Harvey Smith hat Geburtstag - kleine Erinnerung an ihn Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Dienstag, 27. Dezember 2011 um 15:47

 

London. Harvey Smith – von den Kollegen geachtet, bei den Zuschauern beliebt, bei Veranstaltern gefürchtet – und vom englischen Adel verachtet, an diesem Donnerstag wird der frühere britische Springreiter und Catcher 73 Jahre alt. Eine der schillerndsten Persönlichkeiten, die der Springsport je hatte.

 

 

Er wohnt dort in jener Gegend, wo auch die Whitakers zuhause sind. Wo man weiß, was Armut heißt. In der Grafschaft Yorkshire. Als Maurerlehrling kaufte sich der Farmersohn Robert Harvey Smith aus Bingley für damals umgerechnet 300 Mark sein erstes Pferd, das er förderte und wieder verscherbelte, aus dem Erlös erstand  er zwei Pferde. Mit knapp 17 Jahren begann er sich langsam auch schon einen Namen als Pferdehändler zu machen.

 

Er war pferdeverrückt, ehrgeizig. Die frühere Weltmeisterin Marion Coakes soll mal gesagt haben, Harvey habe einen so starken Willen, der könne auf einem Rad ohne Räder fahren. Er hatte keine Mäzene, keine Sponsoren. Und seine Pferde hatten vor nichts Angst. Er trainierte zuhause, in einer alten Scheune. Er sprang mit ihnen über Pflüge, Eggen, draußen im Freien über die für die britische Insel so bekannten Mäuerchen als Grundstücksbegrenzung, und er ritt mit den Pferden Schritt auf den harten gepflasterten kleinen Straßen seiner Heimat. So wurden die Sehnen gehärtet, die Kondition ging nicht verloren, die Pferde hatten frische Luft und wurden ganz gezielt ohne Stress fit gehalten.

 

Mit 30 populärster Reiter Englands

 

 

 

Harvey Smith brachte sich aus eigener Kraft und mit einem sensationellen Willen ganz nach oben. Mit 30 war das Naturtalent Englands populärster Springreiter, ein Mann mit Nussknacker-Gesicht und harter Aussprache jener Region. Vize-Europameister 1967 hinter seinem Landsmann David Broome, 1970 in La Baule Dritter der Weltmeisterschaft, Sieger im englischen Derby, 1971 Vizeeuropameister in Aachen hinter Hartwig Steenken, erneut Gewinner des englischen Derbys, 1977 Sieger im Großen Preis von Aachen zum Abschluss des CHIO von Deutschland und Vize-Europameister mit der Equipe in Wien – er gewann Große Preise in Rotterdam, Rom, Dublin, Nizza, New York, Toronto, Madrid, Paris oder Hickstead.  Für damalige Verhältnisse war er - ohne diese Vielzahl an Turnieren im jetzigen Reitsport – unglaublich erfolgreich.

 

1973 zum Profi erklärt – wie 21 andere auch

 

Harvey Smith gehörte 1973 zu jenen 22 Springreitern der britischen Insel, die der damalige Verbands-Präsident Prinz Philip im überstürzten und eigenmächtigen Hauruck-Verfahren zu Profis erklärte und sie damit nach dem damaligen Reglement von Olympia aussperrte. Harvey Smith darauf: „Alles korrekt, ich war nie etwas anderes gewesen als Profi.“ Dann hängt er aber ein langes „Aber“ an. Mit dem Aber meinte er in jener Zeit einen Hartwig Steenken, einen Alwin Schockemöhle oder einen Gerd Wiltfang in Deutschland und viele andere auch. Im Gegensatz zu Prinz Philip ließ der deutsche Präsident Dieter Graf Landsberg-Velen einen Fragebogen verschicken, worauf die Reiter ihren Beruf einzutragen hatten. Sie gaben alle „Kaufmann“ an, mit Unterschrift. Das Problem war erledigt. Harvey Smith: „Ich bin Profi und muss mit Geld meinen Stall unterhalten. Der Prinz soll uns nun in Ruhe auch unser Geld verdienen lassen.“ Und in der turnierfreien Zeit, die gab es mal auch, trat der bärenstarke Smith zudem in Catcherzelten seiner Heimat auf, oder man ließ ihn auch als Schlagerbarden singen. Wo Geld zu verdienen war, war auch er.

 

„Stinkefinger“ bei Siegerehrung

 

Mit den Blaublütigen des Inselreiches konnte er nie. Er mochte sie einfach nicht. Als er mal in Hickstead beim englischen CSIO ein Springen gewann, zeigte er bei der Siegerzeremonie den „Stinkefinger“ in Richtung Ehrentribüne, wo sich auch Adeliges versammelt hatte. Er wurde vorübergehend gesperrt, kam rasch aber wieder in den Sattel, weil er eine schöne Ausrede erfand – und weil der Verband ihn brauchte, ihn neben David Broome. Redeverbot gab es für ihn auch nicht. Als 1983 um den Sieg im Weltcupspringen des CHI in der Dortmunder Westfalenhalle nur zwei im Stechen waren (Sieger Hendrik Snoek/ Münster auf Palma Nova), empfahl er dem Parcoursbauer einen Berufswechsel, „der soll doch lieber Klodeckel entwerfen als Parcours` …“

 

Gefürchtet war er bei den Veranstaltern, weil denen nämlich jeweils nach einem Turnier von den Hoteliers zusätzliche Rechnungen präsentiert wurden, vor allem über Telefonate in jener noch handylosen Zeit. Und die bezahlte Harvey Smith nie. Und manches Bier an der Hotelbar blieb auch bei den Veranstaltern hängen. Er war aber auch durch und durch ein Horseman. Mit Gespür für die Situation. Als mal bei einem Turnier in der Olympiahalle von London ein Pferd bei einem Sturz ein Vorderbein brach, erkannte er sofort die Situation. Er rannte in den Parcours, wuchtete sich unter den verletzten Körperteil des Tieres, das so mit ihm als Krücke aus der Halle humpeln konnte…

 

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