Fritz Thiedemann - zum 100.Geburtstag Enthüllung eines Findlings am Ende des Thiedemann-Ringes... Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Mittwoch, 28. Februar 2018 um 20:33



(Foto: Werner Ernst)

Zwei Große des Springreitens traten an diesem 3. Juli 1961 am Schlusstag des CHIO von Deutschland in Aachen von der Weltbühne des Sports ab: Fritz Thiedemann und sein Wallach Meteor

Heide. Am 3. März wurde Fritz Thiedemann geboren, am kommenden Samstag würde er 100 Jahre alt werden. Seine Heimatstadt Heide in Schleswig-Holstein enthüllt an diesem Tag zu Ehren des großen  Springreiters einen Findling am Ende des „Fritz-Thiedemann-Ringes“.

 

Wenn andere längst schon vergessen sind, nur noch in Büchern oder Statistiken aufgeführt werden, an Fritz Thiedemann wird man sich auch in den nächsten 100 Jahren sicher erinnern. Er war nicht der große Held im Parcours, der vielleicht nach der Ziellinie im Sattel als Sieger zusammenbrach. Fritz Thiedemann war immer Fritz Thiedemann, einer aus dem Volk, der auch nie vergaß, woher er kam. Und dennoch war er etwas Besonderes. Man mochte ihn, er war einer, den man anfassen konnte.

 

Sich selbst nannte er mal den „letzten geglückten Versuch meines Vaters“. Am 3. März 1918 kam Fritz Thiedemann in Weddinghusen auf die Welt, als neuntes von neun Kindern. Alle Holsteiner somit, zuhause in einem deutschen Landstrich, wo man sturer ist als sonstwo, vielleicht auch erdverbundener, wo man viel sagt, wenn man „Jau“ herauswürgt und nicht nur nickt.

 

Die Thiedemanns („der Name mit `Ha` hinter dem `Te`, alle anderen gehörten nicht zu uns“)“ lebten schon weit über 350 Jahre auf diesem Hof, alle acht Geschwister von Fritz kamen dort auf die Welt, das neunte Kind ging einen anderen Weg und wurde berühmt in der Welt, eben Fritz Thiedemann. Er wurde vom Papst empfangen, vom US-Präsidenten, er schüttelte der britischen Queen die Hand und vielen anderen ebenso, doch er blieb immer er selbst. Die Welt, wo man Austern schlürft, wo Schampus und Kaviar zum Frühstück gehörten, in jener geschniegelten und aufgemotzten Gesellschaft war er nie zuhause, „dort musste man hineingeboren werden, ich gehörte nicht dazu.“

 

Mit seiner Frau Anneliese („Lieschen“) lebte er in einem schmucken Haus in Heide, eben in Holstein, Sohn Claus wurde Banker, dessen Zwillingsbruder Hartwig Apotheker wie auch die Tochter. Lieschen Thiedemann war auf fast allen Turnieren dabei, „und wenn ich mal nicht dabei war, dann schrieb mir Fritz jeden Tag einen Brief.“

 

Das Reiterleben des Fritz Thiedemann steht in einem kleinen, inzwischen schon arg zerfledderten Heftchen, der Umschlag aus Pappe abgegriffen und vergilbt. Er hatte alles aufgeschrieben, die Siege, Stürze, Fehler oder die Gewinngelder, wann seine Frau mit war auf einem Turnier, wann nicht. Insgesamt löste er sich 132 mal vorzeitig bei einem Turnier von seinem Kamerad Pferd. Auch die Siege hatte er schriftlich festgehalten: 550.

 

Den letzten Erfolg feierte der „große Fritz“ am 1.Juli 1961 im Preis der Nationen in Aachen. Einen Tag später setzte er sich plötzlich neben seine Frau und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich höre mit dem Sport auf.“ Sie glaubte es nicht, wiederum 24 Stunden später ging Fritz Thiedemann in Aachen mit dem schweren Holsteiner Wallach Meteor auf die Abschiedsrunde. Handgelder, die damals auch schon gezahlt wurden, konnten ihn nicht zum Weitermachen überreden, „ich habe mich nie einkaufen lassen, mein ganzes Leben nicht.“ Und weiter meinte er: „Ich habe sicherlich im richtigen Augenblick aufgehört.“ Und mit ihm trat auch Meteor von der großen Bühne des Sports ab. Der „Dicke“, wie er überall genannt wurde, der mal Moritz hieß, einen Milchwagen zog, ehe ihn Fritz Thiedemann kultivierte, hatte 2.250 Mark gekostet. Insgesamt gewann er 150 mal, war 84 mal Zweiter und 54 mal Dritter,  wie sein Reiter in seinem Notizbüchlein aufschrieb, alles zusammen, nämlich 499 Plazierungen, ergab eine Lebensgewinnsumme von für damalige Verhältnisse schier unglaublichen 177.361,78 Mark, „dazu kamen 5.564,32 Mark vom Deutschen Olympiade-Komitee in Warendorf und nochmals 13.506,43  an Züchterprämien.“

 

Thiedemann über Meteor, dessen Name geschützt ist wie auch der von Halla von Hans Günter Winkler: „Ein sturer Bock, ein unglaublich schwieriges Pferd, das schwierigste, das ich jemals ritt. Von Dressurarbeit hielt er gar nichts.“ In Kiel steht Meteor in Bronze gegossen als Denkmal.

 

Vor Hans Günter Winkler (91) war bereits Fritz Thiedemann, nicht nur vom Alter her. 1949 siegte er erstmals im Deutschen Springderby in Hamburg, danach noch viermal. Erst zwei Jahre zuvor hatte er das Abenteuer „Großer Reitsport“ als Beruf begonnen. Zwölf Siege notierte er im Jahre 1947, bei fünf Turnieren.

 

Thiedemann, Mitglied der berühmten Hannoveraner Kavallerieschule, und Hans Günter Winkler kamen erst im Alter gut miteinander aus. In ihrer eigenen sportlichen Aera waren sie Partner, Konkurrenten, keine Freunde. Thiedemann: „Ich war nur der kleine Holsteiner Bauer, Winkler dagegen galt als der Künstler.“ Der Erfolg schmiedete sie aneinander. Winkler: „Wir haben uns hart im Parcours bekämpft, aber immer ritterlich. Fritz war mein bester Partner im Sport, den ich jemals hatte.“

 

Er und HGW galten kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auch als Botschafter eines neuen Deutschlands. Und auch Deutschlands Politikern wurde das bewusst. Am 4. Dezember 1974 erhielten Winkler und er in der damaligen bundesdeutschen Hauptstadt Bonn das „Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“.

 

Gerne erinnerte sich Fritz Thiedemann an die Olympischen Spiele 1952 in Helsinki, als er in Springen und Dressur jeweils eine Bronzemedaille gewann, „und das musste erst einmal jemand nachmachen“. Bisher einmalig. Goldmedaillen nach Siegen in Preisen der Nationen bei Olympia wurden Fritz Thiedemann 1956 in Stockholm – zusammen mit Hans Günter Winkler und Alfons Lütke-Westhues -  und 1960 in Rom – mit Winkler und Alwin Schockemöhle -  umgehängt. Schmerzlich war für ihn, als er auf Diamant „wegen einer Zehntelsekunde“ den Welttitel 1953 verpasste.

 

1958 gewann er auf Meteor in Aachen die Europameisterschaft, die deutschen Sportjournalisten wählten ihn zum „Sportler des Jahres“, seither wurde kein deutscher Reiter mehr mit diesem Titel geehrt. Fritz Thiedemann, der am liebsten Tierarzt geworden wäre, verleugnete nie seine Herkunft, „aber ich wollte auch immer weg vom Durchschnitt.“

 

Er war nicht nur Reiter, auch Züchter. Seiner Zucht entstammt beispielsweise der Wallach Farmer, auf dem Franke Sloothaak in Los Angeles 1984 Mannschafts-Bronze gewann. Über die Zucht im allgemeinen sagte er mal: „Man muss ihr dankbar sein, was sie dem Reiter an die Hand gibt.“

 

Fritz Thiedemann starb am 8. Januar 2000, „zuletzt lag er noch zwei Wochen im Krankenhaus, er war nicht mehr gut zuwege“, sagt seine Frau, die am 24. Mai 94 Jahre alt wird. Und sie sagt: „Am Ende des Fritz-Thiedemann-Ringes in Heide wird an seinem Geburtstag ein Findling enthüllt, mit seinem Namen und den Lebensjahren, alles ganz schlicht, er hätte es nicht anders gewollt…“

 

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