Die Dressur-Welt kniet sich fast nieder vor Totilas und Edward Gal Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Donnerstag, 30. September 2010 um 12:11

 

Lexington. Der Niederländer Edward Gal verzückt und verzaubert mit dem Rappen Totilas die Dressur-Welt weiter. Er gewann nach Team-Gold auch im Grand Prix Special den Weltmeistertitel – den Deutschen bleiben nur noch neidvolle Blicke...


 

Deutschland, einst neidvoll bestaunt wegen seiner Klasse an Reitern und Pferden, Orientierunsgpunkt in der Dressur, ist nur noch eigene Vergangenheit. Des einstigen Glanzes und Ruhmes. Die deutsche Reiterei ist kein Ausstellungsstück mehr. Und es gibt auch keine Siegertypen mehr, dafür lobt man sich inzwischen fast für Plätze jenseits von Medaillenrängen. Die kleine Nation Holland wurde dafür zum Mittelpunkt dieser Welt der Ordnung und Disziplin. Die 6. Weltreiterspiele stehen als Beispiel. Nach dem Erfolg mit dem Team errang der 40 Jahre alte Edward Gal auf dem zauberhaften Rappen Totilas seinen zweiten Titel. Der Weltranglisten-Erste, Weltcupsieger und Doppel-Europameister des letzten Jahres sicherte sich überlegen mit 85,708 Prozentpunkten auf dem Hengst die Goldmedaille im Grand Prix Special vor der erst 25 Jahre alten Britin Laura Bechtolsheimer auf dem Fuchs Mistral Hojris (81,708) und dem aus Wesel stammenden US-Amerikaner Steffen Peters (46) auf Ravel (78,542). Vierter wurde mehr als überraschend der Spanier Juan Manuel Munoz Diaz auf dem Andalusier Fuego (76,042) –  kein einziges Pferd aus deutscher Zucht. Da wäre bei deutschen Zuchtverbänden inzwischen auch ein bisschen Besinnung gefragt und das Trommeln über „die beste Zucht der Welt“  gedämpfter verlangt.

 

Alle Deutschen mit bescheidenen Vorstellungen

 

Die Vorstellungen der deutschen Teilnehmer im Grand Prix Special darf schlichtweg als  bescheiden genannt werden. Keine einzige Vorstellung riss zu Beifall hin. Sitz und Einwirkung, einst Stärken der deutschen Reiterei, waren alles andere als lehrbuchhaft. Die Pferde, vom Potential her für die höchsten Schwierigkeiten geeignet und wahrlich tolle Verkaufsobjekte, waren aber nur so gut, wie die Reiter es zuließen. Und da haperte es bei einigen stark. Da wurden Lektionen gar nicht gezeigt oder ganz simpel ausgelassen aufgrund reiterlicher Mängel. 

 

Isabell Werth bei kanadischer Richterin nur auf Platz 19

 

Bester Deutscher war im Grand Prix Special Christoph Koschel (36) auf Donnperignon (73,292) als Sechster, Achte wurde die deutsche Vizemeisterin Anabel Balkenhol (38) auf dem zehjährigen Wallach Dablino (72,625) und Zehnte die an diesem 29. September 2010 als Weltmeisterin entthronte Titelverteidigerin Isabell Werth auf dem schon 15-Jährigen Hannoveraner Warum Nicht (72,00). Für die Kür der 15 Besten aus dem Special ist Matthias Alexander Rath (Kronberg) mit Sterntaler (15) ausgeschieden. Er belegte im Special mit 70.250 Zählern zwar noch  den 13. Rang als Schlüssel für die Kür, doch in der Konkurrenz des Umsetzens von Musik in Bewegung sind nur drei einer Nation zugelassen. Christoph Koschel, Jurist und im Vorjahr Derbygewinner in Hamburg, der Tag und Nacht an seinem Sitz arbeiten müsste, brachte hinterher vor allem ein Wort heraus: „Super, super, super.“ Anabel Balkenhol sprach Dankesworte an ihr Pferd, Isabell Werth sagte sicher das wirklich Ehrliche: „Ich habe alles riskiert, weil der Special die einzige Chance war für mich auf eine Einzelmedaille – es hat nicht hingehauen. Das war`s.“ Ihrem solide ausgebildeten Wallach „Warum Nicht“ fehlt die Eleganz, die Leichtigkeit, für Medaillen ist er in dieser inzwischen anderen Welt aus Sport und Show nicht mehr gut genug. Die kanadische Richterin Cara Whitham setzte den Hannoveraner gar nur auf Position 19, was natürlich auch über die Unparteiische aus der Dressur-Diaspora des zweitgrößten Landes der Erde so viel aussagt – dass sie nämlich keine Ahnung hat.

Alle vier deutschen Teilnehmer im Grand Prix Special zeichnete vor allem aus: Dass keiner die geforderten Lektionen exakt ritt. Wenn jetzt in der deutschen Dressur nicht der längst fällige Schnitt erfolgt, werden die Olympischen Spiele in zwei Jahre in London zum totalen Desaster.

 

Totilas – ein Pferd zum Verlieben...


Edward Gal und Totilas in Aachen beim CHIO vor GP (Foto: U.L.)

 

Zu Totilas ist nichts mehr zu sagen, es wurde schon alles gesagt. Was dieser Hengst in seiner glänzenden schwarzen Jacke in den Sand des Vierecks zaubert, erhebt ihn zu einem göttlichen Wesen. Und geformt hat ihn Edward Gal. Der blondierte Reiter, der wie festgeschraubt im Sattel sitzt, mit ruhiger Hand, fing irgendwann mal an als Pferdepfleger im Stall von Anky Van Grunsven und Sjef Janssen, „er hatte nichts – aber Willen und Talent“, wie sich der frühere Weltcup-Direktor Dr. Joep Bartels (Niederlande) erinnert. Sollte der erst zehn Jahre alte Hengst mit Trakehner-Abstammung gesundheitlich den Turnierstress und Deckeinsatz (pro Sprung 10.000 Euro) durchhalten können, ist das Paar in den nächsten fünf Jahren nicht zu schlagen. Und in 50 Jahren werden Kenner der Szene sich immer noch gerne und gut an diesen Hengst erinnern, der diesem Sport einfach gut tat, weil er Menschen für diese Disziplin begeisterte. Er machte neugierig, ohne Worte.

 

Und was sagte der Weltmeister: „Ich bin ganz einfach glücklich. Der Hengst hat so viel Kraft, dass ich vor allem aufpassen muss, alles in die richtigen Bahnen zu lenken. Er will einfach gut sein.“ Man erlebt im Moment des Triumphes selten einen so bescheidenen Weltmeister. Und in der Nacht zu Samstag wartet auf Gal und Totilas die dritte Goldmedaille – auch das wäre einmalig, wie: Das Paar hält in allen Disziplinen – Grand Prix (84,085), Grand Prix Special (86,458) und Kür (92,3) – die bisher erreichbaren Höchstwerte an Prozentpunkten.

 

 

 

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