Der Traum eines kleinen Mädchens (45) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Mittwoch, 01. September 2010 um 13:55

Endlich kein "i-Dötzchen" mehr...

 

 

Das Ende der Ferien machte Polly auf der einen Seite traurig. Auf der anderen Seite konnte sie es kaum erwarten, ihren Schulfreundinnen von ihren tollen Ferien zu erzählen. Sie war sich ganz sicher, dass die anderen keine so aufregenden Dinge erlebt hatten. Ein bisschen würde sie sich schon mit den coolen Abenteuern angeben.

 

Und noch etwas hob diesen ersten Schultag nach den großen Ferien heraus: Sie waren nicht mehr die kleinsten. Andere waren nun die i-Dötzchen. Polly ging jetzt in die zweite Klasse.

 

Ihre Klassenkameradinnen standen auf dem Schulhof schon in Grüppchen zusammen. Sie beobachteten die neuen, die man an ihren riesigen Schultüten sofort erkennen konnte. Die Mädchen schauten mitleidig auf die neuen Schüler herab. „Wenn die wüssten... Die Lehrer.... Die Hausarbeiten, die man immer aufbekam... und nicht alle Schulkameraden sind cool...“, sagte Barbara und verdrehte ihre Augen. Aber sie sprach allen aus dem Herzen. Den Kleinen wurde gesagt: „Du bis jetzt ein großes Mädchen, oder Junge. Du gehst jetzt in die Schule.“ Den Kleinen soll damit die Schulzeit verlockender gemacht werden. Das ist aber alles Blödsinn. Polly und ihre Freundinnen waren sich darüber jedenfalls einig. Aber die Schultüten, die diese Neulinge mit sich herumschleppten, erschienen ihnen viel, viel größer als die, die sie letztes Jahr bekommen hatten. Das Leben schien ungerecht!

 

Polly konnte kaum erwarten, dass das allgemeine Thema des Grüppchen sich änderte. Sie wollte doch mit ihren Ferienerlebnissen aufwarten. Es war noch ein bisschen Zeit, bis es klingeln würde. Endlich fingen die Mädchen an zu erzählen, wie sie die Ferien verbracht hatten. Die Jungs aus Pollys Klassen schlenderten zu den Mädchen herüber. Alle würden sich gleich paarweise aufstellen müssen, wenn die Schulglocke ertönte, um sich in der Turnhalle zu versammeln. Das kannten sie schon. Die Turnhalle war umfunktioniert worden zu einer Aula.

 

Eine Vielzahl der Kinder hatte mit der Familie die Ferien an der See verbracht. Sie erzählten nun vom Sonnenbaden („wie langweilig“, dachte Polly), Schwimmen und Eisessen. Aber Moni, die mit ihren Eltern und Brüderchen Franki in Spanien war, zog einen getrockneten Seestern und einen Seeigel aus ihrem „Toni“. Das Seegetier wurde von einem zum anderen gereicht. Jeder untersuchte es und schnupperte auch daran. Es stank fürchterlich! Wie musste wohl Monis Ranzen danach stinken... Andere Kinder hatten mit den Großeltern einen Teil der Ferien verbracht. Der Bernd war mit seiner ganzen Familie in die Schweiz gefahren, in die Berge. Was ihn aber am meisten beeindruckt hatte, so behauptete er in völligem Ernst, die Sprache der Schweizer. Man könne sie ganz gut verstehen. Sie sei so ähnlich wie Platt gewesen. Polly hatte keine Ahnung, was Platt war. Leise erklärte Moni, das Platt eine Art Sprache sei, die jede Stadt oder Landstrich ganz alleine für sich hätte. Platt sei eben kein Hochdeutsch, das alle Deutschen gleich sprechen würden. Wenn Moni nun Recht hätte, wäre es kaum zu glauben, das in der fernen Schweiz wie hier in ihrer Stadt gesprochen werden sollte. Na ja, egal. Veronika erzählte, dass sie mit ihrer Familie und einer Lehrerfamilie aus ihrer Schule ebenfalls in der Schweiz gewesen sei. In einem Ort namens Dornach. Sie jedenfalls hatte keine Sprache ähnlich dem hiesigen oder irgendeinem Platt gehört. Da ertönte die Schulglocke.

 

Während der Aufnahmefeier der i-Dötzchen hatten die Schüler keine Gelegenheit mehr, über die Ferien zu reden. Sie mussten die namentliche Vorstellung jeden einzelnen neuen Schülers durch deren Klassenlehrerin über sich ergehen lassen. Stinklangweilig! Aber bei ihnen war das auch so gewesen. Polly konnte sich daran erinnern. Sie erinnerte sich auch daran, dass sie große Angst gehabt hatte, dass ihr Name als erster aufgerufen werden würde. Sie hätte als erste und somit ganz alleine auf der großen Bühne vor der gesamten Schüler- und Lehrerschaft nach vorne treten müssen. Passierte aber nicht, weil es nach Alphabet ging. Damals schon.

 

Nach der öden Feier fand kein richtiger Unterricht mehr statt. Es gab nur einen neuen Stundenplan mit ein paar neuen Fächern und damit würde es auch neue Lehrer geben. Dann endlich konnten alle gehen. Jetzt nutzte Polly die Gelegenheit. Vor der Schule standen alle noch eine Zeit lang zusammen. „Ich war jeden Tag im Reitstall“, sagte sie voller Stolz. „Jeden Tag konnte ich reiten. Jetzt bin ich eine gute Reiterin“, fügte sie hinzu. Diesmal verdrehte Bettina die Augen. Bettina war das dickste Mädchen in der Klasse. Sport jeglicher Art mochte sie nicht. Dafür war sie gut in der Schule, musste Polly anerkennen. Aber Reiten schien ihr sowieso wichtiger. Tatsächlich hörten die anderen Mädchen und sogar einige von den Jungen zu. Polly erzählte vom Ausritt, vom Ausmisten, und es machte ihr nichts aus zuzugeben, dass sie letzte Woche vom Pony stürzte. Sie erzählte, es sei ein Schuss im Stall losgegangen. Später ergänzte sie, dass, wahrscheinlich Anton einen China-Böller losgelassen hatte und alle Ponys deswegen durchgingen. Deswegen sei sie, wie auch andere Kinder, vom Pferd gefallen. Dabei zog Polly das rechte Hosenbein hoch und zeigte den interessierten Zuhörern den dunkelblauen Fleck auf ihrer Wade. „Der tut heute noch weh“, fügte sie wichtig hinzu. Polly genoss die Aufmerksamkeit. Als sie aber erzählte, dass es im Reitstall eine Frau mit blauen Haaren gab, lachten die anderen sie aus, „Du spinnst ja“, sagte Bernd. „Blaue Haare beim Menschen gibt es nicht“, sagte Bettina. Nun war der Zauber verflogen. Keiner hörte mehr Polly zu. Wahrscheinlich glaubten die anderen auch nicht mehr, dass Polly auf einem Pony durch den Stadtwald geritten war.

 

„Ich haben eine Kutschfahrt mit meinem Hansi gemacht Dabei habe ich die Zügel ganz alleine gehalten“, behauptete Monika jetzt, als sie von ihrem Urlaub erzählte. „Ich denke, Du warst in Spanien“, sagte Polly herausfordernd. „War ich auch. Aber nur drei Wochen in der ersten Hälfte der Ferien. Die zweite Hälfte verbrachte ich zuhause“, sagte Monika lachend. „Mit meinem Papa haben wir Hansi vor die Kutsche gespannt und sind über den Egelsberg und durch die Felder gefahren. „Das machen wir jetzt öfter“, fuhr Moni fort und fügte noch hinzu „Wenn ihr mal zu mir nach Hause kommt, fahren wir alle in der Kutsche. Mit meinem Papa haben bestimmt noch sechs Kinder Platz.“ Das schien eine super Idee, fand Polly. Hoffentlich würde Moni sie auch nach Hause und zu einer Kutschfahrt mit Hansi einladen.

 

„Wenn ihr zu mir kommt und mit meinem Hansi in der Kutsche fahren wollt, müsst ihr mir aber vorher helfen, den Stall zu säubern. Wie die Kinder den einen Tag in Pollys Reitstall. Dann bekommen wir viel Spaß“, sagte Moni zum Schluss. Sie hatte Pollys Ferienerlebnissen gut zugehört, fand Polly. Aber Stallausmisten war für sie kein Problem mehr. Hauptsache, eine Einladung käme.

 

(Fortsetzung folgt....)

 

 

 

 

 

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