Dem Modernen Fünfkampf droht das Ende Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig/ NTV   
Dienstag, 01. November 2022 um 21:11

Sydney. Im Haus des Modernen Fünfkampfes tobt ein Machtkampf, der deutsche Präsident soll abgewählt werden. Es geht aber um mehr, es geht letzten Endes um den Verbleib im Olympischen Programm und letzten Endes um das Überleben der Sportart an sich.

Der Moderne Fünfkampf war in den letzten 50 Jahren oder länger jeweils einmal im Blickpunkt, bei Olympia, und dann nur in jenen Ländern, für die Athleten Medaillen gewannen. Danach versank die so schwierige und auch ziemlich eigenwillige Sportart jeweils in einen Dornröschenschlaf. Dass der Fünfkampf überhaupt olympisch wurde, ist dem französischen Erneuerer der Idee von Olympia, Baron Pierre de Coubertin, zu verdanken. Als Adeliger sah er sich auch seiner gesellschaftlichen Schicht und Stand verpflichtet, die im Militärischen wurzelte, und daraus entwickelte sich die Sportart Fünfkampf, „dass ein Meldereiter sein Pferd verliert, er sich mit einem Degen zu verteidigen hat, sich den Weg mit einer Pistole frei schießt, einen Fluss schwimmend überwindet und das Ziel in einem Dauerlauf erreicht“. Erstmals stand der Fünfkampf 1912 auf dem Olympischen Programm.

Die Olympischen Spiele in Tokio 2021 in Tokio waren vielleicht der vorletzte Auftritt auf der ganz großen Bühne für eine Sportart, die nicht dem Reiterweltverband (FEI) angeschlossen ist, sondern als eigenständige Föderation agiert. Und für alle Zeit wird die unglückliche deutsche Athletin Annika Schleu, die Einzelgold in Tokio schon fast in der Hand hatte, herhalten müssen für Verzweiflung, überzogene Berichterstattung und unqualifizierte Kommentare, gar für Tierquälerei, wozu wahrlich nicht der geringste Ansatzpunkt bestand. Sie musste in Tokio disqualifiziert werden, weil sie die Disziplin Springreiten nicht beendete.

Das ihr zugeloste Pferd war der Prüfung nicht gewachsen, hatte vorher bei anderen Reitern schon verweigert. Es wurde doch nie gefragt, warum der maßgebliche internationale Veterinär nicht einschritt und das Pferd aus dem Wettbewerberb nahm, und es wurde auch nicht untersucht, ob vielleicht der Parcours den Leistungen der Reiter oder Pferden nicht angepasst war. Am Ende gab es Sieger, vor allem aber eine Verliererin, nämlich Annika Schleu aus Berlin. Und bisher hat niemand von den deutschen oberen Verantwortlichen ihr zur Seite gestanden, obwohl sie längst vom Vorwurf der Tierquälerei freigesprochen wurde. Doch, sollte das Reiten aus der Prüfung genommen werden, wäre das eine Kastraktion des Wettbewerbs. Aus der Vieleseitigkeit könnte auch nicht die Dressur herausgenommen  werden, obwohl sie für viele Athleten das schwierigste Zwischenexamen darstellt.

Die Aktiven spüren, was droht, nämlich nach 2024 nicht mehr der sogenannten Olympischen Familie angehören zu dürfen. Und die Schuld wird festgezurrt vornehmlich am deutschen Präsidenten des Internationalen Verbandes, Klaus Schormann.

Dazu ein Bericht, der über NTV verbreitet wurde:

Der Australier Alex Watson will die Macht im Weltverband der Modernen Fünfkämpfer übernehmen. Den deutschen Präsidenten Klaus Schormann attackiert er scharf. Er sei "unfähig" und "verlogen" und müsse unbedingt zurücktreten.

Begleitet von schweren Vorwürfen gegen den amtierenden deutschen Präsidenten Klaus Schormann hat der Australier Alex Watson seine Kandidatur für den Vorsitz des Weltverbandes der Modernen Fünfkämpfer (UIPM) angekündigt. "Klaus Schormann sollte ehrenhaft zurücktreten", sagte der Australier am Montag auf einer Pressekonferenz, "und wenn er das nicht tut, sollte er abgewählt werden." Die Führung der UIPM nannte er unter anderen "unfähig" und "verlogen".

Watsons Motivation beruht nicht zuletzt auf der Abschaffung der Disziplin Springreiten im Fünfkampf. Nach den skandalösen Szenen bei Olympia in Tokio 2021, als die deutsche Fünfkämpferin Annika Schleu ein überfordertes Pferd nicht unter Kontrolle bekam, entschied die UIPM, stattdessen ein sogenanntes "Obstacle Race" angelehnt an die TV-Show "Ninja Warrior" einzuführen. Die Änderung erhielt beim UIPM-Kongress im Vorjahr eine Zustimmung von 82 Prozent.

"Das war ein demokratischer Vorgang", betonte Schormann im Gespräch und widersprach damit der Behauptung des britischen Olympiasiegers Joe Choong, der an der Seite von Watson erklärte, dass eine große Mehrheit der Athleten das Springreiten behalten wolle. Tatsächlich, so Schormann, sei die Änderung unabdingbar, damit der Moderne Fünfkampf über Paris 2024 hinaus olympisch bleibe. Es werde nun eine "neue Generation von Athleten" heranwachsen.

Der 65 Jahre alte Watson, dreimaliger Olympiateilnehmer und Leiter der Wettkämpfe bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney, glaubt dagegen, der Sport sei "ins Chaos" gestürzt und dessen Zukunft bei Olympia gefährdet worden. Schormann entgegnete, vielmehr ermögliche die UIPM nun "Menschen in aller Welt", die Sportart auszuüben und so zu retten. Auch Pierre de Coubertin als Erfinder des Modernen Fünfkampfs hätte sich "dem Zeitgeist nicht verschlossen".

Choong und Watson werfen Schormann dennoch vor, ohne die Einbeziehung der Sportler zu handeln. "Dieser Prozess ist nicht zu akzeptieren", sagte Choong: "Wir Athleten sollten mitreden dürfen. Dass es nicht so ist, bricht mir das Herz." Das "chaotische Missmanagement der vergangenen zwei Jahrzehnte" habe zur Streichung der Sportart aus dem olympischen Programm nach 2024 geführt, weil es der UIPM nicht gelungen sei, "die Reitdisziplin zu reformieren".

 

 

 

 

 

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