Gerrit Nieberg - oder der Anflug auf den Grand Slam Drucken
Geschrieben von: Niels Knippertz/ Dieter Ludwig   
Mittwoch, 07. September 2022 um 17:04

Aachen. Zum Abschluss des letzten Internationalen Reitturniers von Deutschland gewann Gerrit Nieberg auf Ben den Großen Preis von Aachen. Danach war Nominierung für die Weltmeisterschaft im dänischen Herning, er wurde nicht berücksichtigt. Aus verständlicher Enttäuschung heraus wollte sein Vater als Mitbesitzer des Wallachs seinen Anteil sofort verkaufen, doch auch der frühere Bundestrainer Herbert Meyer wirkte beruhigend auf Mannschafts-Olympiasieger und Freund Lars Nieberg ein und sagte, auf Gerrit würden doch nach Aachen noch andere schöne Veranstaltungen wie zum Beispiel der CSIO von Kanada in Spruce Meadows an diesem Wochenende warten, und darüber unterhielt sich Aachen-Presse-Chef Niels Knippertz mit dem Grand Prix-Sieger von Aachen.

 

Gerrit, Sie haben beim CHIO Aachen den Rolex Grand Prix gewonnen und sind damit Anwärter auf den Rolex Grand Slam of Show Jumping. Wie ordnen Sie diesen Erfolg ein?

Gerrit Nieberg: „Das war ohne Frage der größten Siege in meiner Karriere und für mich und meine Familie ein wirklich sensationeller und ganz emotionaler Moment. Und ganz ehrlich, ich habe eine ganze Weile gebraucht, um zu realisieren, dass das wirklich passiert ist. Wenn ich mir den Ritt ansehe, bekomme ich jedes Mal aufs Neue Gänsehaut. Jeder Reiter träumt davon, diese Prüfung eines Tages zu gewinnen. Dass mir das nun so früh in meiner Karriere geglückt ist, ist natürlich umso schöner. Und jetzt bin ich tatsächlich der Anwärter auf den Rolex Grand Slam of Show Jumping. Das ist einfach fantastisch.“

Das Stechen in Aachen war richtig spannend. Nach Ihrem Ritt waren 40.000 Zuschauer außer Rand und Band – haben Sie das registriert?

G.N: „Klar, am Ende! Aber vorher, vor allem, als ich eingeritten bin, habe ich einfach versucht, mich auf mich und Ben zu konzentrieren und das Stechen so anzugehen, wie ich es mir vorgenommen habe.“

Sie haben eine Abkürzung gewagt, die vorher keiner ihrer Konkurrenten gewählt hatte. War das geplant?

G.N.: „Ja, ich habe Steve Guerdat auf dem Abreiteplatz gefragt, ob man die Abkürzung nehmen kann. Er meinte, ich könnte das probieren. Also habe ich das gemacht. Aber ehrlich gesagt, bin ich davon ausgegangen, dass meine Kollegen, die ja alle vor mir dran waren, diesen Weg ebenfalls genommen haben. Erst als während meines Rittes ein Raunen durchs Publikum ging, ist mir bewusst geworden, dass sie das vielleicht doch nicht gemacht haben.“

In Aachen konnten Sie unbekümmert auftreten. In Calgary hingegen werden nun alle Augen auf Sie gerichtet sein. Setzt Sie das unter Druck?

G.N.: „Nein, für mich ist es eine Ehre, dass ich das erleben darf. Es macht mich stolz. Natürlich bin ich auch etwas nervös, wenn ich daran denke. Aber unter Druck setzen lassen möchte ich mich nicht. Ich werde versuchen, mich vollkommen auf mich und auf Ben zu konzentrieren und alles genauso zu machen, wie sonst auch.“

Sie sprechen ihr Pferd Ben an. Was ist er für ein Typ?

G.N.: „Ben und ich sind nun schon seit vier Jahren ein Team. Im Umgang mit ihm gibt es ein paar Besonderheiten, die ich beachten muss. So hat der Wallach es um sich herum gerne etwas ruhiger. Zuhause, wo er grundsätzlich viel entspannter ist als auf einem Turnier, reite ich ihn oft in der Mittagspause, damit wir etwas mehr Ruhe und Zeit für uns haben. Er fordert immer auch etwas mehr Aufmerksamkeit, die ich ihm aber natürlich gerne gebe. Und das gibt er mir auch zurück. Auf dem Turnier ist er stets hochmotiviert und will immer alles zeigen, was er kann.“

Mit welchen Erwartungen reisen Sie nach Kanada?

G.N.: „Vor ein paar Jahren habe ich meinen Vater schon einmal dorthin begleitet, als er dort geritten ist. Dieses Stadion ist beeindruckend, die Hindernisse sind gewaltig. Aber ich habe ein sehr gutes Pferd, das in einer sehr guten Verfassung ist und möchte die Chance ergreifen, die sich mir jetzt bietet. Der Rolex Grand Slam of Show Jumping ist eine großartige Serie. Der Anreiz ist groß, sich in den Geschichtsbüchern des Turniersports zu verewigen. Aber ich bin natürlich realistisch genug, um zu wissen, dass alle anderen Reiter dieses Ziel auch verfolgen. Ben und ich werden unser Bestes geben, und dann werden wir sehen, was möglich ist.“

 

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Mit dem Gewinn des Großen Preis von Aachen legte Gerrit Nieberg den Grundstein zum möglichen Erfolg im Grand Slam der Springreiter. Nieberg (29) kam in Aachen mit dem Westfalen-Wallach Ben zu einer Prämie von 500.000 Euro. Zur Serie gehören neben Aachen auch die Großen Preise von Spruce Meadows als Abschluss des CSIO von Kanada nahe Calgary, der Große Preis von Genf und seit 2018 der Grand Prix von Hertogenbosch in den Brabanthallen.

Mit Sieg in einem Großen Preis der genannten Turniere hat der Gewinner den Anspruch bei insgesamt

vier Erfolgen hintereineander auf 2 Millionen Euro

drei Erfolgen hintereinander auf eine Million Euro

bei zwei Siegen hintereinander auf 500.000 Euro

bei zwei Siegen in der Serie nicht hintereinander auf 250.000 Euro

 

Die Serie beginnt jeweils für einen Grand Prix-Gewinner beim betreffenden Turnier der Reihe

Die von Rolex gesponserte Serie begann im Springreiten 2015, im gleichen Jahr sicherte sich der Brite Scott Brash auf Hello Sanctos als bisher einziger den Titel nach Siegen in Genf, Aachen und Spruce Meadows und die Extra-Prämie – neben den Sieggeldern in den einzelnen Prüfungen – von einer Million Euro. Hertogenbosch mit dem Turnier in den Brabanthallen kam erst 2018 dazu.

Nach dem stark angenommenen Grand Slam in der Vielseitigkeit 1999 wurde sechs Jahre danach der Grand Slam im Springreiten geschaffen. Als Vorbild dienten die traditionsreichen Grand Slams im Tennis (Internationale Meisterschaften von Australien in Melbourne, von Frankreich in Paris, von England in Wimbleodn und den USA in New York) und das Masters im Golf.

 

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