Alwin Schockemöhle begrüßt "progressive list"... Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Donnerstag, 03. Dezember 2009 um 19:54

 

Mühlen. In die rege und auch heftig geführte Diskussion um die „progressive list“, nach der u.a. auch das schmerz- und entzündungshemmende Phenylbutazon wieder verwendet werden kann, mischte sich nun auch der große deutsche Pferdemann Alwin Schockemöhle (72) ein. Zumal auch Ludger Beerbaum, Deutschlands Vorzeigereiter  meinte, damit könne er guten Gewissens leben. Der Weltreiterverband hatte mit 53:48 Stimmen der „progressive list“ zugestimmt.

 

Alwin Schockemöhle, auf der Generalversammlung in Kopenhagen wurde die 1996 eingeführte Null-Lösung im Turniersport wieder abgeschafft. Was sagen Se dazu?

 

AS: „Generell bin ich gegen jedes Doping, um Leistungen zu  manipulieren. Aber ich bin auch strikt dagegen, Pferden nicht helfen zu dürfen, weil ein Medikament nach dem heutigen Stand der Technik noch  - übertriebenerweise – bis in alle Zeit nachgewiesen werden kann, bis bald 20 Stellen hinter dem Koma, das hat nichts mehr mit Doping oder Medikation zu tun, das ist ja fast schon Schikane, um einem Reiter etwas anlasten zu können. In diesem Nanobereich kann doch niemand mehr von Medikation oder Doping reden, wenn er bei gesundem Verstand ist. Es müsste da auch nachgewiesen werden, dass in solchen Bereichen keine Wirkung mehr erzielt wird, das müsste auch ins Reglement aufgenommen werden. Aber Regelwerke werden ja bekanntlich von Menschen gemacht, oft von Schreibtischtätern, Theoretikern, meist auch von solchen, die selten in der Praxis echt drinstecken. Hier müsste der Weltverband auch ein- und durchgreifen.“

 

Ein Pferd kann nicht antworten...

 

AS: „Das ist die immer wiederkehrende Behauptung, ein Pferde könne ja gegen eine Behandlung keinen Einspruch einlegen. Ich sage aber nur: Hat man je einen Hengst gefragt, ob er kastriert werden möchte? Hat man schon mal gefragt, ob das Pferd eine Nasenbremse mag? - Nochmals zurück zur Null-Lösung: Einem Pferd müssen beispielsweise zwei oder dreimal im Jahr die Zähne geraspelt werde, um die Hakenbildung zu vermeiden. Doch erhält das sensible Tier ein Schmerzmittel – kann es längere Zeit nicht im Sport gehen, weil ja das eingesetzte Medikament nachgewiesen werden kann. Man könnte ja auch hingehen und sich sagen, lasse es doch zu Haken an den Zähnen kommen. Nur, wenn dann das Pferd durch einen Fehlbiss anfängt, aus dem Maul zu bluten, dann ist das Geschrei auch wiederum groß... Oder weiter: Wenn ich meinem Pferd wegen Husten oder Fieber etwas gebe, dann ist es möglicherweise nach ein paar Tagen wieder fit, aber starten auf einem Turnier kann ich das Pferd nicht, weil es bei einer Kontrolle sicher positiv getestet wird...“

 

Phenylbutazon, kurz Buta, darf wieder verabreicht werden, ist das in Ordnung?

 

AS: „Buta ist schmerzhemmend und entzündungshemmend, garantiert nicht schädlich,  wenn in kleinen Portionen verabreicht. Buta kann man doch nicht verdammen, wenn damit einem Pferd Schmerzen genommen werden. Ich kenne Pferde, die lebten mit täglichen Buta-Rationen 15 Jahre lang.“

 

Wie sollen Leistungspferde behandelt werden?

 

AS: „Wie Hochleistungssportler. Wenn ich sehe, wie beispielsweise beim Fußball manche schmerzverzerrt danieder sinken, wie der berühmte sterbende Schwan auf der Bühne, dann kommt der Doktor mit einer Tasche – gibt etwas aus einer Pulle, spritzt irgendetwas auf die Beine – und flugs springt der gerade schwer verletzte Spieler in die Höhe und läuft wie ein junges Reh, da kann mir auch keiner sagen, da wird nur mit Massageöl und Pfefferminztee  gearbeitet.. Auch Pferde müssen wie Hochleistungssportler behandelt werden. Auch Pferde sind wie jeder Sportler gegen Verletzungen anfälliger. Übrigens: Im normalen Sport wird gedopt, um bessere Leistungen zu erzielen – der verantwortungsbewusste Reiter lässt seinem Pferd im Krankheitsfall ein Mittel verabreichen, um ihm Schmerz zu nehmen oder ein Leid zu mindern, um es gesunden zu lassen. Sportpferde sind viel zu teuer, um sie nicht mit allen Mitteln zu hätscheln und zu pflegen.“

 

Ludger Beerbaum, nicht nur in Deutschland jemand, dem man zuhört. Er hat sich aus den Diskussionen bisher merklich zurückgehalten. Aufgrund eines Interviews, in dem er sagte und auch später dazu stand, er habe ausgeschöpft, was nicht gefunden werde, wurde er aus dem Kader ausgeschlossen...

 

AS: „Ich stehe voll auf Ludgers Seite, er hat ehrlich seine Meinung vertreten, er liegt damit richtig. Wenn ich manche Springreiter in Fernseh-Interviews höre, wie sie von der Null-Lösung geradezu schwärmen, da kommen mir oft arge Bedenken, dass noch nie einer etwas seinem Pferd gegeben habe. Obwohl ich nicht mehr direkt dabei bin, kenne ich mich aber immer noch sehr gut aus.“

 

Welche Länder plädieren inzwischen total für die Null-Lösung...

 

AS: „Meines Wissens sind das Schweden, Irland und Deutschland. Den deutschen Verband kann ich in vielen Situationen einfach nicht verstehen, wie zum Beispiel im Fall Christian Ahlmann. Nach Warendorfer Auffassung war er wegen der Anwendung des die Durchblutung fördernden Mittels  Capsaicin bei den Reiterspielen in Hongkong mit einer zu geringen Sperre von der FEI belegt worden. So zogen die Funktionäre vor das höchste internationale Sportgericht in Lausanne, das die Suspendierung um weitere vier Monate auf das Doppelte erhöhte – und die Medikation in Doping umwandelte. Nun frage ich mich, warum die gleichen Herren nicht auch im Falle von Isabell Werth vor den internationalen Gerichtshof zogen, um ebenfalls – diesmal sogar wegen erwiesenen Dopings – die Sperre drastisch nach oben schieben zu lassen... Für mich bleibt da nur ein Grund: Warendorf braucht Isabell Werth bei den Weltreiterspielen im nächsten Jahr in Kentucky, um gegen die Holländer, Briten und Amis  wenigstens eine Medaille zu gewinnen...“

 

Zur Person:

Alwin Schockemöhle

Geb. 29. Mai 1937

Wohnort: Mühlen

 

Deutscher Meister:         1961, 1963, 1967 und 1975

Europameisterschaften:1963 in Rom Einzel-Zweiter, Team-Dritter/ Ferdl

1967 Einzel-Dritter/ Donald Rex und Pesgö

1969 Einzel-Silber/ Donald Rex und Wimpel

1973 Einzel-Silber/ Donald Rex und Weiler

1975 Einzel- und Team-Gold/ Warwick Rex

Olympia:                             Mannschafts-Gold 1960 in Rom/ Ferdl

Mannschafts-Bronze 1968 in Mexiko City/ Donald Rex

Einzelgold/Team-Silber 1976 in Montreal /Warwick Rex

 

Dreimal Sieger im Deutschen Derby, dreimal Gewinner des Großen Preises in Aachen,

50 Nationen-Preise, er gilt als einer der größten Horsemen der letzten 50 Jahre in der Welt.

 

 

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