich von London gebracht worden, dort finden an diesem Wochenende die Europameisterschaften der Junioren und Jungen Reiter in den genannten Disziplinen statt. Besonders jetzt in den Ferien sind für die Aktiven im College mit sonst bis 3.600 Schülern die Unterbrigungsmöglichkeiten geradezu ideal. Die Universität in Hartpury genießt selbst einen internationalen Ruf im Bereich Weiterbildung Landwirtschaft, Tier-, Pferde-, Sport- und Veterinärwesen.

Der Brexit zwischen der EU und Großbritannien hat auch den Tiertransport mehr als erschwert. Die Bürokratie herrscht somit über den Pferdetransport von und nach England. Ehe die Fahrt mit einem Pferd auf die Insel beginnt, muss das entsprechende Fahrzeug erst einmal bereits in einem EU-Land einem Zollverfahren unterzogen werden, dort wird ein sogenanntes Papier „Carnet“ ausgestellt. Doch das genügt dem stolzen Brexitland England natürlich nicht, denn dort wartet auch bereits die gegenseitige Amtsstelle, um ein Zertifikat auszustellen. Also muss der Fahrer mit dem leeren Fahrzeug vor der eigentlichen Beladung zunächst nach England, wird inspiziert, ob geeignet für einen Pferdetransport, und kann dann zurück zum Beladungsort. Somit werden also zunächst einmal zwei Leerfahrten absolviert, ehe ein Pferd seinen Huf auf die Beladerampe stellt.

Um Staus und stundenlanges Warten an den Zollstellen möglichst zu vermeiden, wird ein genauer Streckenplan erstellt. Von der Abfahrt bis zur Ankunft beim englischen Zoll, und für die Rückfahrt ebenfalls. Somit sind die einzelnen Stellen im voraus informiert, wann mit einem Transporter zu rechnen ist. So sollen unnötige Wartezeiten vermieden werden. Zumal beim englischen Zoll ebenfalls ein Veterinär wartet, der nicht 24 Stunden Dienst schiebt, und ausreichend Veterinäre für einen solchen nicht gerade lukrativen Job gibt es auch auf der Insel nicht.

Nicht für einen Motorradfahrer wird die Route festgelegt, denn ein Biker vermag schneller eine Staustelle zu umkurven als ein Chauffeur mit  Millionen teurer Fracht unmittelbar hinter sich. Der Fahrer hat ja auch Ruhezeiten einzuhalten, oder die Pferde müssen enmal kurz entladen werden, stehen sie doch in engen Boxen auf der Ladefläche. Also wird ein detaillierter Marschplan errechnet und notiert, der auch eingehalten werden muss, Fahren von Punkt zu Punkt, wird verlangt, sonst könnten ja bei einem Abweichen Schwierigkeiten mit den Behörden bei einer Kontrolle entstehen, was wiederum die Fahrt verlängern würde. „Und in dieser Beziehung hatten wir natürlich einen großartigen Partner in Martin Atock und seinem Unternehmen Peeden-Bloodstock, die uns unglaublich halfen, wie schon bei anderen Unternehmungen in den vielen Jahren davor“, so Fritz Johannsmann, der für das gleiche Wochenende auch noch zwei Fahrzeuge mit Pferden für die Voltigier-Europameisterschaften in Ungarn anwerfen ließ.

Bekanntester Pferdespediteur Europas

Von vielen großen Transportunternehmen in Europa ist Fritz Johannsmann (67) als einer der wenigen übrig geblieben. Weil er sich nie ausruhte, sich immer gedanklich mit Verbesserungen beschäftigte, aber sich auch von anderen zusätzlich schlau machen ließ. Er selbst wollte natürlich wie seine Brüder ebenfalls im Sport nach oben. Er probierte sich in Springen und Military, wie die Vielseitigkeit früher genannt wurde, als die Anforderungen noch härter waren im Vergleich zur Gegenwart.

Die erhoffte Karriere endete vorzeitig in einem Bach. Nachdem er in einer schweren Vielseitigkeitsprüfung auf dem Schimmel Malboro in der Senne bei Bielefeld Achter geworden war, startete er sechs Wochen danach wieder, diesmal in Lage-Siekrug. Dann lag er plötzlich in der Werre, Wallach Malboro auf ihm drauf. Er sagte zu seinem Wallach, wie er mal im Scherz erzählte: „Wenn Du wieder aufstehst, fahre ich Dich schön nach Hause – und mache die Fahrerei zu meinem Beruf.“ Am nächsten Tag ging er zu seiner Tante Hilde, pumpte sich 5.000 Mark, kaufte einen alten Möbelwagen für 4.800 DM und löste für 5 Mark einen Gewerbeschein.

Damit gründete Friedrich Johannsmann, von allen nur Fritz genannt, im November 1975 das Unternehmen „Transport für Reit- und Zuchttiere“ auf dem elterlichen Hof in Ebbesloh im Kreis Gütersloh. Er war gerade 20 Jahre alt. Inzwischen ist das Unternehmen Johannsmann längst weltweit zugange und vielleicht in Europa sogar das allergrößte, was man kennt und das einen unglaublichen positiven Ruf in der Branche genießt.

Pferde waren immer in der Familie

Sein Vater hatte immer Pferde, „er war im Dorf der Letzte, der sich einen Trekker anschaffte“, so der Sohn. Die drei Brüder beschäftigten sich fast logischerweise ebenfalls mit Pferden. Heinrich-Wilhelm, den alle Kaiser nennen, ist im Sport zum Besten geworden, inzwischen Honorar-Bundestrainer und Coach von vielen Schülern, aber auch Hansi, in leitender Funktion bei „Pikeur“, holte seine Schleifen in Springprüfungen, Reinhard, der Älteste, gestorben 2013, war Landwirt und Züchter von Voll- und Warmblut. Der Vater schuf sich einen guten Ruf als Züchter und Fahrer, doch geritten ist er auch.

Fritz Johannsmann wurde nach dem Abitur zur Bundeswehr eingezogen. Zuletzt war er Obergefreiter in der Stabseinheit für Transport. Als Bundeswehrangehöriger in Osnabrück gehörte er zu den sogenannten „Heimschläfern“ - nach dem Dienst ab nach Hause, am Wochenende frei, mit Bruder „Kaiser“ zum Turnier „als Pfleger“. Und dort beobachtete er intensiv, „was andere falsch machten beim Verladen der Pferde“.

Irgendwann spannte er, „dass ich mit dem Sport meinen Lebensunterhalt nicht verdienen konnte“. Er war eben für ganz oben nicht gut genug. Das Bad in der Werre 1975 betrachtete er deshalb als ein Gottesurteil. So brach er auch ein begonnenes Jura-Studium ab. Sein Weg ging dennoch in die richtige Richtung. Er hat bisher nichts bereut. Und dass er zehn Jahre mit der excellenten Dressurreiterin Miriam Henschke liiert war und seit zwei Jahren verheiratet ist, „sehe ich als Geschenk für mich an.“

Miriam Henschke war zur Dressur-Reiterin von Inge und George Theodorescu in Füchtorf bei Warendorf ausgebildet worden, von zwei Pferdeleuten, die in der ganzen Welt auch noch nach ihrem Tod hochgeschätzt sind, sie waren seine ersten Kunden. Die Theodorescus hatten nämlich für einen Gala-Abend in Verden/Aller zugesagt, doch der bereits beauftragte Spediteur aus dem Rheinland musste wegen Annahme zu vieler Zusagen absagen. Neuling Fritz Johannsmann war bereit für sein Debüt als Transporteur. Die Theodorescus blieben bis zuletzt seine Kunden, wie auch er treu zu Familie Niehoff steht, dem Unternehmen für Pferdetransport-Fahrzeuge.

Die erste Auslandsfahrt führte Johannsmann mit dem inzwischen überaus erfolgreichen Belgien-Coach Peter Weinberg 1975 nach Irland. Johannsmann: „Dem Peter liegt das Handeln im Blut. Er kaufte Sattelzeug, Decken, die man bei uns noch gar nicht kannte, Pferde zum Jagdreiten – und Hunde, Jack Russel. Ich glaube, wir importierten die ersten dieser Rasse nach Deutschland.“ Seit 1995 arbeitet Fritz Johannsmann auch mit der Spanischen Hofreitschule zusammen, die Schimmel des Weltkulturerbes fährt er in ganz Europa herum, im kommenden Januar nach Basel.

 

 

 

 

 

 

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