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Erinnerung an den ersten und letzten Distanzritt über fast 600 km PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Sonntag, 04. Januar 2015 um 17:38

Freiherr von Reitzenstein auf der Vollblutstute Lippspringe Zweiter

 

Wassenberg. Distanzreiten genießt wahrlich nicht einen guten Ruf, nicht zuletzt durch Dopingfälle, tödliche Unfälle wie zuletzt bei den Weltreiterspielen in der Normandie. Der erste und bisher einzige Distanzritt dieser Größenordnung fand 1892 statt. Von Berlin nach Wien oder umgekehrt von Wien nach Berlin über rund 575 km – ohne Rast.

 

 

Mitte des 19. Jahrhunderts entschied die Kavallerie nicht mehr über den Ausgang einer militärischen Auseinandersetzung. Die Technisierung der Waffengattungen hatte die berittenen Einheiten zur Seite gedrängt. Doch man brauchte den Soldat zu Pferde dennoch. Als Meldereiter, Überbringer von Nachrichten, Aufklärung oder Sicherung. Das verlangte andere Anforderungen auch an das Pferd, die Heere benötigten Pferde mit Ausdauer, von Schnelligkeit und als Geländegänger. Die Zucht stellte sich um auf Pferde mit höherem Blutanteil, auf das heutige Warmblut, damals „Halbblut“ genannt. Das englische Vollblut und der Araber wurden eingekreuzt in die damalig bekannten Zuchtlinien. Und so wurde dann auch logischerweise die Frage aufgeworfen, wo die Leistungsgrenzen liegen könnten bei Reiter oder Pferd.

 

Nach dem Friedensschluss zwischen Preußen und Österreich-Ungarn 1866 kam es zur gemeinsamen Idee der inzwischen befreundeten Heere von Deutschland und Österreich-Ungarn. Genaue Überlieferungen fehlen, wie die Idee entstand, ob an einem Casino-Abend oder wo auch immer. Jedenfalls irgendwer auch immer unterbreitete den Vorschlag zu einem Distanzritt von Wien nach Berlin oder Berlin-Wien. Wie im Programmheft der Deutschen Meisterschaften der Kavallerie im letzten Jahr geschildert, wurde die Ausschreibung im März 1892 gemeinsam ausgearbeitet und veröffentlicht. Die Schirmherrschaft zum Großen Distanzritt Berlin-Wien übernahmen die Monarchen Wilhelm II und Franz Joseph von Österreich. Die Deutschen hatten in Berlin zu starten, die Österreich-Ungarn von Wien aus.

 

Die Regeln:

 

++ Start der betreffenden Reiter in der jeweiligen Hauptstadt, Ziel in der jeweiligen Hauptstadt des Partnerlandes

 

++ Überwindung der Strecke von circa 600 km in großer Schnelligkeit mit dem gleichen Pferd ohne Ruhetag in höchstens sechs Tagen

 

++ Zugelassen waren alle aktiven Offiziere beider Länder auf Pferden jeder Herkunft ohne Gewichtsausgleich, die Pferde durften auf der Strecke geritten oder geführt werden

 

++ Führpferde und begleitende Reiter zu Pferde verboten

 

++ Start am 1. Oktober 1892 nach „Los“ bis 12 Uhr Mittags, Verteilung weiterer Starter auf dem Folgetag

 

++ Ausrüstung: Uniform. Die Österreicher und Ungarn auf Befehl Franz Josephs mit Säbel

 

++ Nenngeld: 100 Reichsmark, 1. Preis 20.000 Reichsmark, dann gestaffelt.

 

++ Ehrenpreis der Monarchen

 

++ Eigener Konditionspreis über 5.000 Reichsmark für den Reiter, dessen Pferd in der besten Verfassung ins Ziel kommen sollte

 

In Deutschland meldeten 121, in Wien 109 Teilnehmer. Favoriten waren die Reiter aus Österreich-Ungarn auf ihren Halb- und Vollblütern. Sie galten auch als die besseren Reiter. Man rechnete mit einer Bestzeit von etwa 81 Stunden. Als Erster traf am 4. Oktober in Berlin der ungarische Oberleutnant Artur von Miklos ein, nach 74 Stunden und 24 Minuten. Am gleichen Tag kam in Wien der erste Deutsche mit zehn Stunden mehr an.

Prinz Leopold von Preußen kam am 4. Oktober 1892 als erster deutscher Teilnehmer in Wien an

(Fotos aus dem Buch "Der große Distanz-Ritt Berlin-Wien von E. von Naundorff)

 

Am 5. Oktober erreichte Graf Starhemberg vom 7. Husaren-Regiment auf dem Vollblut-Wallach Athos nach 71 Stunden und 26 Minuten das Ziel in Berlin. Nicht weniger als 19 Reiter aus Österreich-Ungarn lagen an der Spitze. Die deutschen Reiter kannten nun jedoch die Zeiten der Österreicher und Ungarn und orientierten sich daran. Die Zeiten wurden auf Seiten der Berlin-Starter besser. Eine Sensation kündigte sich gar an, wie damals berichtet wurde, denn Freiherr von Reitzenstein, Oberleutnant im preußischen Kürassier-Regiment Nr. 4, lag auf der Vollblutstute Lippspringe 40 km vor Wien an erster Stelle. Doch im plötzlich aufgekommenen Nebel verreitet er sich um 20 km, er kommt nach insgesamt 73 Stunden und sechs Minuten ins Ziel. Die Stute legt sich unmittelbar nach dem Ende der Strecke ermattet hin auf den Asphalt,

 

Laut Bericht bleibt das Pferd mehrere Stunden liegen. In der heutigen Zeit ein Unding, doch auch Hinweis darauf, warum das Distanzreiten auch über 100 Jahre später in einer weitaus sensibleren Epoche für Tiere kaum Anklang findet, wohl nicht umsonst zurückzuführen auf Dopingfälle der arabischen Distanzreiter mit permanent fast programmierten Spitzenrängen.

 

Von Reitzenstein wird Zweiter der Endwertung, seine Stute Lippspringe geht an einer Lungenentzündung ein. Auch das Gewinnerpferd Athos verendet kurz nach dem Wettbewerb. Der Wallach hatte sich unterwegs eine leichte Beinverletzung zugezogen, Todesursache: Wundstarrkrampf.

 

Insgesamt erreichte ein Drittel der Starter das Ziel, aus Berlin kamen 17 in Wien an, aus Wien 25 in Berlin. Viele verritten sich vor allem nachts. Die Durchschnittszeit lag bei den Österreichern bei 91, bei den Reitern aus dem Deutschen Reich bei 97 Stunden. Am besten schnitten Reiter auf Blutpferden ab, die Durchschnittszeit im Sattel oder geführt lag bei 55 bis 70 Stunden, der Sieger benötigte für Pausen nur insgesamt elf Stunden. Er war auch am besten vorbereitet, taktisch klug ging er den Ritt an, er schlief die drei Tage nicht. Sein Preisgeld umgerechnet auf Euro: Rund 100.000 €. Die Pferde waren 400 km nach dem Start noch einigermaßen fit, nach 600 km nur noch einige. Ein solcher Wettkampf fand nie mehr eine Fortsetzung.

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Näheres über die Kavallerie und das historische Reiten erfahren Sie unter www.kavallerie.net


 


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