Drittes Gold für Ausnahmereiter Michael Jung und Sam Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Dienstag, 09. August 2016 um 22:28

Rio de Janeiro. Zum dritten Mal gewann Michael Jung eine Goldmedaille in der Vielseitigkeit bei Olympia, zweimal in London, nun in Rio de Janeiro zum dritten Mal neben Silber in der Teamwertung die Einzelwertung – möglicherweise wird er wie in London vor vier Jahren Deutschland erfolgreichster Olympionike.

 

 

Vorneweg. Die fast servierte Goldmedaille in der Vielseitigkeit bei den 31. Olympischen Sommerspielen in Rio wurde ausgerechnet in der ureigendsten deutschen Disziplin -  Dressur - vergeben. Am Ende nach Dressur, Gelände und Springen kam hinter Frankreich Silber heraus für Michael Jung auf Sam, Ingrid Klimke auf Hale Bob, Sandra Auffahrt auf Opgoun Louvo und Julia Krajewski auf Samourai du Thot, die nicht zuletzt wegen des total verunglückten Kommentars von ARD-Kommentator Carsten Sostmeier beim Geländeritts in die ungewollten und unverdienten Schlagzeilen der Medien geriet. Am Ende im Springen war Olympia-Neuling Julia Krajewski wegen Ausscheidens im Gelände nicht mehr dabei, doch zurecht beim Medaillenempfang. Das restliche Trio spulte clever und gekonnt die Aufgabe im Springparcours ab. Und weil die bis dahin auf den Medaillenplätzen platzierten Teams patzten, rückte Deutschland im hilflosen Herumstehen immer weiter nach vorne – bis auf den Silberrang hinter den Franzosen, die letzten Endes mit nicht einmal einem Abwurf Vorsprung Gold gewannen.

 

Die Pferde, wer sich nur ein bisschen auskennt mit Tieren, sah, spürte, dass sie ziemlich am Ende ihrer Kräfte waren, alle. Dressur, eine Konkurrenz gegen den eigentlichen Pferde-Charakter, sich nämlich in vorgegebenen Lektionen präsentieren zu müssen, diszipliniert, dann die Geländeprüfung über mehr als 5 km im hügeligen Gelände in schwüler Luft und über teilweise schmale Hindernisse wie im Springreiten, am Ende gar noch eine ziemlich nicht gerade tierfreundliche krumme Linie durch einen Teich mit drei Sprüngen, saugte die Pferde aus.

 

Das deutsche Quartett war mit 172,8 Punkten an vierter Stelle vor dem abschließenden Springen über vier Springfehler weg von Gold, dort stand Australien. Und im Springen zählte im deutschen Team jeder Springfehler, denn Julia Krajewski war ja im Gelände wegen drei Verweigerungen disqualifiziert worden. Doch das Trio absolvierte den Parcours fehlerlos. Und als bei den anderen Teams die Stangen fielen, rückte Deutschland immer weiter nach vorne – bis auf den zweiten Rang hinter Frankreich, das immer gute Vielseitigkeitsreiter hatte, aber erst zum zweiten Mal nach 2004 in Athen die Mannschaftswertung gewann in der Olympischen Reitsportgeschichte seit 1912.

 

Und zur tragischen Gestalt wurde an diesem Dienstag der große Mark Todd (60) aus Neuseeland, der zweimalige Olympiasieger auf dem kleinen Wallach Charisma von Los Angeles 1984 und Seoul 1988. Unter den Hufen des zwölfjährigen Holsteiner Wallachs Leonidas lag im halbleeren Stadion in Rio die dritte mögliche Goldmedaille, doch mit vier Abwürfen kehrte das Paar aus dem Parcours zurück – ins medaillenlose Nichts. Es war der wohl letzte große Auftritt eines der größten Militaryreiters aller Zeiten. Jeder hätte ihm noch eine Medaille gegönnt.

 

Doch der Sport, egal welcher Disziplin oder Art, kennt kein Pardon, hat für Empfindlichkeiten keinen Raum und keine Zeit. Nur eine Stunde nach dem Ende des Teamwettbewerbs musste nochmals gesattelt werden, von den besten 25 des Gesamtwettbewerbs, mit den verblieben drei Deutschen Sandra Auffahrth, Ingrid Klimke und Michael Jung. Auffarth und Klimke ritten die letzten Runden selbstbewusst und in schönem Stil zu Ende, um eine Medaille startete nur noch Michael Jung (34), der Doppel-Olympiasieger von London, der Alles-Könner, der so ziemlich sein ganzes Leben bisher eher im Sattel als in einem Sessel verbrachte. Wie sagte er in London nach seinen Triumphen? „Ich freue mich jetzt nur noch auf Daheim…“

 

Der in der Welt unvergleichbare Allrounder im Turniersport, der in schweren Dressurkonkurrenzen genauso antritt wie im Springen, dem auch der Niederrheiner Holger Hetzel gerne Auktions-Pferde zur Weiterbildung anvertraut, war zwei Sprünge vor der Zielschranke mit dem schon 16-jährigen Württemberger Wallach Sam bereits Olympiasieger, er hätte das Gold nur noch durch einen Sturz verlieren können. Denn vor ihm hatte der Franzose Astier Nicolas mit Piaf die Konkurrenz mit sechs Strafpunkten beendet. Doch Jung und Sam gingen fehlerlos - fehlerlos, wie die Tage davor, welch` einmaliges Kunststück. Tränen standen ihm anschließend in den Augen, wer könnte eine solche Gefühlswallung nicht verstehen. Sein Dank galt zunächst seinem Wallach, der eigentlich für Rio gar nicht mehr vorgesehen war, sondern der Fuchs Takinou. „Ich kann mich nur bei Sam bedanken, unglaublich, wie der Wallach wieder gegangen ist und gekämpft hat“, sagte der Goldmedaillengewinner.

 

Und dass das Ausnahmepferd Sam ihm schon so lange zur Verfügung steht, ist eine eigene Geschichte. Um die Besitzverhältnisse war vor über fünf Jahren ein heftiger Streit entbrannt. 60 Prozent Anteile hatte eine Frau Sabine K., die ordentlich feilschte und immer wieder drohte, ihre Prozente irgendwohin veräußern zu wollen. 40 Prozent sicherte sich dann die Familie Jung, 13 Prozent erwarb Erich Single aus Pfalzgrafenweiler. Um das Pferd in Deutschland zu halten, kaufte das Deutsche Olympiadekomitee für Reiterei (DOKR) in Warendorf die restlichen 47 Prozent. Der Wert des Pferdes wurde auf 766.666,66 Euro festgeschrieben.

 

Sam dürfte wohl nie mehr seine heimatliche Box verlassen müssen, vielleicht vorübergehend für einen großen Abend – eine große Abschiedsfete vom internationalen Sport, wie sie noch nie einem Vielseitigkeitspferd zuteil wurde. Und dafür würde sich nur die Stuttgarter Schleyerhalle anbieten, wo schon andere große Pferd auf die letzte Ehrenrunde gingen, zum Beispiel Ahlerich von Dr. Reiner Klimke, Rembrandt von Nicole Uphoff oder Gigolo von Isabell Werth…Einen schöneren Rahmen könnte man Sam nicht bieten.

 

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