Abschied eines edlen Turnieransagers: "Ich war nur ein Sprecher..." Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Donnerstag, 12. Januar 2023 um 18:44

 

Christian Graf zu Plettenberg in Aachen beim CHIO 2022

(Foto: Kalle Frieler)

Basel. Der CHIO von Deutschland in Aachen Mitte 2022 war sein letzter Auftritt als Ansager in Deutschland, an diesem Wochenende in Basel beim Weltcupturnier sagt Christian Graf zu Plettenberg endgültig Servus, der Österreicher verlässt endgültig den Platz vor einem Mikrofon, nach 40 Jahren.

Die Frage hatte er erwartet. „Nein“, sagt er, „ich habe keine Tränen in den Augen. Ich empfinde jedoch Dankbarkeit gegenüber meiner Familie, die das alles mitgetragen hat.“ Christian Graf zu Plettenberg (70) war über 40 Jahre lang Teil von Dramen und Glück auf den internationalen Bühnen des Reitsports, nun zieht er beim Weltcupturnier in Basel - "mein Herzensturnier" -  selbst den Vorhang zu, ein letztes Verbeugen, das war`s dann. Der Turniersprecher Christian von Plettenberg ist Geschichte. Aber er sagt auch: „Ich bin eitel genug und freue mich, dass man mir sagt, schade, dass Du aufhörst.“

Geboren wurde er in Neheim-Hüsten (Westfalen), von Beruf ist er Forstwirt, mit seiner Familie wohnt er auf Schloss Graschnitz in der Steiermark (Austria). Im titelhörigen Österreich, wo fast jeder mindestens Magister ist, wo die Edlen nach wie vor Hochkonjunktur haben („Küss die Hand, gnädige Frau“), ausgerechnet dort wurden wie in anderen Ländern 1919 die Adelstitel per Gesetz abgeschafft. So ist Graf von Plettenberg in Österreich ein ganz normaler Bürger, eben nur noch ein Christian Plettenberg. Laut Reisepass wird er nach wie vor als Deutscher geführt, obwohl er seit über 40 Jahren in Österreich lebt, dem Land seiner Mutter.

Christian Plettenberg begann nach dem Abitur verschiedene forstwirtschaftliche Ausbildungen, dann zog ihn die deutsche Bundeswehr ein, 1976 wurde er als Leutnant der Reserve abgemustert. In Wien studierte er Betriebswirtschaft, nach dem Tod des Vaters - Georg Freiherr von Dücker-Reichsgraf von Plettenberg (1918-1980), Rittmeister, gedient im Reiterregiment 15 in Paderborn, Ende des Zweiten Weltkrieges Major und Ritterkreuzträger mit Eichenlaub, verheiratet mit Ida Gräfin von Thun-Hohenstein – übernahm er den Forstbetrieb auf Schloss Graschnitz in St.Marein in Österreich (450 ha). Im Ort unterhält er zudem eine Schotterproduktion, und zum Schloss gehört auch ein Reitstall mit rund 50 Pferden. Verheiratet ist er seit 1986 mit Isabella, Tochter des ehemaligen österreichischen Außenministers und Generalsekretärs des Europarats, Dr. Lujo Toncic Edler von Sorinj.

Durch den Vater zum Pferd

Über den Vater fand er fast logisch zum Pferd und zum Reitsport. Mit sechs Jahren begann er zu reiten, ersten ernsthaften Unterricht erhielt in der Reitschule seines Onkels Dieter Graf Landsberg-Velen, dem langjährigen Präsidenten der deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), in Balve auf Schloss Wocklum. Bis zum zweiten Bandscheibenvorfall 1983 startete er auf Springturnieren, später fungierte er auch als Equipechef der österreichischen Springreiter - und fuhr zudem Autorennen.

Erstmals am Mikrofon saß er beim „Fest der Pferde“ 1985 in der Wiener Stadthalle. Es war der Beginn einer durchaus beispielhaften Karriere als Ansager. Hauke Schmidt als Miterfinder des Stuttgarter Turniers in der Schleyerhalle engagierte ihn erstmals zum Turnier in der Schwabenmetropole 1988, danach wurde Hans Heinrich Isenbart sein Mentor. Er lehrte ihn das Handwerk des guten Sprechers. 1993 sagte er erstmals beim Internationalen Offiziellen Turnier (CHIO) von Deutschland in Aachen an. Die ersten Einsätze waren allerdings von einigen Unterbrechungen geprägt, „da ich einerseits mit der Umstrukturierung meines Forstbetriebs und Personalwechsel sehr beschäftigt war“, andererseits kam er aber mit der Überheblichkeit des damaligen sportlichen Leisters Anton Fischer nicht zurecht.

Für Aachen entdeckt durch Wilhelm Stein

1991 und 1992  war er von Oberst Wilhelm Stein, dem damaligen Geschäftsführer des Aachen-Laurensberger Rennvereins (ALRV), beim Salutfestival in der Halle im Umgang mit dem Mikro getestet worden. Später kam dann ein Anruf vom damaligen Sportreferenten Horst Ense, der ihn zur Rückkehr ans Mikro in Aachen überredete. Bis 2022 war er 22-mal ein nicht unwesentliches Herzstück des deutschen CHIO.

Man holte den stets adrett gekleideten Grafen zu Reitveranstaltungen u.a. auch nach Göteborg, Frankfurt, Hamburg, München, Salzburg, Leipzig, Mannheim und St. Moritz, zu drei Europameisterschaften - Donaueschingen 2003, Mannheim 2007 und Aachen 2015 -, zu drei Weltcupfinals und zu den Weltreiterspielen 2006 in Aachen. Der smarte stets fein gescheitelte Graf in feinem Zwirn wurde auch engagiert zu Events in Tennis, Tanzen und alpinem Ski, aber auch zu Sinfonie-Konzerten oder Blasmusik. Nichts war ihm fremd, nirgendwo ging er nicht bestens vorbereitet hin. Er ist auch in seinem Nebenjob ein echter und vorbildlicher Profi ohne Allüren, das macht ihn auch so liebenswert. Inzwischen versucht er, sein Wissen und Können an andere weiterzugeben.

„Wollte kein Sprecher werden…“

Gerne wäre er in jungen Jahren zu eigenen sportlichen Turnieren gefahren, „doch letztlich reichte mein Bemühen nicht aus, aber ich weiß, wie viel Talent und Einsatz es braucht, um ganz oben mithalten zu können“, wie er sagt, „ich wollte nie ein guter Sprecher werden, sondern vielmehr ein guter Reiter.“

Freude und Reiz an der Ansage lägen in der ständigen Herausforderung, „auf plötzliche Situationen und Ereignisse in ganz kurzer Zeit reagieren zu müssen und auch noch möglichst die richtigen Worte zu finden – oder auch mal an einer Stelle ganz einfach nichts zu sagen“, mein er. Er sah sich immer als Bindeglied zwischen Veranstalter, Reiter, Pferd und Zuschauer – doch in erster Linie als Bewunderer dieses Sports, der trügerischer Weise so leicht erscheint. Man müsse als Ansager auch ein gewisses Gefühl für die jeweilige Stimmung des Publikums entwickeln, sagt „Pletti“, „und ich danke vor allem Hans Heinrich Isenbart und dem lieben Gott, in dieser Reihenfolge, dass ich auch in kritischen Situationen bisher jeweils die passenden Worte fand“. Nummern, Zahlen, Ergebnisse könne jeder ablesen. Da er kein guter Springreiter werden konnte, habe er versucht, „wenigstens ein einigermaßen guter Ansager zu werden, dafür musste ich den zweiten Bildungsweg wählen – in Richtung Mikrofon und Ansage“.

Wollte kein Isenbart sein

Freude an der Ansage machte ihm im Rückblick aber auch die ständige Herausforderung, „auf alle plötzlichen Situationen und Ereignisse in Sekundenbruchteilen reagieren zu müssen und hier möglichst die richtigen Worte zu finden, oder einfach auch mal an einer Stelle den Mund zu halten. Dabei ist sicher nicht von Nachteil, ein gewisses Gefühl für die jeweilige Stimmung des Publikums zu entwickeln.  In solchen Momenten wird die Aufgabe echt spannend!“

Er wollte nie ein Hans Heinrich Isenbart werden, der in Deutschland auch nach elf Jahren seines Todes als Sprecher noch verehrt wird. Isenbart gab sich gerne als Herrenreiter aus, mit entsprechenden Allüren, und ließ das auch viele spüren, Christian Graf zu Plettenberg hätte es wahrlich gedurft, machte aber nie den Isenbart.

Zum Abschied als Turnieransager sagt er überzeugend ehrlich:„Ich war nur ein Sprecher – sonst nichts.“ Das ehrt und adelt ihn zusätzlich.

 

 

 

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