Geld und andere große Probleme bei Westernreining Drucken
Geschrieben von: Sascha Dubach/ DL   
Dienstag, 13. April 2021 um 14:43

Zürich. Die Westernreitdisziplin Reining steht seit rund zwei Jahren beim Reitsportdachverband FEI (Fédération Equestre Internationale) auf der „Abschussliste“ und könnte schon bald den Status als offizielle FEI-Pferdesportdisziplin verlieren. In Deutschland gehört die Disziplin seit Beginn des Jahres nicht mehr der nationalen Föderation an. Der Schweizer Sven Friesecke ist seit 2018 Chef des FEI-Reining-Komitees. Unter seiner Ägide entstand ein Konzept, das es auch zukünftig erlaubt, Championate wie Welt- und Europameisterschaften zu veranstalten. Sascha Dubach von der PferdeWoche unterhielt sich mit ihm.

 

Ende vergangenen Jahres kamen Gerüchte auf, die Disziplin Reining würde per Generalversammlung 2021 aus der FEI verschwinden. Ist das korrekt?

Sven Friesecke: „Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gross, ja. Entschieden wird dies an der FEI-Generalversammlung in Südafrika Ende Jahr.“

Auf was ist dies zurückzuführen?

S.F.: „Entstanden ist dies an der GV 2019 in Moskau. Reining ist damals einstimmig bestätigt worden, obwohl man es schon hinauskicken wollte. Diese Entscheidung basierte auf einer neuen Vereinbarung zur Zusammenarbeit zwischen der FEI und der NRHA, der National Reining Horse Association der USA, die unmittelbar vor der GV unterzeichnet wurde. Im Nachgang haben die beiden Parteien dieses Papier noch einmal etwas genauer unter die Lupe genommen. Dann hat die NRHA erst gemerkt, dass sie zu viele Zugeständnisse gemacht hat.“

Um was ging es dabei?

S.F.: „Die FEI forderte, dass alle Prüfungen, in denen Pferde ab sieben Jahren dabei sind, unter ihrer Flagge laufen. Zudem wären alle Prüfungen, bei denen Reiter aus mehr als drei Nationen teilnehmen, ebenfalls unter der FEI ausgeschrieben worden. Gerade in Europa, wo die Grenzen sehr nahe beieinander liegen und die Reiter ohne grossen Aufwand reisen können, hätte dies einen grossen Teil der Turniere betroffen. Das bedeutete für die NRHA, dass sie rund 60 Prozent ihres weltweiten Marktes an die FEI hätten abgeben müssen. Vor allem auch, weil die FEI der Ansicht war, dass Prüfungen für Pferde ab drei Jahren, bei dem auch ein achtjähriger Vierbeiner startet, dann ebenfalls unter dem FEI-Label fungieren müssten.“

Das war nicht möglich?

S.F.: „Zum einen waren die Reiter damit nicht einverstanden und zum anderen hätte es die Existenz der NRHA bedroht. Viele Reiner sind bereits in der NRHA, starteten seit Jahren in diesen Prüfungen, die Europäer oft auch in den USA. Die Verbundenheit zu diesem Dachverband ist groß. Die Struktur, die Administration, die Prüfungen, das Marketing, das Preisgeld – alles funktioniert bestens. Die FEI hatte von Anfang an einen schweren Stand.“

An was ist es zusätzlich gescheitert?

S.F.: „Es gab zu wenig offizielle FEI-Prüfungen, sprich CRI`s. Veranstalter waren darauf nicht unbedingt erpicht, da es zusätzliche Kosten verursachte und auch bei den Reitern hatte man es nicht einfach. Die mussten zuerst alle Normen erfüllen, beispielsweise für ihre Pferde einen FEI-Pass lösen oder das Impfintervall erhöhen.“

Wieso ist Reining bei der FEI nun am Schluss auf der «Abschussliste» gelandet?

S.F.: „Eigentlich nur, weil sich die Zahlen nicht so entwickelt haben, wie man es sich vorstellte. Wäre es prosperierend gewesen und hätte es der FEI Geld gebracht statt nur «vernichtet», würde die Disziplin gar nicht zur Debatte stehen.“

Wieso haben sich die Zahlen über all die Jahre nicht entwickelt? War nicht auch der Tierschutz ein Thema?

S.F.: „Der Tierschutz nicht unbedingt. NRHA-Prüfungen laufen beispielsweise in der Schweiz oder in Deutschland bezüglich Medikation usw. unter dem Tierschutzgesetz des jeweiligen Landes ab. Da hat – wie in anderen Disziplinen auch – in den vergangenen Jahren ein steter Wandel stattgefunden. Heutzutage wollen auch die Reiter selbst, dass die Wettbewerbe tierschutzkonform ablaufen. In den USA hingegen gibt es diesbezüglich jedoch noch Nachholbedarf. Ich denke, die Zahlen haben sich nicht entwickelt, weil es für die Reiter nicht attraktiv genug war, in CRI`s zu starten. Diese wurden am Schluss nur noch gebraucht, um sich für ein Championat zu qualifizieren.“

Wie hätte man einen CRI attraktiver gestalten können?

S.F.: „Ich persönlich versuchte es einmal – damals als Novum – mit einer FEI-Doppelveranstaltung. Zwei CRI`s an zwei aufeinanderfolgenden Tagen. Das lief gar nicht so schlecht, plötzlich hatten wir mehr Teilnehmer, konnten Kosten effizienter verteilen. Wir hatten in Mooslargue sogar den bis heute weltweit unerreichten Teilnehmerrekord an einem CRI mit rund 80 Pferden am Start. Ich denke, wäre es für die Veranstalter einfacher gewesen CRI`s durchzuführen, hätten auch mehr stattgefunden.“

Wie meinen Sie das?

S.F.: „Die Abläufe, Struktur, quasi das «Backoffice», ist bei der NRHA viel einfacher, schlanker. Die FEI ist hier zu «bürokratisiert». Es war für Veranstalter schwer nachzuvollziehen, wieso man etwas «mehr» machen muss, wenn es doch «einfacher» auch funktioniert.“

Ist es auch am Geld gescheitert?

S.F.: „Ja, klar. Hätten wir einen Generalsponsor, wie es beispielsweise Longines im Springen ist, hätten sicherlich viele Veranstalter diese zusätzlichen Hürden auf sich genommen. Doch das war leider nie der Fall.“

Wie verhält es sich dann mit den Welt- und Europameisterschaften?

S.F.: „Jetzt decken wir genau die ganze Krux auf, denn die Reiter finden es irre toll, an den FEI-Championaten reiten zu dürfen. Nichts macht sie stolzer, gemeinsam als Team für ihr eigenes Land antreten zu dürfen. Nationalhymne, Medaillen, das gibt es bei der NRHA nicht, keine solche Championate, keine Teamwettkämpfe. Das «Höchste» sind hier die «Futurities» für junge Pferde und die Derbys. Für Topreiter ist da richtig viel Geld drin. Es ist ein gewaltiges Business, da will niemand irgendwo in der Pampa einen CRI reiten, um sich zu qualifizieren, wenn gleichzeitig ein lukratives NRHA-Turnier stattfindet. Und solche Veranstaltungen finden in Europa an jedem Wochenende statt. Der Kalender ist voll, das Angebot riesig, auch in den USA.“

Spielt nicht auch das Alter der Pferde im Reining eine wichtige Rolle?

S.F.: „Das ist so. Es ist ein Systemproblem, dass es bei den Dreijährigen fast das meiste Geld zu verdienen gibt. Ein solches Toppferd ist mit sieben Jahren, wie von der FEI als Minimum gefordert, quasi schon ein Rentner. Es läuft beispielsweise noch als «Lebensversicherung» bei einem «Junior» oder – und das darf man auch offen sagen – schafft es nicht mehr durch den Vetcheck.“

Aber gerade hier hat die FEI doch einen Vorbildcharakter?

S.F.: „Korrekt – wie bereits erwähnt, hat bei den Reitern der Wandel schon stattgefunden. Sie wollen zwingend mit einem gesunden, fitten Vierbeiner starten, also eigentlich genau so, wie es die FEI vorgibt. Die NRHA ist hier klar noch im Hintertreffen, ist sich dessen aber mittlerweile bewusst -  und auch hier wird ein Umdenken stattfinden. Zum Glück, denn wir müssen langfristig denken. Wir wollen ja unseren Sport weiter betreiben.“

Sie suchen nach Lösungen und hatten in den vergangenen Wochen einige virtuelle Sitzungen. Wie ist der aktuelle Stand und könnte Reining der FEI noch erhalten bleiben?

S.F.: „Dass Reining in der FEI bleibt, ist aus heutiger Sicht höchst unwahrscheinlich. Das haben schon meine Vorgänger probiert und sind auf keinen grünen Zweig gekommen. Man versuchte Veranstalter zu motivieren oder Reiter auf tieferem Niveau zu begeistern, vor allem ausserhalb der NRHA. Genützt hat aber alles nichts, auch wenn sicherlich Potenzial vorhanden wäre. Die FEI hat 133 Mitgliederverbände, davon haben etwa 35 auch Reiner in ihren Reihen, und etwa 20 Nationen sind mit einer Equipe aktiv. Von diesen kam nun der starke Wunsch, dass man die Championate behält und weiterführt. «World Equestrian Games» zählen beispielsweise zu den schönsten Anlässen für die Reiner überhaupt. In unseren Sitzungen haben wir uns nun eine Kompromisslösung überlegt. Die FEI ist gewillt, nicht einfach zu sagen «Reining kicken wir raus – nach uns die Sintflut», sondern sie möchte das ganze quasi wie ein Erbe übergeben. Dafür hat sie administrative wie auch ­finanzielle Unterstützung zugesichert.“

Wie sieht das mögliche neue Konstrukt aus?

S.F.: „Fakt ist, das System mit den CRI`s funktioniert nicht. Deshalb versucht man mit der NRHA eine solide Zusammenarbeit zu finden. Für die Championate soll ein neues, eigenständiges Komitee gebildet werden. Darin vertreten sind mit Stimmenmehrheit die nationalen Verbände, die Reining betreiben. Bei uns ist dies der Schweizerische Verband für Pferdesport SVPS und nicht die NRHA Switzerland. Die FEI hat viel gute Aufbauarbeit geleistet, das will man übernehmen, beispielsweise die «Medication Rules» – Stichwort Antidoping, die Abläufe der Championate, die Reglemente und so weiter.“

Wie äusserst sich der Dachverband NRHA USA dazu?

S.F.: „Grundsätzlich sehr positiv, das haben wir in mehreren Gesprächen festgestellt. Wir sind ja nicht so weit voneinander entfernt. Die Mitglieder des FEI-Ausschusses sind selbst auch in der NRHA vertreten. Man kennt sich gut. Schade war nur, dass sich die Zuchtverbände der QuarterHorses oder Paint Horses nicht auch ins Spiel brachten. Denn diese führen selbst auch Veranstaltungen durch.“

Wie ist der aktuelle Stand der Verhandlungen?

S.F.: „Wir haben unser Konzept als Wunschliste deponiert. Die NRHA muss nun einen eigenen Umsetzungsvorschlag liefern. Dabei geht es darum, wie alles implementiert werden kann und vor allem, wie sich im Endeffekt das neue Gremium zusammensetzt, sodass die Interessengruppen auch repräsentativ und korrekt vertreten sind. Denn gearbeitet – respektive die Championate finanziert – wird mit den Geldern der nationalen Verbände. Und genau diese erhalten nun den Umsetzungsvorschlag zur Konsultation. Dabei brauchen wir vor allem das Feedback der im Reining aktiven Verbände wie beispielsweise USA, Kanada und den europäischen Topnationen wie Italien, Belgien, Deutschland, Frankreich und natürlich auch der Schweiz. Die europäischen Nationen waren von Beginn an zahlenmässig immer sehr gut vertreten. De facto sind über 50 Prozent der im Reining aktiven Nationen in Europa angesiedelt.“

Schauen wir nach vorne. Die Konsultationen verlaufen positiv, die Verbände sprechen sich für das neue Konstrukt aus. Wie geht es weiter?

S.F.: „Ausschlaggebend wird die Generalversammlung der FEI im Herbst sein. Dort wird man Reining, welches erst 2001 als siebte Disziplin aufgenommen wurde, wieder verabschieden. Es ist ab dann jedoch dafür gesorgt, dass eine geordnete Übergabe an die Nachfolgeorganisation stattfindet, welche die Championate im bestehenden Format weiterführen wird.“

Wird man der FEI in irgendeiner Form treu bleiben?

S.F.: „Es ist vorgesehen, dass wir eine gewisse Kooperation beibehalten. Schon aufgrund der geplanten Anlehnung an gewisse FEI-Regeln wie Antidoping, Tierschutz und andere. Unser Ziel muss es doch auch sein, wenn beispielsweise wieder einmal «World Equestrian Games» aller Disziplinen veranstaltet werden, dass wir mit unserer «eigenen» WM dann Teil davon sind. Alles andere wäre schade.“

Wann würde das erste Championat unter neuer Führung durchgeführt?

S.F.: „Wenn alles klappt, die Strukturen vorhanden und die Reglemente ausgearbeitet sind, schon nächstes Jahr. Das ist unser grosses Ziel.“

 

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