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Kritische Gedanken über: Der Sport berichtet in Zukunft über sich selbst... PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Christof Gertsch in Neue Züricher Zeitung/ DL   
Dienstag, 16. Dezember 2014 um 19:03

Zürich. Fußballklubs haben ihr Fernsehen, Verbände ihr Online-Magazin, Randsportarten ihren Web-Channel: Der Sport versucht sich als Medienakteur und kontrolliert zunehmend erfolgreich, welche Inhalte transportiert werden. Wird der kritische Sportjournalismus abgeschafft?

 

 

Anlässlich der Fußball-WM diesen Sommer zeigte das Schweizer Fernsehen jeden Tag einen Beitrag, der einem das Gastgeberland Brasilien näherbringen sollte. Zu sehen waren schöne Strände, glückliche Menschen, fast schon idyllische Favelas. Eine einzige Lobeshymne. Von Schattenseiten keine Spur. Nicht von generellen Schattenseiten des Landes. Und schon gar nicht von Schattenseiten, die die WM nach Brasilien gebracht hatte. Protestkundgebungen? Unfälle auf WM-Baustellen? Nichts.

 

Was das SRF (Schweizer Fernsehen, d.R.) dem Publikum vorenthielt: Die Berichte waren von der Fifa produziertes Propagandamaterial. Um an die Übertragungsrechte der WM zu gelangen, hatte sich das SRF, wie andere TV-Stationen auch, verpflichtet, die Sendungen auszustrahlen. Erst die Plattform Infosperber.ch brachte das SRF dazu, die verhängnisvolle Verstrickung einzuräumen. Kurz zuvor hatte der SRF-Sportchef Urs Leutert der «Aargauer Zeitung» gesagt: Der Trend zur totalen Kontrolle durch die Fifa und andere Fußballverbände sei an «einem problematischen Punkt» angelangt.

 

Der Trend ist tatsächlich zu beobachten, nicht nur in der Fifa. Zunehmend versucht der Sport, die Kontrolle über die Berichterstattung zu erlangen – oder die Berichterstattung gleich selbst zu übernehmen. Das Konzept stammt aus der Werbebranche und heißt «Owned Media». Der Begriff steht für Kanäle, die von Firmen bereitgestellt werden: Kundenmagazine, Homepages, Social-Media-Auftritte. Das Gegenstück ist «Paid Media», also Zeitungsanzeigen, Werbebanner im Internet, TV-Spots.

 

Laut einer McKinsey-Studie von 2012 wird die deutsche Wirtschaft ihr Budget für bezahlte Werbeplätze bis 2015 nur um 0,7 Milliarden Euro steigern, jenes für eigene Informationskanäle aber um 4,5 Milliarden Euro.

Warum herkömmliche Werbung schalten, deren Effekt fraglich ist, wenn man die Geschichten selber kreieren und verbreiten kann? Warum das Produkt durch den Flaschenhals der Medien zu vermitteln versuchen, die die Botschaft allenfalls noch kritisch betrachten, wenn man selber Medienakteur sein kann?

Bis auf den letzten Tropfen

Das wohl prägendste Beispiel für diese Entwicklung stellt Red Bull dar – eine Firma, die eigentlich ein Getränk herstellt, durch ihre Engagements aber selber eine Art Sportinstitution geworden ist. Ihr bisher größter Coup war die Aktion mit dem Stratosphären-Springer Felix Baumgartner, der im Oktober vor zwei Jahren aus 39 000 Metern Höhe aus einer Kapsel sprang und zurück zur Erde flog, ein Sturzflug im wahrsten Sinn, sehr verrückt.

 

Auf der ganzen Welt saßen viele Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer vor ihren TV-Geräten, zuvor waren sie von einer ausgeklügelten Marketingstrategie an das Abenteuer herangeführt worden. Baumgartner war nur ein Rädchen in einer 50 Millionen Euro teuren Maschinerie, angetrieben von der Firma, die sich einen zweifelhaften Namen darin gemacht hat, immer wahnwitzigere Projekte von Extremsportlern nicht nur zu unterstützen, sondern zu initiieren. Und zu inszenieren. Und auf den hauseigenen Medienkanälen bis auf den letzten Tropfen auszuschlachten.

 

Red Bull ist extrem. Aber Red Bull ist nicht allein. Die Fifa, die Uefa, jetzt auch das Internationale Olympische Komitee (IOC): Die größten Sportverbände der Welt versuchen, sich das Prinzip von «Owned Media» zu eigen zu machen. An einem Kongress Anfang Woche beschloss das IOC, bis 2017 einen Web-Channel einzurichten, das Budget soll mehrere hundert Millionen Euro betragen. Förderer ist der IOC-Präsident Thomas Bach, der bis vor einem Jahr Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) war – und dort ein ähnliches Konzept in die Wege geleitet hat. Seit diesem Sommer ist Sportdeutschland.tv online. Die Idee ist, Bewegtbilder von Sportarten zu verbreiten, für die sich kein TV-Sender interessiert. Es gibt Live-Sport, Zusammenschnitte, Magazine – alles unter dem Dach der DOSB New Media GmbH. Das Angebot ist schier grenzenlos und reicht von Volleyball und Basketball über Tischtennis und Judo bis zu Rettungsschwimmen und Skateboarden. Der Geschäftsführer Oliver Beyer hört sich ganz begeistert an, wenn er sagt: «Diese Vielfalt des Sports – wer deckt die sonst noch ab?»

 

So weit ist das Projekt des IOC noch nicht. Unklar ist etwa, in welchem Umfang die Ausstrahlung von Archivmaterial und Magazinen bei der Lancierung des Channels mit Live-Events ergänzt werden soll. Aber schon jetzt kann gesagt werden, dass das IOC einen Weg beschreitet, der Gefahren birgt. Nicht für das IOC, natürlich nicht, sondern für die freie Meinungsbildung. Was, wenn das IOC irgendwann die komplette Berichterstattung von den Olympischen Spielen übernimmt? Klingt utopisch, weil die Haupteinnahmequelle des IOC zurzeit die Gelder aus den lukrativen TV-Verträgen sind – aber wäre nur konsequent.

 

Show ohne Aufpasser


Man muss sich dazu lediglich noch einmal das Beispiel von Red Bull vor Augen führen. Die Firma investiert knapp ein Drittel ihres Jahresumsatzes von 4 Milliarden Euro ins Marketing, ihr gehören Fussballklubs und Formel-1-Teams, sie veranstaltet Extremsport-Events und sponsert 500 Athleten in fast 100 Disziplinen. Aber sie verlässt sich nicht darauf, dass die Medien ihre fröhliche Botschaft transportieren, im Gegenteil. Sie hat es nicht mehr nötig, Journalisten auf Pressereisen mitzunehmen oder öde Mitteilungen zu verschicken – sie ist ihr eigener Berichterstatter. Unter dem Dach von Red Bull Media House sind 500 Angestellte beschäftigt, die nichts anderes tun, als Medieninhalte zu produzieren: hochwertige Actionsport-Filme, ein Print-Magazin mit Millionenauflage in fünf Sprachen, TV-Sendungen. Das Material ist so gut, dass sich öffentlich-rechtliche TV-Stationen und andere Medienhäuser massenweise daran bedienen. Red Bull stellt es ihnen gratis zur Verfügung. Mit der im Kleingedruckten vermerkten Bedingung, dass im Zusammenhang mit dem jeweiligen Beitrag nicht negativ über Red Bull berichtet werden dürfe. Das ist medienethisch fragwürdig. Also nicht das Vorgehen von Red Bull – die Firma darf tun, was sie will –, aber der Umstand, dass Red Bull in der Medienwelt so viele Abnehmer findet.

 

Kurz gesagt: Es gibt verschiedenste Ausprägungen von «Owned Media» im Sport. Es gibt das IOC mit seinem Web-Channel, der vorläufig nur dazu dienen soll, den olympischen (Rand-)Sportarten auch zwischen Olympischen Spielen etwas Aufmerksamkeit zukommen zu lassen; es gibt die Firma Red Bull, die Sportgeschichten erfindet und verbreitet, um die eigene Marke zu stärken; es gibt die Fifa mit ihren TV-Formaten und ihrem wöchentlich erscheinenden, auch online abrufbaren Magazin, das Zugang zu den Stars hat und darum Verbreitung findet, in dem aber natürlich keine Fifa-Kritik geduldet ist; es gibt Fußballklubs mit eigenem Vereins-TV, Athleten mit eigenen Online-Magazinen (siehe unten); und es gibt ganze Ligen, die ihre eigenen Programme ausstrahlen, meistens in Form eines Internet-Streams. Sei’s, um noch mehr Geld zu verdienen wie etwa die Profi- und Collegesport-Ligen in den USA. Sei’s, um nicht so populären Sportarten wenigstens eine klitzekleine Art von medialer Abdeckung zukommen zu lassen wie eben der DOSB-Channel.

 

All diese Variationen haben gemein, dass erst das Internet sie ermöglicht hat. Zuvor waren technische, finanzielle oder juristische Hürden zu hoch gewesen. Und egal, welchen Zweck sie letztlich verfolgen: Alle Angebote vereint, dass sie erlangen, was früher das Hoheitsgebiet des Journalismus war – die Macht über Botschaften, Bilder, Bemerkungen. Man muss deswegen nicht gleich das Ende des Sportjournalismus heraufbeschwören. Und es ist sicher wahr, dass die Entwicklung zu einer neuen Reichhaltigkeit führt, wie es Oliver Beyer sagt. Übertragungen von der Surf-WM, dem Mountainbike-Weltcup, von Snowboard-Contests in den USA gibt es in der Schweiz nur zu sehen, weil sich die Veranstalter auf ihren Websites einen Live-Stream leisten. Aber man kann festhalten, dass Grenzen verschwimmen, wenn Akteure zu Berichterstattern werden. Man kann sich fragen, wie hausinterne Kanäle mit Krisensituationen umgehen – mit einem Dopingfall, mit randalierenden Fans, mit einer Trainerentlassung. Und man muss noch gar nicht vom Schlimmsten ausgehen, um den Trend zumindest infrage zu stellen. Schon jetzt gibt es Fußballvereine, die den Zugang zu ihren Stars den eigenen Medienprodukten vorbehalten. Und schon jetzt gibt es an Fifa-, UEFA- und IOC-Wettkämpfen Mixed-Zonen, in denen die normalen hinter den Verbandsjournalisten anstehen müssen in der Hoffnung, irgendein Sportler sage ihnen irgendwann dann auch noch etwas.

Mit jedem Schritt, den der Sport in diese Richtung geht, steigt die Gefahr, dass ihm die kritische Begleitung abhandenkommt. Mag sein, dass ihn das gar nicht stört. Vielleicht will er ja werden, was er in Teilen schon ist: eine gigantische Show ohne Aufpasser. Ein Unterhaltungsbetrieb ohne Störefriede.

 

Übrigens: Schon gehört? Felix Baumgartner ist seinen Rekord los. Der Amerikaner Alan Eustace flog diesen Oktober aus einer Höhe von 41 000 Metern zurück zur Erde. Nicht gehört? Grämen Sie sich nicht. Kaum jemand hat von Eustace Notiz genommen. Eustace hatte absichtlich kein Aufhebens um sich gemacht, weil er seinen Versuch in den Dienst der Wissenschaft stellen wollte, nicht in den Dienst der Unterhaltung…

 


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