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Der Traum eines kleinen Mädchens (39) PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Freitag, 23. Juli 2010 um 10:15

 

Eintritt in eine neue fabelhafte Welt


Ganz früh mussten alle aufstehen. Der Bus würde pünktlich fahren, auch ohne sie. Deswegen beeilte sich Polly ganz besonders heute morgen.

 

Gott sei Dank! Der Bus stand noch da, in der Einfahrt des Reitstalles und schon in Fahrtrichtung. Viele Leute redeten durcheinander, sie schnatterten förmlich. Viele, nicht nur fast alle Kinder, die im Reitstall ritten, sondern auch sehr viele Erwachsene hatten sich einfach in die Kinderliste eingetragen. Auch sie wollten zum CHIO nach Aachen fahren. Daraufhin hatte der Vorstand des Reitvereins kurzfristig eine Vorstandssitzung einberufen und den jungen Hilfsreitlehrer Joachim dazu gebeten. Es wurde beschlossen, auf Vereinskosten einen größeren Reisebus zu mieten, und Joachim wurde mit der gesamten Organisation betraut. Er sollte also die genaue Anzahl der Mitfahrer ermitteln, die Größe des benötigten Busses feststellen und die Abfahrtzeiten bestimmen. Das alles sollte am Schwarzen Brett bekannt gegeben werden. Außerdem sollte Joachim raussuchen, welches Busunternehmen das günstigste Angebot für den Verein machen könnte. Der Verein wollte nicht unbedingt auch jeden Preise entrichten.

 

Die Kinder, die mitfahren würden, befanden sich schon alle im hinteren Teil des Busses. Sie liefen hin und her und wechselten dauernd die Plätze, bis sie jeweils neben einem Freund Platz fanden. Polly stieg ebenfalls sofort ein. Für sie allerdings blieb nur noch ein Platz neben Petra übrig. Sie hätte lieber neben Anne oder Hansi oder Harald gesessen. Aber egal... Hauptsache Aachen.

 

Was sie in Aachen genau erwartete, wusste sie nicht so genau. Papa hatte gesagt, dass Aachen eine Stadt sei. Eine Universitätsstadt. Es handele sich um eine sehr historische Stadt. Was, um Himmels Willen, ist historisch?  Geschichtlich hatte Papa geantwortet und erklärt, das die Stadt Aachen schon sein vielen hundert Jahren von großer Bedeutung wäre. Das alles interessierte Polly aber gar nicht. Allein dem großen Reitturnier galt ihr Interesse. Auf einem Reitturnier starteten gute Reiter in verschiedenen Prüfungen gegeneinander an. Der Beste gewinnt. Darüber, wer der Beste ist, entscheiden Punkt-Richter. Jedenfalls in Dressurprüfungen. Bei Springprüfungen sind die Fehlerpunkte und die Zeit entscheidend. In Aachen gibt es dazu Gespannprüfungen für Kutschen mit vier Pferden davor, Voltigierwettbewerbe, in denen Turngruppen Übungen auf einem galoppierenden Pferd an der Longe darbieten, und eine Konkurrenz für Vielseitigkeitsreiter mit Dressur, Springen und Geländereiten. In dieser Zusammenstellung ist das Turnier einmalig in der Welt.

 

Das alles hatte Polly bisher herausbekommen, aber nicht mehr. Nur noch, dass in Aachen die allerbesten Reiter der Welt an den Start gingen, also die, die man manchmal im Fernsehen sehen konnten. Kaum zu glauben, dass sie, die kleine Polly aus dem Reitstall Hubertus, einmal einen Olympia-Sieger oder eine Olympiasiegerin wahrhaftig und lebendig sehen könnte... kaum auszudenken. Mit jedem Kilometer, den der Bus Richtung Aachen fuhr, wuchs Pollys Aufregung.

 

Joachim saß ganz vorne im Bus, neben dem Fahrer. Er stand irgendwann auf und nahm ein Mikrofon in die Hand. „Guten Morgen“, sagte er und fuhr fort „In etwa 30 Minuten kommen wir am Turnierplatz an. Weil der Parkplatz für den Bus soweit weg ist vom Eingang, lässt der Fahrer uns vorher schon aussteigen. Das heißt, es muss ganz zügig und schnell vonstatten gehen, damit der Bus  direkt weiterfahren kann. Vor dem Eingang erhält jeder seine Eintrittskarte von mir, die er sorgsam aufheben muss. Jeder kann dahin gehen, wohin er möchte. Ich schlage vor, alle eineinhalb Stunde treffen wir uns am Ausritt vom dem großen Springplatz. Dort befindet sich eine Tafel, auf der alle Sieger des großen Preises von Aachen im Springreiter seit 1927 aufgelistet sind. Dort treffen wir uns. Es bekommt auch jeder von mir einen kleinen Zettel, auf dem meine Handy-Nummer notiert ist. Nur für den Fall, dass etwas passiert ist oder jemand verloren gegangen ist. Es gibt Wegweiser, die angeben, wohin es zu den einzelnen Wettkampfplätzen, also Dressurstadion, Springstadion, geht. Hat noch jemand Fragen? Der Bus fährt um 20 Uhr zurück, wir treffen uns um 19 Uhr 30.“

 

Die Kinder von der Pony-Stunde blieben zunächst bei Joachim. Der steuerte auf den Dressurplatz zu. Eine richtige kleine Allee führte zu dem Stadion. Rechts und links standen kleine Bronze-Skulpturen, die Tiere darstellen. Sie gefielen Polly ungemein. Zwei Füchse standen beieinander, wobei der eine etwas umgekippt war. Polly lief hin, um ihn aufzurichten. Aber er blieb nicht stehen, fiel immer wieder um. Schade!

Am Ende der Allee stand ein ziemlich großes Bronze-Pferd. Sofort kletterten die Kinder darauf. Das machte Spaß, und sie fühlten sich schon selbst wie große Reiter.

 

Joachim führte die Kinder weiter. Er erklärte ihnen alles, was sie sahen. Vor dem Dressur-Stadion befanden sich zwei riesige Sandvierecke, auf denen jeweils ein Reiter zu sehen war. „Leider haben wir keine Karten für das Stadion. Aber der Abreiteplatz ist sowieso interessanter“, sagte er und stellte sich an einen Zaun, von wo  man beide Vierecke gut überschauen konnte.

Liane Weitkampf, Mitglied der Stewards beim CHIO in Aachen, langjährige Lebenspartnerin von CHIO-Chefsteward Hansi Wallmeier.

 

„Kommt, wir gehen ein Stück weiter. Seht, das ist Isabel Werth, die dort abreitet!“, rief Joachim auf einmal selbst ganz aufgeregt. Isabell Werth!!! Die erfolgreichste Reiterin der Welt der letzten 15 Jahre. Fünfmal hatte sie Olympisches Gold, sechsmal Weltmeisterschaften gewonnen. Und jetzt ritt sie hier vor Pollys Augen. Das Mädchen hätte hinlaufen können. Aber natürlich tat sie es nicht.

Joachim führte die Kinder weiter bis kurz vor den Einritt. Isabell  Werth war gleich dran.

 

Sie ließ sich noch mal die Stiefel blank putzen und ritt in die Schleuse zum Stadion. „Aber warum sieht sie denn so böse aus?“ fragte Polly ganz erschrocken. Sie hatte das Gesicht der berühmten Reiterin ganz genau gesehen. Es war überhaupt nicht nett gewesen. „Sie ist nicht böse“, sagte Joachim, „nur konzentriert. Es geht hier ja schließlich um was. Sie denk jetzt nur noch daran, gut zu reiten, nicht mehr daran, dass hunderte oder gar tausende Menschen ihr zuschauen“. Polly war beruhig. Gut, dass der Hilfsreitlehrer ihnen so viel erklären konnte.

Dreimal Isabell Werth, die erfolgreichste Dressurreiterin der Welt, hier auf Satchmo

 

Bis zu Ausritt konnten die Kinder nicht vordringen. Es gab Ordner, also uniformierte Laute, welche die Karten checkten und die Kinder nicht durchließen. Nur von ferne sahen sie die strahlende Isabell Werth aus dem Stadion reiten. Offensichtlich war sie äußerst zufrieden mit ihrem Ritt. Sie hörte nicht auf, ihr Pferd Satchmo am Hals zu tätscheln. Polly und ihre Freunde waren begeistert.

 

Edward Gal auf Totilas, das Erfolgspaar des 95. CHIO von Deutschland, siegreich in allen drei Prüfungen: Grand Prix, Grand Prix Special und Kür

Da gab es noch andere tolle Reiter auf den Vorbereitungs-Vierecken. Anhand deren Beispiele erklärte Joachim noch viel, was die Kinder zu Hause beim Reiten nachmachen sollten.

Patrik Kittel, Schweden, seit fünf Jahren Pächter eines Stalltraktes bei der Familie Tecklenburg in Nottuln

 

Vor allem legte er Wert auf den perfekten Sitz. „Nur durch einen korrekten Sitz kann eine korrekte Hilfengebung erfolgten“, dozierte er. Dabei machte er so ein wichtiges Gesicht wie ein Pfarrer bei der Trauung. Die Kinder kicherten. Aber es machte Riesenspaß.

 

Jan Bemelmans, in Deutschland Honorar-Bundestrainer, erfolgreicher Coach der spanischen Dressur-Equipe, Reitmeister, im Foto darunter ein Reiter aus der spanischen Mannschaft auf dem Vorbereitungsplatz.


 

Plötzlich rief Hansi: „Da ist ja die Isabell Werth. Schaut mal, das ist sie doch. Sie will mit `nem Roller fahren. Schaut mal!!!“ Tatsächlich, Hansi hatte recht.

Sehr cool sah Isabell jetzt aus, mit geiler Sonnenbrille und Roller. Die Kinder waren beeindruckt.

 

 

Langsam schlenderte die Gruppe Richtung Spring-Stadion. Erst jetzt bemerkten sie, dass sie Hunger und Durst hatten. Also war Pause angesagt.

 

Sie setzten sich kurzerhand einfach in den Schatten einer Hecke und verspeisten ihr Mitgebrachtes. Aber nicht zu lange, denn jetzt wollten sie ja noch die berühmten Springreiter sehen.

 

Ludger Beerbaum, viermaliger Olympiasieger im Springreiten, erster deutscher Weltcupgewinner

 

Es war unglaublich heiß, die Sonne brannte. Und es waren tausende Besucher auf dem Turnierplatz. Durch diese Massen boxten sich die Kinder durch Richtung Springplatz. Sie konnten von dem Weg, auf dem sie bleiben mussten, aber auf den Spring-Vorbereitungsplatz schauen. Ein paar Springreiter ritten ab. Sie nahmen dort ein paar Sprünge. Die kleine Gruppe aus dem Reitstall Hubertus war so eingeklemmt in der Menschenmenge, dass sie kaum noch vor oder zurück kam.

Rodrigo Pessoa, Brasiliens bisher einziger Reit-Olympiasieger, diesmal nur als Zuschauer in der Soers, 1994 Gewinner des Großen Preises von Aachen auf Special Envoy, kam gerade von einem der großen Turniere in Calgary (Spruce Meadows) zurück, wo er sehr erfolgreich gestartet war.

 

Hinter ihnen war ein großer Getränkepavillion zu sehen. Aber die Kinder kamen nicht ran. „Der Mann dort, mit den weißen Haaren, der gerade ein Glas bekommt, das ist der bekannte Reitsportjournalist Wolfgang Dieter. Kennt ihr den? Seit vielen, vielen Jahren schreibt der in Zeitungen. Der kennt alle großen Reiter persönlich.

Frank Kemperman (links), im Gespräch mit einem Journalisten

 

Und der Mann mit der blauen Jacke und dem orangen Schlips, das ist der Präsident des Aachen-Laurensberger Rennvereins, Klaus Pavel. Er ist hier der Höchste. Aber schaut mal, was der macht: Er nimmt doch tatsächlich dem Journalisten einfach das Bier weg und trinkt es halb aus. Das macht man aber nicht, oder? Als so hohes Tier! Oder er mag den Journalisten sehr und ist ganz eng mit ihm befreundet, oder Kinder?“

 

Die Kinder beobachteten den Präsidenten genau. Ganz ehrfürchtig. Sie folgten Klaus Pavel mit ihren Blicken, und es stockte ihnen der Atem: Der Präsident stieg auf ein olles Fahrrad, wobei natürlich die Hosenbeine hoch rutschten. Er trug auf der rechten Seite eine knallrote Socke, auf der anderen Seite nicht. Dort eine graue. Die Kinder glaubten nicht, was sie sahen. Zweierlei Farben trug der höchste Mann. So etwas geht gar nicht! Schließlich handelte es sich um den Vereinspräsidenten. Der muss doch Würde zeigen. Das Bild von einem richtigen Präsidenten sah bei ihnen anders aus.

 

Klaus Pavel, Präsident des CHIO-Ausrichtervereins Aachen Laurensberger-Rennverein, trägt meist rote Socken, diesmal beim Turnier links nicht, da er am Knöchel wegen eines Bruchs operiert worden war. Trat am Schlusstag des CHIO von seinem Amt nach 17 Jahren zurück.

(alle Fotos: U.Ludwig)

„Er ist der Präsident von dem veranstaltenden Reitverein, kein Staatspräsident in der Politik, wie seit kurzem der Herr Wulff. Ein Turnier, egal wie groß, kann immer nur von einem Verein veranstaltet werden“, erklärte Joachim, der innerlich laut lachen musste. Er wollte aber die zutiefst beeindruckten Kinder nicht enttäuschen. „Er ist ja kein Staatspräsident. Aber immerhin der Vorsitzende vom größten Reitturnier der Welt“, sagte der Hilfsreitlehrer noch. Doch auch er konnte nicht wissen, dass Pavel kurz vor dem CHIO operiert worden war und deshlab einen Schutzstrumpf über dem lädierten Knöchel tragen musste.

 

Der bisher schönste Ferientag in Pollys Leben ging langsam zuende. Der Traum des kleinen Mädchens, einmal auf diesem Turnier zu reiten, war größer als je zuvor.

 

(Fortsetzung folgt......)

 

 

 

 

 


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