"Deutschland hat sich nicht weiter entwickelt" Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Donnerstag, 24. September 2009 um 16:25

 

Hooge Mierde/ Niederlande. „Deutschlands Dressur hat sich nicht weiterentwickelt – und wir in Holland müssen aufpassen, um nicht arrogant zu werden nach den Erfolgen der letzten Europameisterschaft in Windsor, wie früher die Deutschen bei ähnlichen Ergebnissen.“ Klare und deutliche Worte des früheren Weltcup-Direktors Dr. Joep Bartels (63), auf dessen Ideen letzten Endes der Aufschwung der niederländischen Dressur beruht, dank auch Sponsoren mit Millionen-Beträgen.

 

Als Teilhaber Dr. Joep Bartels 1997 das  Turniersport-Vermarktungsunternehmen „BCM“ verließ, hatte er rasch wieder einen neuen Job. Die niederländische Rabobank bat wenig später den Journalisten und studierten Psychologen, „etwas zu entwickeln für eine Sponsortätigkeit des Geldinstituts, zunächst vor allem auf ländlicher Ebene“ (Bartels). Ein Jahr lang machte Bartels nichts anderes, als herumzufahren und mit allen möglichen Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft Gespräche zu führen, auch mit den einzelnen Sportverbänden. Aus der Gesamtheit der gedanklichen Strömungen entstand die Idee zum „Talentschuppen“, nicht nur im Reiten, auch mit  Auslegern im Fußball, Radsport, Volleyball oder im Tennis der Niederlande.

 

Erstes „Talent des Jahres“: Gerco Schröder

 

Vor zehn Jahren hatte das Projekt Premiere. Zum ersten „Talent des Jahres“ im Reitsport wurde 1999 der damals 21 Jahre alte Springreiter Gerco Schröder gewählt, 2006 in Aachen mit dem holländischen Team Weltmeister und zwölf Monate später in Mannheim Mannschafts-Europameister.

 

In jedem Jahr werden rund 700 reitsportbegeisterte Kinder gesucht, von denen kommen 200 in Trainingszirkel im Winter mit taktischer und psychologischer Schulung beispielsweise. Die größten Talente werden weiter intensiv betreut, nicht nur von Reitsportpädagogen, auch von Könnern aus anderen Sparten wie dem Volleyball, Tennis oder Fußball. Zum Programm  gehören zudem Besuche in namhaften Reitställen, so war die Gruppe mit Joep Bartels vor ein paar Jahren auch beim deutschen viermaligen Olympiasieger Ludger Beerbaum in Riesenbeck, der nicht nur seine Pferde zeigte, sondern auch sein Management für Training und Turnierbesuch erklärte. Inzwischen wurde die Idee als das "erfolgreichste Talentprojekt der Niederlande" vom Nationalen Olympischen Komitee des Landes  ausgezeichnet.

 

„Holland ist fünf Jahre weiter“

 

Joep Bartels, Dressur-Weltcupdirektor von 1985 bis 2004, sagt: „Deutschland hat sich nicht weiter entwickelt. Während in Deutschland die reichen, dressurinteressierten Eltern immer noch ein Monopol besitzen, nämlich entsprechendem Portemonnaie den Kindern entsprechend die besten Pferde zu kaufen, auch wenn es am Talent mangele, gehen wir in Holland schon länger andere Wege. Nämlich die: Gute Pferde an gute Reiter. Das ist deshalb möglich, weil auch Sponsoren mitziehen. Pferde könnten somit auch leichter im Land gehalten werden.“ So seien die neuen Europameister Edward Gal und Adelinde Cornelissen nur deshalb ganz nach oben gekommen, „weil ihre Talente gefördert wurden.“ Beide wären selbst nicht in der Lage gewesen, sich über die Eltern entsprechend nach oben hieven zu lassen, Doppel-Europameister Edward Gal ( habe beispielsweise als kleiner Pfleger im Stall von Anky Van Grunsven und deren Ehemann Sjef Janssen begonnen, „er hatte nichts – nur Talent“ (Bartels). Talente wiederum würden auch zu den besten Trainern geschickt, auf der anderen Seite werde in Holland auch alles unternommen, „um zusätzlich die Trainer weiter zu schulen“.

 

Seine Frau Tineke (58), selbst Medaillen-Gewinnerin bei Olympischen Spielen und Championaten, sagt: „Wir in Holland sind inzwischen fünf Jahre weiter als alle anderen. Nur - die meisten haben das noch gar nicht gemerkt.“ Während sonst wo noch weiter diskutiert werde über Trainingsmethoden und klassische Reiterei, was auch immer der einzelne darunter verstehen mag, „haben wir in der Niederlande auf der klassischen Reiterei natürlich auch aufgebaut, aber alles zusätzlich weiter entwickelt“, so Joep Bartels. In Deutschland, das merkt er auch an, werde außerdem ganz einfach der Nachwuchs vernachlässigt.

 

Zwei Millionen Euro und mehr...

 

Eine gewisse Hochnäsigkeit wirft Joep Bartels den Deutschen ebenfalls vor. Beispiel: Auf seiner Anlage wird jedes Jahr ein Forum der Dressurtrainer und –reiter abgehalten. Jeweils 300 Interessierte treffen sich. Bartels: „Aus Deutschland kamen zunächst viele, dann immer weniger,  vor zwei Jahren noch zwei oder drei, beim letzten Mal gar keiner mehr. Dafür melden sich jedes Jahr immer mehr andere an, wie in letzter Zeit verstärkt Chinesen.“

 

Das Holland-System, so rühmt Joep Bartels, sei bisher einmalig in der Welt. Der Aufstieg zur führenden Dressur-Nation der Welt ist Beleg genug. Dahinter steckt natürlich auch Geld. So überweist die „Rabobank“ dem NL-Verband jährlich eine Million Euro, eine weitere Million geht an Sponsorengelder an verschiedene Turniere, unterstützt werden außerdem zusätzlich kleine Veranstaltungen. „Aber“, das gibt Joep Bartels auch zu verstehen, „wir müssen nun aufpassen, um nicht arrogant zu werden nach dem kompletten Erfolg bei der EM in Windsor, wir müssen hart weiterarbeiten...“

 

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