Deutsche Springreiter-Equipe - glücklich über Bronze Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Mittwoch, 17. August 2016 um 19:44

Rio de Janeiro. Zum vierten Mal in der Geschichte der Olympischen Reiterspiele seit 1912 kam eine deutsche Spring-Equipe zu Bronze: Nach 1968, 1984 und 2004 in Athen nun in Rio – nach Stechen gegen Kanada.

 

 

Es fing gut an, und es schien, als hinge am Himmel über Rio nach 20 Jahren wieder mal eine Goldmedaille bei Olympia für eine deutsche Springreiter-Equipe, erstmals wieder nach 1996 Atlanta. Nach zwei von drei Durchgängen um die Teammedaillen des für Laien schwer kapierbaren Wertungssystems führten Christian Ahlmann auf dem Hengst Taloubet Z, Meredith Michaels-Beerbaum auf Fibonacci. Daniel Deußer auf First Class und Ludger Beerbaum auf dem Holsteiner Wallach Casello, aber auch Brasilien und Weltmeister Niederlande hatten noch keinen Kratzer, Frankreich folgte mit lediglich einem Zeitfehlerpunkt. Dass Penelope Leprevost im Parcours mit ihrer  Stute Flora de Mariposa den Rhythmus verlor und am Ende mit 47 Miesen gelistet wurde, fiel nicht ins Gewicht beim Team-Vizeweltmeister. In der deutschen Equipe hatte Ludger Beerbaum mit einem Abwurf für das Streichresultat gesorgt. Wie auch in der zweiten Runde. Und da alle persönlichen Ergebnisse auch  zum Erreichen des Einzelfinals am Samstag dienten, wird der viermalige Goldmedaillengewinner am Ende zur möglich  tragischen Figur – aber zuerst auch zum Helden.

 

Da nur drei Starter pro Nation bei der letzten Konkurrenz um die Einzelmedaillen in den Parcours am Freitag dürfen, ist Ludger Beerbaum (52) vielleicht nicht dabei. Und dabei hatte der deutsche Rekord-Internationale im entscheidenden Umlauf als letzter Starter mit einem fehlerfreien Ritt auf Casello die Tür zum Stechen und damit zu Bronze aufgestoßen, denn alle anderen waren nicht fehlerfrei geblieben.

 

Wie der Vater so der Sohn – 40 Jahre später

 

Als der unverwüstliche Roger-Yves Bost („Bosty“) für Frankreich mit Sydney une Prince in seinen bekannt turnerischen Kürübungen über dem Pferd ohne Patzer zur Lichtschranke zurückkam, lagen sich die anderen französischen Reiter mit Equipechef Philippe Guerdat (Schweiz) bereits in den Armen, Gold konnte ihnen nicht mehr genommen werden, dem Quartett mit Bosty, Philippe Rozier auf Rahotep de Toscane, Kevin Staut auf Reveur de Hurtebise und dessen Lebensgefährtin Penelope Leprevost, die sich einen letzten Auftritt schenkte. Zur Verbesserung des Resultats von gerade mal drei Strafpunkten vermochte sie sowieso nichts mehr beizutragen, und einen Einsatz im Finale hatte sie sich bereits am ersten Tag vermasselt. Damit kam Frankreich erstmals wieder nach 40 Jahren zu einer Springreiter-Goldmedaille, und damals im Olympiastadion von Montreal auf schwerem Boden gehörte Marcel Rozier zur erfolgreichen Tricolore-Equipe, der Vater von Philippe Rozier. Der Kreis in der Familie hat sich geschlossen.

 

Bundestrainer Otto Becker, wie auch Ludger Beerbaum, hatte vor dem Finallauf bereits gewarnt, nicht übermütig zu werden. Wurde auch keiner, doch die Konkurrenz wurde stärker. Sie schlugen den deutschen Springreitern, die bereits schon leicht die Goldmedaillen streichelten, die Hände herunter. Plötzlich lagen die Franzosen mit fehlerlosen Ritten an der Spitze, und die USA, die die erprobte zweimalige Mannschafts-Olympiasiegerin und Weltmeisterschafts-Dritte von 2014, Beezie Madden, nicht mehr einsetzen konnten, waren mit fünf Strafpunkten von Kent Farrington, Lucy Davis und McLain Ward Zweite. Vorne ging nichts mehr, um Bronze begann im deutschen Lager das große Zittern. Und Ludger Beerbaum, in einem der wichtigsten Ritte seines Lebens, steuerte seinen Wallach Casello fehlerlos über die teilweise luftigen Sprünge, die nicht gerade liebevoll dekoriert worden waren. Kanada und Deutschland waren nun mit je acht Strafpunkten gleichauf, ein Stechen musste her. Und zwar nicht mit einem, sondern nach dem Reglement hatten alle vier Reiter anzutreten.

Ahlmann legte mit seinem Hengst eine Null-Runde vor, der 45 Jahre alte gebürtige Franzose Yann Candele verließ mit First Choice den Sandplatz mit einem Abwurf, Meredith Michaels-Beerbaum, erste Frau in einem deutschen Olympiateam, ins Team berufen worden für Marcus Ehning, dessen Pferd verletzt war, flog ebenfalls mit ihrem Schimmel makellos über die sieben Hürden. Und als dann Heros, der Wallach unter dem Sattel von  Amy Millar, der Tochter von Kanadas Reitsport-Idol Ian Millar, einmal riss, durfte die deutsche Mannschaft zum Abholen der Bronzemedaille endgültig auf das Podest.

 

Nach dem Ende der Konkurrenz meinte Ludger Beerbaum, in einem solchen Moment vor einem Stechen „gibt es kein Taktieren mehr, da gibt es nur noch eines: reiten und gut ankommen“. Und was wäre gewesen, hätte er mit Casello das Stechen nicht geschafft? „Dann hätten wir alle ein langes Gesicht gemacht, vor allem ich.“ Bundestrainer Otto Becker: „Wir sind glücklich über Bronze, alle vier Reiter sind hervorragend geritten, die Fehler waren eher Flüchtigkeitsfehler, die immer passieren können.“

 

Hinter Kanada belegten Brasilien (13 Fehlerpunkte), die Schweiz (15), Schweden und Weltmeister Niederlande (je 18 Fehlerpukte) die restlichen Plätze in der Teamwertung. Welt- und Europameister Jeroen Dubbeldam (Niederlande) wird letztmals im Einzelspringen am Samstag seinen Wallach Zenith SFN vorstellen können. Danach steht das Pferd, im Besitz des „Springpaarden Fonds Nederland“ (SFN) u.a. der früheren Weltklasse-Springreiter Johan Heins und Emile Hendrix, zum Verkauf. Das Anfangsgebot beträgt 500.000 Euro. Die Versteigerung beginnt am 14. September und endet am 21.09.

 

Für das Einzelspringen sind alle vier deutschen Reiter qualifiziert. Nur drei pro Nation dürfen starten. Bundestrainer Otto Becker legte sich unmittelbar nach dem Teamwettbewerb noch nicht fest. Die bisherigen Strafpunkte werden bei den Teilnehmern gestrichen. Alles beginnt also bei null. Letzter deutscher Goldmedaillengewinner war Uli Kirchhoff in Atlanta 1996. Er startete in Rio für die Ukraine, die Einzelkonkurrenz hat er nicht erreicht.

 

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