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Erinnerung an einen großen Dressur-Ausbilder - Dr. Uwe Schulten-Baumer PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Freitag, 01. Juli 2016 um 19:01

 

In der Nähe von Pferden fühlte sich der Doktor am besten... auf dem Foto mit Gigolo

(Foto: Jacques Toffi)

 

Fritzens. Wie kaum anderer gab Dr. Uwe Schulten-Baumer der Dressur eine neue Richtung. Wie kaum jemand anderer beschäftigte er sich so intensiv mit dieser einzigartigen Möglichkeit, die Schönheit eines Pferdes in der Bewegung voll zu Geltung bringen zu können...

 

Er war der Mann, der die Dressur-Champions machte, Er, Dr. Uwe Schulten-Baumer. Und Dressur war wie eine Droge für ihn. Er sah diese faszinierende Disziplin völlig anders als die meisten, Dressur war Schönheit in Bewegung. Farben, Geschlecht, alles spielte bei ihm keine Rolle. Er sah sich letzten Endes wie einen Bodybuilder, der die Muskeln eines Pferdes durch Training, nicht durch Mittelchen aufbaute und herausholte – um dadurch das Kunstwerk Dressur erschaffen zu können.

 

Der „Doktor“, wie in die Dressurwelt und auch neben dem Viereck kannte und nannte, war immer anders als andere. Doch er wird für immer ein fester Begriff in der Dressur bleiben, eine wahre Größe. Der frühere große Pferdemann und Landstallmeister Dr. Gerd Lehmann schrieb ihm mal in einem Brief unter anderem, er habe sich verschiedener unterschiedlicher Pferde angenommen, „denen andere nicht gewachsen waren“. Und weiter schrieb er: „Mit Nicole Uphoff und Rembrandt haben Sie Maßstäbe gesetzt.“ Er habe einer anderen Reitweise zum Durchbruch verholfen und Neugier auf diese Sportart geweckt. Der Doktor hat ganz einfach die Dressur revolutioniert.

 

Grüne Ampeln – alles wird gut...

 

Abergläubisch war er immer. Und wenn er früher zum Turnier fuhr und die Ampeln standen jeweils auf „rot“, dann wäre er am liebsten umgekehrt. Doch an jenem 23. Mai 1987 in Lausanne hatte er ständig freie Fahrt bis zum Turnierplatz, „da konnte nichts mehr schief gehen“, sagte er danach. Es war der Tag, dass Nicole Uphoff erstmals und auch endgültig mit dem sensiblen Wallach Rembrandt die Dressurwelt erstaunte und verblüffte. So dass die Schweizer Olympiasiegerin und frühere Weltmeisterin Christine Stückelberger geradezu ungläubig fragte. „Wer ist die denn?“ Lausanne, Nicole Uphoff, Rembrandt – Dr. Uwe Schulten-Baumer war endgültig dort auch öffentlich angekommen, wo er sich selbst längst sah. Nun wurde seine Arbeit offen anerkannt.

 

Rembrandt musste sich erstmals strecken

 

Schulten-Baumer gilt auch fälschlicherweise als Erfinder der sogenannten „Rollkur“ in Zusammenhang mit der Ausbildung des königlichen Wallachs Rembrandt. Er sagte später: „Ich habe Rembrandt die Angst genommen, ihn zum Schwingen gebracht. Der Wallach musste sich erst einmal strecken lernen, er hatte ja zunächst immer nur den Kopf ganz oben.“ Auf Rembrandt hatten sich vorher auch die Reitmeister Fritz Tempelmann und Klaus Balkenhol versucht, nicht gerade glücklich.

 

Uwe Schulten-Baumer hatte sich alles selbst erarbeitet. Landwirtssohn aus Mülheim, gelernter Kaufmann, Abitur nachgeholt, Volkswirtschaft studiert und promoviert mit der Arbeit „Verlauf der Kostenkurve der Zementindustrie“, später im geschäftsführenden Vorstand des Roheisenverbandes, ganz oben zum Schluss. Und auch im Sport hatte er alles erreicht, mit Fleiß, Hirn, dass der zweimalige Springreiter-Olympiasieger und Horseman Alwin Schockemöhle über ihn sagte: „Uwe Schulten-Baumer, der spielte immer in seiner eigenen Liga. Ich kannte keinen, der ihm das Wasser reichen konnte.“

 

Blanko-Scheck abgelehnt...

 

Man kann nicht sagen, er wäre ein geselliger Typ gewesen. Er mochte keine Menschenmengen, hasste Enge. Echte Freundschaft war für ihn ziemlich unumstößlich, doch wirkliche Freunde hatte er nur wenige. Zunächst legte er keinen großen Wert darauf, im Alter hatte er Angst, alleine zu sein. Er liebte helle Farben, zuhause bei ihm in Rheinberg war alles weiß getüncht, die Stallungen, das Haus, die Mauern. Er betete die Selbständigkeit an. Vor vielen Jahren fragte ihn ein mehr als wohlhabender Unternehmer aus der Nähe von Frankfurt/ Main, ob er nicht seinen Sohn trainieren wolle und schob einen Blankoscheck nach mit der Bemerkung, er solle einen Betrag nach seinem Gusto eintragen. Schulten-Baumer lehnte ab.

 

Der Reitmeister, zweimal „Trainer des Jahres“, sah Pferde anders als andere, er blickte in sie hinein, erkannte meist früher als andere das anstehende Potential, natürlich hat er sich auch mal vertan. Als Beispiel für sein Gespür für Champions stehen neben vielen Gigolo und Satchmo. Gigolo, das erfolgreichste Dressurpferd der Welt, kaufte er seinem Sohn Uwe ab, Satchmo erwarb er 1996 zweieinhalbjährig auf dem Hengstmark in Verden für 85.000 Mark. Bei einem solchen Preis für ein derart junges Pferd gehört mehr als Mut dazu, doch ganz simpel: Überzeugung. Auf Gigolo wurde Isabell Werth eine Dressurkönigin, Satchmo festigte den Thron von Isabell Werth mit zwei Titeln bei den Weltreiterspielen 2006 in Aachen und nochmals Team-Gold bei Olympia 2008 in Hongkong. Isabell Werth und er, das war wie eine Ehe. Als die Zusammenarbeit zerbrach, litt er fürchterlich.

 

Nicht nach Abstimmung – nicht nach Farbe

 

Der Doktor ging nie nach Abstammung und nicht nach Farbe, er versuchte, das Pferd immer als Ganzes zu sehen. Und er kaufte vorwiegend auf Auktionen, „weil dort die Pferde so vorgestellt werden, alles zu zeigen, was in ihnen steckt.“ „Losgelassenheit, Zufriedenheit, Aufmerksamkeit und Freude – das sind die Geheimnisse zum Erfolg“, sagte er, und: „Man muss immer mit – nie gegen das Pferd arbeiten“, so sein Credo, „das Pferd muss über den Rücken schwingen.“ Und er sagte, Pferde seien wie Menschen genauso stressanfällig, „daher müssen sie auch seelisch locker werden.“ Das Pferd müsse verstehen, „was der Reiter will, erst dadurch wird eine Verständigung ermöglicht.“

 

Keiner hat mehr Pferde in den großen Sport gebracht als er, der in den Neuanfängen des CHIO von Deutschland als Springreiter in den Parcours in der Aachener Soers einritt, „und dabei flogen manchmal auch die Stangen ganz schön durch die Gegend“, wie sich Inge Theodorescu, Mutter von Olympiasiegerin Monica, erinnerte, „meist war es so: Entweder das Holz brach – oder er gewann auf seiner Stute Senta.“

 

Blick und Gefühl für Potenzial“

 

Als Coach brachte er seine Tochter Alexa heraus, seinen Sohn Uwe, heute Chefarzt im niederbayerischen Eggenfelden, der deutscher Meister, Vizeweltmeister, Europameister war, er unterrichtete die französische Olympia-Zweite Margit Otto Crepin („niemand machte sich so viele Gedanken über die Ausbildung wie er“), Nicole Uphoff und danach Isabell Werth aus der Nachbarschaft. Die spätere Juristin vollendete sein Lebenswerk 1996 in Atlanta, als sie auf dem wahrlich nicht gerade als Beau auffallenden Fuchs Gigolo nach Teamgold auch noch den Olympiasieg in der Einzelwertung errang.

 

Sohn Uwe Schulten-Baumer, dem 1978 in Goodwood und zwei Jahre später ebenfalls vor Schloss Goodwood House in England jeweils auf Slibowitz um einen einzigen Punkt erst die Weltmeisterschaft und danach der Erfolg beim Ersatz-Olympia für Moskau 1980 versagt blieb, sagt über seinen Vater: „Er hatte das Gefühl für das Potenzial eines Pferdes, den entscheidenden Blick, und er konnte jedes Pferd entsprechend seiner Begabung einstellen und trainieren. Vor allem soll festgehalten werden: Reiten war nicht sein Beruf, sondern Leidenschaft. Er musste sich also nicht für Kunden verbiegen.“

 

Passgänger – ungeeignet für Dressur

 

Dr. Uwe Schulten-Baumer sagte oft: „Pferde, die im Schritt Pass gehen, sind für Dressurwettbewerbe nicht geeignet.“ Oder: „Das Spitzenpferd einer Auktion ist sicherlich nicht für jeden Reiter und jeden Zweck auch das ideale Pferd.“ Beruf war der Gelderwerb, Pferde blieben sein Leben. Er ärgerte sich über den inzwischen fast von jedermann vereinnahmten Begriff der Klassischen Reitlehre, „denn keiner kann mir genau erklären, was es mit der absoluten klassischen Reitkunst auf sich hat. Was vor 50 Jahren als klassisch galt, hat heute keinen Bestand mehr. Wie überall im Leben hat sich auch das Reiten weiterentwickelt.“ Und er sagte: „Wissen in diesem Sport genügt nicht, es gehört auch blinde Passion dazu...“

 

Er starb im Alter von 88 Jahren am 28. Oktober 2014 in einem Krankenhaus in seiner Heimatstadt Rheinberg an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Seine Frau Eva sagt, sein letzter Wunsch im Krankenhaus war „ein Bier und ein Korn“, das Bier habe er getrunken, „den Korn ich…“


 

Der Doktor mit den berühmten gelben Hosenträgern am Viereck

(Foto: Jacques Toffi)


Sein letztes Interview - oder:

Ein Leben mit Pferden…

 

Anfang Dezember 1998 kam Besuch aus Warendorf. Gleich in einem doppelstöckigen Bus waren Mitglieder des „Fördervereins der Reiter“ aus dem dortigen Kreisgebiet angebraust, um einmal direkt neben Dr. Uwe Schulten-Baumer bei der Trainingsarbeit zu stehen. Nicht eben jeder konnte einfach so daherkommen, um dem „Doktor“, wie er überall genannt wird, über die Schulter zu gucken und seine meist knappen Anweisungen zu hören. Auch da war er eigen. Und nichts hasste er zudem mehr, als in der Konzentration gestört zu werden.

 

Bei Kaffee und Schnittchen meinte jemand feststellen zu müssen, um eine solche Anlage aufzubauen, zu unterhalten und solche Pferde zu kaufen, müsse man ganz einfach reich sein. Darauf Schulten-Baumer: „Ich war nie reich. Ich komme aus ganz einfachen Verhältnissen. Doch schon als kleiner Junge war ich versessen darauf, ans Pferd zu kommen. Auf dem Nachbarshof habe ich Pferde geputzt, um reiten zu dürfen.“ Und weiter erzählte er in leichtem Plauderton: „Man muss im Leben etwas wollen. Bei mir war es so, dass ich immer in Pferde vernarrt war, ich wollte immer einen eigenen Stall mit eigenen Pferden besitzen und im Sport ganz nach oben kommen. Dieses Ziel habe ich ständig verfolgt. Auch wenn ich manchmal glaubte, es gehe nicht mehr weiter.“

 

Uwe Schulten-Baumer wurde auf einem Bauernhof in Kettwig bei Essen geboren. Er blieb Einzelkind. Der Hof („ich war noch ganz jung“) wurde vom Vater verkauft, das Geld steckte er in eine Maschinenfabrik der Großeltern, die später von Geert Gockel, dem langjährigen Vizepräsidenten der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, übernommen wurde. Doch neben dem neuen heimatlichen Haus stand ein Hof, mit Kaltblütern. Täglich lief der junge Uwe Schulten-Baumer hin zum Nachbarn, fasziniert vom Bild, „wenn abends die Pferde in tiefem Stroh standen, Hafer, Heu, Schrot und Rübenschnitzel kauten. Ich habe diese Momente, ich war vielleicht zwischen sechs und acht, nie in meinem Leben vergessen, ich sehe alles noch so vor mir wie damals.“ Stolz stand er, noch nicht Heranwachsender, eher noch Kind, eines Tages hinter dem Pflug und zog mit den Kaltblütern die Furchen, „ganz gerade Furchen, das war wichtig.“ Pflügen, auch das ist Kunst.

 

Irgendeines Nachmittags ging`s ab nach Duisburg mit den Eltern, eine Einladung zum Musikreiten hatte den Vater erreicht. Auch das wurde zu einer Schlüsselrolle im Leben des Uwe Schulten-Baumer. Die Reiter in Frack, mit Plastron und Bowler auf dem Kopf, das war der vornehme Teil, danach durften die Jugendlichen über einen kleinen Parcours springen. „Ich war fasziniert, noch heute habe ich den Geruch dieser Reithalle in der Nase.“ Von da an ließ er keine Ruhe mehr, bis er aufs Pferd durfte. In Kettwig, ganz in der Nähe seiner Volksschule, lag ein kleiner Reitstall, der einem Industriellen gehörte, und den ein ehemaliger Kutscher oder Diener nebenbei leitete, „aber mit viel Passion.“ Dort erhielt Uwe Schulten-Baumer seinen ersten Unterricht, „sehr ordentlich“, dafür wiederum putzte und tränkte er vor Schulbeginn die Pferde, half beim Misten. Er war gerade zwölf Jahre alt. Aber schon so fix und selbstbewusst, dass er bereits Unterricht beim Abteilungsreiten geben durfte, „wenn Not am Mann war.“

 

Das erste Berufsziel lag klar vor seinen Augen: Reitlehrer. Mit gerade mal zwölf begann er eine Lehre bei der Reit- und Fahrschule Leer in Niedersachsen, nicht weit von Emden, aber weit von Zuhause. Das erste Erlebnis prägte vielleicht bereits seine spätere Leidenschaft vom schwingenden Rücken, vom absolut losgelassenen Pferd. Schulten-Baumer: „Ich wurde mit einem Zweispänner am Bahnhof abgeholt. Ich sehe noch immer die schwingenden Rücken der Pferde vor mir, etwas, was ich an Pferden liebe und woran ich mich auch immer gerne erinnere.“

 

Die Lehrjahre in Friesland bestanden aus Misten, Pferde putzen, Nachtwache halten, denn die Pferde standen noch in Ständern und jede Nacht machte sich eines frei. Schulten-Baumer spielte bald eine Sonderrolle, durfte gar die Pferde des Schulleiters reiten. Gleichzeitig erhielt er Unterricht im Fahren. Später noch fuhr er oft zu Besuch zur Reit- und Fahrschule nach Leer.

 

Bei der Mobilmachung zum Zweiten Weltkrieg wurde Schulten-Baumer zur Marine eingezogen, vorgesehen für die Offizierslaufbahn. Er kam nach Flensburg zur Fähnrichschule, und dort unterhielten Offiziere einen eigenen Reitstall, „selbst bei der Marine habe ich noch reiten können.“ Er hatte bei Kriegsende Glück, geriet mit Kameraden und vielen Pferden zusammen in amerikanische Gefangenschaft, „100 Meter weiter war der Russe.“

 

Ein halbes Jahr war er richtig im Krieg, er fuhr auf dem Kreuzer „Nürnberg“ in der Ostsee. Im Mai 1945 wurde er aus der amerikanischer Gefangenschaft entlassen. Danach begann er eine kaufmännische Lehre in der Stahlindustrie, holte das Abitur nach, studierte in Würzburg und Bonn Volkswirtschaft und promovierte zum Thema „Kostenverlauf in der Zementindustrie“. Er erhielt eine Anstellung bei der Wirtschaftsvereinigung Stahl in Düsseldorf und wurde Geschäftsführer der Gruppe Roheisen. Und auf einem Nachbarhof in Mülheim konnte er abends reiten, einen sogenannten „Rassemann“, ein leichteres Pferd im Vergleich zu den in der Landwirtschaft üblichen Kaltblütern. Die Stute hatte Talent fürs Springen, sie hießt Senta. Mit ihr ritt er in Wülfrath ein Barriere-Springen und fuhr wenige Wochen später mit dem Pferd auch nach Aachen zum dortigen internationalen Turnier des Jahres 1949. Der Bauer als Pferdebesitzer steuerte einen Opel Kadett, Senta auf einem vom Schmied umgebauten Hänger dahinter, „ich folgte in einem öffentlichen Bus des damaligen Straßenverkehrs.“ Im Mächtigkeitsspringen wurde er Dritter und im Großen Preis Siebter.

 

Was haben Sie aus den Anfängen als Reiter für später als Trainer gelernt:

 

Man darf Pferde nicht überfordern, sonst bleiben sie nicht elastisch. Und ich habe gemerkt, dass man beim Pferdekauf darauf achten muss, dass die Pferde exzellente Grundgang besitzen müssen, also Schritt, Trab und Galopp.“

 

Beruf, Pferde, Trainer – wie haben Sie das geschafft?

 

Es war Stress, Beruf, Pferde, Training. Manchmal bin ich hin- und hergefahren zwischen Büro und Turnierplätzen. Ohne eigene Begeisterung wäre so etwas nicht möglich gewesen. Deshalb sage ich auch immer: Diesen Sport kann man ohne blinde Begeisterung nicht betreiben - und man muss durchhalten,“

 

Wie war das bei Nicole Uphoff und ihrem Pferd Rembrandt?

 

Zunächst möchte ich vorausschicken, man muss sich auch als Trainer auf das entsprechende Pferd einstellen. Es gibt keine Schablonen. Nicole kam mit einem Pferd, das sprühte, doch die ganze Muskulatur war nicht richtig., das Pferd besaß einen dünnen Hals, dann musste man auf das Temperament des Tieres eingehen. Das Pferd sprang gerne vor irgendetwas weg, darauf wurde es bestraft. Das führte dazu, dass dieses Wegspringen immer schlimmer wurde, denn das Pferd hatte nicht nur Angst vor einem unbekannten Hindernis, sondern auch vor der anschließenden Strafe. Das Pferd war daher turniermäßig nicht mehr zu reiten. Ich habe also Nicole gesagt vor einem Gegenstand, bei dem ein Scheuen zu erwarten war: Klopfe das Pferd erst einmal, gib die Zügel nach vorne, damit das Pferd eine Chance hat, sich ein Hindernis anzusehen. Und das zwiete war, und da fängt die leidige Theorie an, nämlich das Pferd in die Tiefe reiten, dass das Pferd so geritten wurde, dass es locker über den Rücken zu schwingen begann. Der Weg dazu: Das Pferd musste erst einmal, auch übertrieben in die Tiefe gestellt werden, dass es über den Rücken zwangsläufig kommen musste. Dadurch bildete sich die Muskulatur sehr schön. Die Stärke von Rembrandt war später, dass der Wallach locker ging und sich so entfalten konnte. Über die Losgelassenheit des Rückes kam auch die Galoppade zum Tragen. Piaffen, Passagen haben wir nicht nach der alt bekanten Methode trainiert, mit Stock, Peitsche, Sporen, sondern alles aus einem gewissen Fluss heraus, der Takt durfte nie verloren gehen. So kamen die später bekannten wunderbaren Übergänge zustande, auch dieses leichte Piaffieren. Die Piaffe war nie optimal, weil das Pferd im Vorderbein begrenzt war, aber die Richter gaben gute Noten, weil das Pferd wunderbar abfußte und mit einer ausgesprochenen Leichtigkeit die Lektionen ging. Das alles musste auch von den Richtern erst erkannt werden, und da war der Schweizer Niggli die entscheidende Person, der mir mal sagte: Wir wollen doch weg von der Gewaltreiterei…“

 

Wolfgang Niggli, Richterei, das war doch ein gewaltiger Einschnitt in die Dressur?

 

Es war sicher das Ende der Hauruck-Reiterei, mit Peitsche und Sporen. Niggli sagte mir mal ebenfalls, wir müssten doch weg von dieser Welle. Wir wollen doch alle die Pferde locker haben. Das alles bezog sich auch auf andere Lektionen wie Traversalen und Passagen. Zu Rembrandt möchte ich auch noch sagen: Das Besondere an diesem Pferd war die Leichtigkeit in der Bewegung. Ich hätte wahrscheinlich bei einer Anfrage Rembrandt in eine Kauferwägung gezogen, nicht wegen der Ergiebigkeit der Bewegung, sondern wegen der Leichtigkeit.“

 

Die Welt redet gern von der klassischen Reitmethode, und Sie?

 

Ich bin der Meinung: Es gibt keine klassische Methode, denn sie müsste über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte Gültigkeit besitzen. Jede Zeit hatte ihre klassische Methode. Doch alles wandelt sich. Die Erfahrung, die man früher sammelte mit Pferden, ob sie richtig war oder falsch, ob die Wege der Reiterei richtig waren oder falsch, alles bündelt sich in den heutigen Erkenntnissen. Klassische Methode ist etwas wandelbares. Das Reiten nach der klassischen Methode ist nirgendwo nachlesbar. Wir wollen das Pferd haben und sehen, das sich nach seinen körperlichen Fähigkeiten optimal entwickelt, leicht am Zügel steht, rittig ist.“

 

Ihre Erinnerung an die Anfänge mit Isabell Werth?

 

Sie war lernbegierig, hatte Erfahrung mit jungen Pferden – und gab keine Widerworte, im Gegensatz zu später. Ihre erste schwere Dressur konnte sie mit dem Wallach Madras reiten, der ja schon einiges konnte. Isabell war sehr aufgeregt, wir gaben ihr einen Schluck Whiskey, um die Aufregung zu dämmen, dann rutschten ihr die Zügel aus der Hand… Aber mit Madras gewann sie auch ihren ersten Grand Prix. Isabells Stärke ist ihre Reitqualität. Das kann man nicht erlernen, das hat man. Sie kann in einem Bruchteil von einer Sekunde erkennen, wie das Pferd plötzlich auf irgend etwas reagieren wird – und stellt sich darauf ein. Sie ist einsatzbereit, nervenstark und kämpferisch. Wir mussten nie groß reden, wir kannten uns bestens. Sie wusste schon an meiner Gestik oder Mimik beim Trainieren, was ich wollte oder meinte. Wir waren schon eine große eingeschworene Gemeinschaft.“

 

Grundsätze vor Turnieren…

 

Wichtig ist, dass das Pferd nie Angst vor einer Lektion bekommt. Der große Fehler bei vielen ist zum Beispiel, ein Pferd nach einem Fehler mit einer scharfen Parade zu bestrafen. Dann geht es verspannt in die nächste Lektion. Das Pferd muss verstehen, was der Reiter will. Wichtig ist auch das Loben nach einer gelungenen Aufgabe. Beim Arbeiten mit den Pferden ist zusätzlich daran zu denken, dass auch die Seele des Pferdes mitarbeiten muss. Das kommt leider meist zu kurz. Man muss sich hüten, Fehler in den Lektionen beim Pferd zu suchen statt bei sich selbst. Ein Pferd darf weder seelisch noch körperlich überfordert werden.“

 

Welche Rolle spielen Schmied und Fütterung?

 

Der Schmied spielt eine ganz große Rolle. Es ist ähnlich wie beim Menschen. Wem die Schuhe nicht passen, kann nur schwer gehen. Die Fütterung ersetzt manchen Striegel. Pferde sollen topathletisch sein und keine Mangelerscheinungen aufweisen..“

 

Gigolo gilt als erfolgreichstes Dressurpferd…

 

Gigolo war sicherlich nicht das gesuchte Modell für ein Standbild. Aber in dem Moment, wenn sich der Wallach bewegte, strahlte er Kraft, Elastizität und Schwung aus, dazu kam seine Leistungsbereitschaft.“

 

Was erwarten Sie von einem Richter?

 

Ich erwarte von einem Richter, unbeeinflusst von dem, was vorher gesagt wird, unbeeinflusst von dem, was ein Pferd bei anderen Prüfungen gezeigt hat, unbeeinflusst vom Risiko falsch zu liegen, dass er so richtet, wie er es nach seinem besten Wissen und Gewissen vertreten kann. Es ist auch entscheidend, so glaube ich, dass ein Richter im Grunde selbst mitreiten können sollte. Das müsste auf jeden Fall die Notengebung erleichtern.“

 

Und wie soll sich ein Reiter verhalten?

 

Richter sind auch Menschen, vor allem ganz empfindliche. Zunächst muss der Reiter selbstkritisch sein, sollte aber er durchaus und in ganz normalem Ton sich erkundigen, was gelungen oder weniger gelungen an seiner Vorstellung war, was ein Richter von einem Pferd sehen will und was nicht.“

 

 


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