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Der Name Roman - Brücke zwischen Moskau und Rio PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Freitag, 12. August 2016 um 16:45

Wassenberg. Der Russe Prof. Dr. Igor Bobylew als Mitglied des Reiter-Weltverbandes sah sich unmittelbar vor den Sommerspielen 1980 in Moskau wie einen Wahrsager. Dass die Reiter-Creme der westlichen Großmächte bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht an die Moskwa gereist war, nannte er einen Irrtum und keinen Eintrag wert in die sportlichen Geschichtsbücher. Er hatte teilweise recht – und wer in Rio fehlte, darüber wird bald auch niemand mehr reden…

 

Als zum abschließenden Springen der Teamwertung der Italiener Pietro Roman (26) in den olympischen Parcours von Rio einritt, meinte der deutsche Fernseh-Moderator anscheinend, er müsse ein bisschen Nachhilfeunterricht in der Sportgeschichte erteilen. Also sagte er, als bisher einziger Italiener habe Mauro Checcoli eine Goldmedaille in der Vielseitigkeit gewonnen, nämlich 1964 in Tokio. Es gab aber auch einen zweiten Italiener, der mit Gold dekoriert von Olympia in der Military heimkehrte, nämlich 1980 aus Moskau Federico Roman. Und der wiederum hatte in Rio seinen Sohn Pietro (26) am Start, der auf Barraduff in der Endwertung den 24. Platz erreichte.

 

Der Name Roman wirkt wie ein Brückenschlag zu Olympia 1980 in Moskau, Moskau mit schmerzhafter Vorgeschichte, die wahrlich in die Historie Olympias einging. Olympia in Moskau war kein Treffen der Völker, eher ein Meeting von einigen, doch unter den berühmten Fünf Ringen. Das Feuer brannte wie bei allen Spielen vorher und danach. Federico Roman, der mit seinem Bruder Mauro und den beiden Damen Anna Cassagrande und Marina Sciocchetti hinter der UdSSR-Auswahl auch noch Silber erhielt, sagte später: „Ich war von den Startern der Beste, so ist es, so bleibt es. Ich kann nichts dafür, dass nur 28 am Start waren.“

 

Sie bezahlten alle…

 

Am 28. Dezember 1979 marschierten Truppen der damaligen Roten Armee der UdSSR in Afghanistan ein. Und in Teheran war einen Monat vorher die US-Botschaft in Geiselhaft genommen worden. Jimmy Carter als damaliger US-Präsident sagte: „Sie werden bezahlen.“ Er meinte die UdSSR. Sie haben alle bezahlt.

 

81 Nationale Olympische Komitees entsandten Sportler nach Moskau, 33 olympische Föderationen gaben gar keine Antwort, und 30 NOK`s wurden zu offiziellen Boykotteuren, darunter die Bundesrepublik Deutschland. Unvergessen die leidenschaftliche Rede von Reiterpräsident Dieter Graf Landsberg-Velen am 15. Mai 1980 auf der Versammlung des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) der Bundesrepublik in Düsseldorf. Graf Landsberg lehnte eine Teilnahme bundesdeutscher Sportler in Moskau brüsk ab, und er stand auch später dazu, als er sagte:  „Wer die Menschenrechte mit Füßen tritt, boykottiert die ideellen Grundlagen der Olympischen Spiele. Auf eine Teilnahme zu verzichten, schmerzt sicherlich, der Preis für die Preisgabe unserer Grundwerte ist jedoch unvergleichbar höher, denn er kostet die Glaubwürdigkeit.“

 

Attraktion Sissi Theurer in Moskau

 

Und so saß also an einem warmen Sommertag 1980 Prof. Dr. Igor Bobylew in der einstmals eigens erstellten olympischen Reitsportanlage Bitza vor den Toren Moskaus auf einer Bank und sagte: „Wird man nach vielen Jahren überhaupt danach fragen, warum haben Amerikaner, Franzosen oder Deutsche aus der Bundesrepublik gar keine Medaillen gewonnen? Wird man oder will man noch wissen, warum waren sie nicht dabei?“ Von den großen Reitsport-Nationen hatten die Bundesrepublik Deutschland, Spanien, Belgien, die Schweiz, Großbritannien, Frankreich, die USA oder die Niederlanden, dazu alle südamerikanischen Länder, Kanada oder Irland einen Start abgelehnt. Einige Föderationen ließen es ihren Reitern frei, in die Hauptstadt der Sowjetunion zu reisen. Aus Italien kamen nur Militaryreiter, aus Mittelamerika dazu auch mexikanische Springreiter, und aus Österreich in der Dressur Sissi Theurer. Seltsamerweise war von der DDR kein Volksarmee-Reiter ins Bruderland abkommandiert worden, nur einer war da, Oberst Erich Heinrich als Dressurrichter.

 

Das Ausscheren aus der westlichen Allianz brachten Sissi Theurer Häme und Spott ein. Sie sprach nie öffentlich darüber, warum sie startete – und fast zwangsläufig mit dem Schimmel Mon Cherie auch gewann. Sie war die Attraktion der Reiterspiele. In Wien trat wegen ihres Starts Verbandspräsident Friedolin Schindler zurück, doch in Moskau wurde der Europameisterin von 1979 der Rote Teppich bereits bei der Ankunft ausgerollt, als die von Formel 1-Ex-Weltmeister Nikki Lauda  gesteuerte Privatmaschine mit Reiterin, Entourage und Pferd landete.

 

Der Preis der Nationen im Springreiten war wie ein Holzfällerwettbewerb. Sechs Teams in Bitza am Start, Sieger UdSSR vor Polen und Mexiko, Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Die eigens aus dem Kreml von den Apparatschiks  nach Moskau befohlenen Rumänen und Bulgarien kamen jeweils auf 150.5 Fehlerpunkte. Hilflose Reiter, geprügelte Pferde mit angstvoll aufgerissenen Augen, zersplitterte Stangen – Turniersport des Grauens. Das Einzelspringen im Olympiastadion von Moskau vor 80.000 Zuschauern entschied der Pole Jan Kowalczyk auf Artemor für sich. Weil kein Russe gewann, wurde er gnadenlos ausgepfiffen.

 

In Rotterdam stand der echte Olympia-Parcours

 

Als Ersatz veranstalteten die Föderationen der Boykotteure wenige Wochen später eigene Turniere, die Militaryreiter fuhren nach Fontainebleau bei Paris, die Springreiter nach Rotterdam und die Dressurreiter nach Südengland vor   Goodwood House. In der Vielseitigkeit hießen die Sieger Europameister Nils Haagensen aus Dänemark auf Monaco vor den Amerikanern James Wofford auf Carawich und Torrance Watkins auf Poltroon, in der Teamwertung – elf Mannschaften -  Gewinner Frankreich vor Deutschland (Otto Ammermann auf Volturno, Rüdiger Schwarz auf Power Game, Harry Klugmann auf Veberod und Karl Schultz auf Madrigal) und Australien.

 

Die Dressurreiter präsentierten sich vor Schloss Goodwood in farbenprächtiger Umgebung. Die deutsche Equipe mit Dr. Reiner Klimke auf Ahlerich, Dr. Uwe Schulten-Baumer auf Slibowitz und Uwe Sauer auf Hirtentraum lagen um über 100 Punkte vor der Schweiz mit Christine Stückelberger auf Granat, Amy-Catherine de Bary auf Aintree und Uli Lehmann auf Widin, Dritte wurden die Dänen. Christine Stückelberger mit Granat sicherte sich jeweils den ersten Platz vor Uwe Schulten-Baumer jun im Grand Prix und Grand Prix Special.

 

Bei den Springreitern in Rotterdam schlugen im Preis der Nationen die Kanadier (u.a. mit Ian Millar) die Briten ( u.a. mit Nick Skelton und John Whitaker) und Österreich (mit Hugo Simon und Thomas Frühmann) sowie Deutschland mit Uli Meyer zu Bexten auf Magister, Peter Luther auf Livius, Paul Schockemöhle auf Deister und Gerd Wiltfang auf Roman. Die Einzelkonkurrenz entschied Hugo Simon auf Gladstone für sich vor John Whitaker auf Ryan`s Son und der US-Amerikanerin Melanie Smith auf Calypso. Der niederländische Journalist Hans van der Kolk schrieb anschließend: „In Moskau war das echte Olympia – in Rotterdam stand der echte Olympische Parcours.“ Und Hugo Simon sagte: „Für mich ist diese Goldmedaille eine echte olympische Goldmedaille. Denn ich habe die Besten der Welt geschlagen…“

 

Die Gewinner von Moskau werden jedoch als Olympiasieger geführt – die Besten der Ersatzspiele als Gewinner wie bei einem ganz normalen Turnier. Das ist die eigentliche Tragik. So hatte also Igor Boblylew nicht so unrecht.

 


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