Ludo Philippaerts oder das Trauma von Donaueschingen Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Donnerstag, 11. April 2013 um 09:33

Ludo Philippaerts im Casino seiner Reitanlage

 

Meeuwen/ Belgien. Ludo Philippaerts (49) ist Belgiens Springreiter mit den meisten Nationen-Preis-Einsätzen, weit über 80. Hinter dem für Österreich reitenden Hugo Simon nimmt er Platz zwei ein bei Starts an Olympischen Spielen und internationalen Championaten. Doch nicht einmal war er ganz vorne, fast in Donaueschingen 2003. Auf Besuch bei Ludo Philippaerts.

 

Er erinnert sich noch genau an jenen Sonntag im Jahre 2003, an den 24. August. Finale um die Springreiter-Europameisterschaft im Schlosspark von Donaueschingen. Ludo Philippaerts war schon fast der neue Europameister, die Journalisten fertigten bereits das Porträt über den belgischen Ausnahmereiter. Gold lag wie auf einem Tablett bereit, zum Greifen nahe. Er konnte sich als Schlussreiter sogar einen Abwurf leisten. Nur noch ein Sprung trennte ihn vom Titel, ein Oxer – dann war Ludo Philippaerts erstmals Sieger einer ganz großen internationalen Meisterschaft. Parco nahm am Oxer die vordere Stange mit, nicht weiter schlimm - doch die Uhr tickte fast boshaft gegen den Belgier, sie blieb eben nicht einfach stehen. Der Zeitfehlerpunkt mit den vier Strafpunkten für den Abwurf warfen Ludo Philippaerts komplett aus den Medaillenrängen. Er wurde Vierter, wie mit der Equipe davor. „Das wird mich immer verfolgen“, sagt Ludo Philippaerts heute, „ohne den Zeitfehler wäre ich immer noch Europameister gewesen.“

Der Titel ging an Christian Ahlmann auf dem Schimmel Cöster.  Der Deutsche aus Marl in Westfalen holte die Europameisterschaft im Hocken auf der Tribüne. Sein Vater Georg Ahlmann (66), der selbst drei Mal für Deutschland einen Nationen-Preis ritt, spult das Damals wie in einem Film ab: „Christian war ja vor dem letzten Durchgang Neunter der Gesamtwertung, er war ja meilenweit entfernt von einer vorderen Platzierung. An eine Medaille zu denken, das wäre ja hirnverbrannt gewesen.“ Ahlmann holte sein zweites Gold nach dem Teamtitel mit dem hauchdünnen Vorsprung von vier Hunterstelpunkten vor Ludger Beerbaum auf Goldfever.

 

Alles aus eigener Kraft erreicht

 

Ludo Philippaerts gehört auch ohne Titel seit Jahren zu den erfolgreichsten  Springreitern der Welt. Einmal war er „Vize“ auf Otterongo bei der Europameisterschaft 2001 in Arnheim, hinter Ludger Beerbaum auf der Stute Gladdys S.  Er hat den Aufstieg trotzdem nicht nur geschafft, er blieb auch oben. Achtmal wurde er von seinem nationalen Verband (FN) für eine Europameisterschaft nominiert, dreimal zu Weltmeisterschaften geschickt, viermal nach Olympia, und sechsmal startete er bei Weltcup-Finals, und sechsmal war er auch Belgiens Landesmeister.

 

Teil der Fahrflotte von Ludo Philippaerts

 

Über die Eltern kam er zur Reiterei. Der Vater ritt so nebenbei und verdiente sein Geld mit Lieferung von landwirtschaftlichen Produkten mit einem LKW. Ludo Philippaerts, der am 22. Juni 50 Jahre alt wird, begann das Reiten nicht auf Ponys wie fast die meisten Kollegen, „gleich auf Großpferden“. Zweimal war er belgischer Meister in der Dressur der „ländlichen Reiter“. Mit dem Hengst Darco begann der Aufstieg, Darco wurde ihm fünfjährig anvertraut. Er hatte stets nur eines im Sinn: „Nach oben.“ Da er von Zuhause aus nicht gerade aus goldenen Tellern die Suppe löffelte, musste er sich alles erarbeiten.

Wer sich auf seinem schönen Hof fast in Sichtweite von Exweltmeister Jos Lansink umschaut, der weiß, hier lebt jemand, der es zu etwas gebracht hat. Allein die vier Pferdetransporter mit der Aufschrift „Familie Philippaerts, Stoeterij Dorperheide, Weg naar As 99, B-3670 Meeuwen-Gruitrode“, durchaus exklusive Landhäuser auf Rädern, machen nicht nur etwas her, sind ein kleines Vermögen wert. „Wer will und arbeitet, der schafft es auch“, sagt er. Dass man auch Talent haben müsse, sagt er nicht, das setzt einer wie er eben voraus. Und er sagt: „Wer gut reitet, bekommt auch gute Pferde in Beritt.“ Es dauere nur bei dem eben etwas länger, „dem das Elternhaus nicht gleich die besten finanziellen Vorbedingungen bieten kann.“

 

Die ganze Familie reitet – alle sechs

 

Auf dem Hof mit 8 ha Land drum herum, dazu weiteren 22 ha in der Nachbarschaft, stehen 50 Pferde, Ludo Philippaerts betreibt Zucht, Ausbildung und zudem einen wahrlich florierenden Handel. Die ganze Familie reitet, die Zwillinge Nicola und Olivier (19) sind bereits international erfolgreich, die weiteren Söhne Thibault (11) und Anthony (9) sitzen noch auf Ponys, Ehefrau Veronique mag eher die Dressur. Im letzten Jahr gewann Olivier als bisher jüngster Springreiter in der inzwischen doch schon beachtlichen Geschichte von Spruce Meadows auf Challenge den Großen Preis von Calgary zum Abschluss des CSIO von Kanada (umgerechnet rd. 267.000 Euro), und Papa Ludo im Sattel des Wallachs Challenge schöpfte als Dritter weitere 82.000 Euro ab. Wenige Wochen davor hatte Nicola Philippaerts in Falsterbo auf Carlos den Grand Prix des CHIO von Schweden gewonnen, der 66.000 € einbrachte. Nicola hat inzwischen mit der nicht unvermögenden spanischen Dressurreiterin und Olympiastarterin Morgan Barbancon (20) angebandelt, deren Eltern – u.a. im Diamantengeschäft tätig und wohnhaft in Genf – vor drei Jahren über die dreimalige Olympiasiegerin Anky Van Grunsven den Rappen Painted Black für angeblich vier Millionen Euro erwarben.

 

Der Mani Kötter von Belgien

 

Einmal in der Woche kommt auf den Hof in anheimelnder Heidelandschaft aus der Nähe von Brüssel der ehemalige Grand Prix-Reiter Jan Symons (48), der den Turniersport aufsteckte, „weil ich mir Dressur immer anders vorstellte, vor allem mit durchlässigen  Pferden. Da ist nichts mehr vorhanden.“ Er korrigiert bei Ludo Philippaerts die Springpferde, gymnastiziert sie. Symons hat inzwischen Kunden aus 20 Nationen. Er ist so etwas wie der Mani Kötter von Deutschland, über den der in Belgien angestellte deutsche Nationen-Preis-Reiter Daniel Deußer sagt: „Es ist unglaublich, was Mani Kötter mit seinen über 70 Jahren immer noch im Sattel bringt, wie er die Pferde hinbiegt.“

 

Vater Ludo (rechts) mit den Zwillingssöhnen Nicola (Mitte) und Olivier auf heimischem Terrain

 

Ludo Philippaerts, der deutsch, flämisch, französisch und englisch spricht, erwartet von einem Pferd, „dass es Blut hat, vorsichtig am Sprung ist und die richtige Einstellung zum Job mitbringt“. Sein Idol ist nach wie vor Eric Wauters, sein Landsmann und Team-Olympiadritter von 1976, der mit 48 Jahren 1999 freiwillig aus dem Leben schied. Seine Lieblingsturniere sind Aachen („wegen der Atmosphäre, dieser einmaligen Zuschauer, da geht einem das Herz über“) und Calgary („wegen der Herzlichkeit, der Freundlichkeit des Veranstalters und wegen des guten Preisgeldes“).

 

Fernziel: Olympische Spiele Rio

 

Um auch Turniere wieder attraktiver für den Zuschauer im Stadion oder am Fernseher zu gestalten, „da wäre es gut und überdenkenswert, auch von Seiten des Weltverbandes oder nationalen Föderationen, wenn zum Beispiel wie früher in der Londoner Olympiahalle die Ausschreibungen so gestaltet werden, dass morgens die normalen Umläufe eines Springens stattfänden und dann am Nachmittag oder Abends nur noch die Entscheidungen, zum Beispiel die Siegerrunden mit zehn bis 15 Teilnehmern.“ Es sei doch fast zu viel verlangt von einem Zuschauer oder Besucher eines Turniers, sich ein S-Springen mit über 100 Startern anzusehen…

 

Die einladende Reithalle auf dem Philippaerts-Gestüt  "Dorperheide"

(Alle Fotos: Dirk Caremans)

 

Über ein Karriere-Ende hat er noch nicht nachgedacht. Er werde solange reiten, solange er Pferde habe, meint er. Sein großes Ziel sind neben der Europameisterschaft im August in Herning in Dänemark „die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro, am liebsten zusätzlich mit meinen Söhnen Nicola und Olivier.“ Vater und zwei Söhne in einer Equipe – wäre auch einmalig.

 

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