Der Traum eines kleinen Mädchens (3) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Dienstag, 17. November 2009 um 15:40

Polly trifft Lisa wieder

3. Kapitel

Polly hat für Lisa ein Geschenk gemacht. Eigentlich hat sie es für sich ausgedacht. Aber heute wird sie es ihrem neuen Liebling mitbringen. In der dritten Stunde ist Mathe ausgefallen und die Reli-Lehrerin von den Katholiken machte Vertretung in der Freistunde. Polly hat die Zeit genutzt und ein Bild von Lisa gemalt. Es ist sogar ganz gut geworden. Sie wird es heute mit in den Reitstall nehmen und dort dem Pony zeigen. Und noch etwas hat sie für das Pony: Mama hat Zückerchen aus dem Supermarkt mitgebracht. Davon wird Polly ein Paar mit in den Stall nehmen. Sie hatte von einem Mädchen aus ihrer Klasse gehört, dass Pferde gerne Zuckerwürfel fressen.


 

Um kurz nach zwei kam Opa mit dem Auto, um Polly in den Reitstall zu bringen. Während der Fahrt dorthin erkannte sie Häuser und Straßenkreuzungen noch von letzter Woche wieder. Polly plapperte die ganze Zeit. Für Opa war es nicht leicht, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Aber er verstand ja die Aufregung der Siebenjährigen, die sich vor einer Woche in ein Pony, nämlich Lisa, verliebt hatte und jetzt so darauf hoffte, dass sie heute wieder auf genau diesem Pony reiten durfte. Auf der Zehnerkarte, die Polly von Ihren Großeltern zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte, waren noch neun Kärtchen drauf. Heute Abend sollten es nur noch acht sein.

 

Im Stall angekommen, erkannte sie als erstes einen Jungen wieder, der auch letzte Woche schon da war. Er war einer von den wenigen Kindern, die eine richtige Reithose anhatten. Aber Polly kannte seinen Namen nicht und traute sich auch nicht, ihn anzusprechen.


 

Die laufende Reitstunde war noch nicht zuende. Das erkannte Polly daran, dass der Reitlehrer mit der Schirmmütze noch in der Mitte der Bahn stand und vier Ponys hintereinander herliefen. Lisa war dabei. Opa sagte ihr, dass er nicht dableiben konnte, um ihr zuzusehen. Er komme erst gegen fünf, um sie wieder abzuholen. Er ahnte gar nicht, wie sehr Polly sich freute, so lange im Stall bleiben zu dürfen. Als Opa ging und sie alleine da stand, bekam sie doch ein bisschen Angst. Sie wusste nicht, was sie nach ihrer Reitstunde machen sollte, wo sie sich aufhalten sollte und ob sie alleine mal in jenen Teil des Stalles gehen dürfte, wo die großen Pferde standen.

 

Polly merkte bei derlei Gedanken gar nicht, dass die eine Reitstunde fertig war und ihre jetzt beginnen würde. Alle Kinder, die nun dran waren scharten sich wieder um den Reitlehrer, jetzt verstand Polly auch, dass fast alle die Namen der Pferdchen riefen, die sie reiten wollten. Einige schrien: „Lisa!“. Polly hatte Angst, dass ein anderes Kind ihr Lisa wegschnappen würde. Sie traute sich nicht, auch „Lisa!“ zu rufen. Der Junge, den sie vorhin gesehen hatte, rief „Max!“. Den bekam er auch. Ein ganz kleines Mädchen mit Brille, vielleicht fünf Jahre alt, sagte ganz leise: „Lisa“. „Lisa ist heute noch mal für Polly“, sagte aber der Reitlehrer laut und bestimmt. „Gott sei dank!“ Polly war erleichtert. Sie drehte sich um, rannte zur Bahntür und hörte plötzlich ihren Namen. Hinter ihr her lief Gabi, auch heute trug sie ihre lila Jacke,: „Du musst die Kappe aufsetzen!“. Polly hatte es ganz vergessen. Gabi reichte sie ihr. Ein bisschen ekelte sie sich vor der Kappe, weil so viele Kinder sie sicher bereits auch aufgehabt hatten. Alle die, die keine eigene Kappe besaßen mussten sie aufsetzen. Für Polly blieb aber keine Wahl: Entweder die olle Kappe oder kein Reiten. Hätte sie doch nur eine eigene Kappe!

 

 

Gabi half Polly wieder mit Lisa. Das Aufsteigen ging schon besser als letztes Mal. Heute erklärte Gabi, wie Polly die Zügel richtig in die Hände nehmen musste, nämlich zwischen den Kleinen- und den Ringfinger, dann mit dem Daumen auf dem Zeigefinger festhalten. So jedenfalls, versuchte Polly es später zu Hause ihrer Mama und Brüdern zu erklären. Hierzu nahm sie das Stromkabel vom Toaster zu Hilfe. Überzeugen konnte sie ihre Familie aber nicht wirklich. Das Zügelende musste auf der rechten Seite des Pferdehalses herunterhängen.

 

 

Gabi, die schon zehn Jahre alt war und seit fast drei Jahren ritt, erklärte dann, wie Polly sich richtig in den Sattel setzen sollte. Vor lauter Stolz war ihr Rücken ganz aufgerichtet. Das war schon mal richtig. Jetzt mussten die Hände, in denen sie die Zügel hielt, aufrecht nebeneinander stehen. „Halte die Hände ruhig. Wenn Du zu ruckartig am Zügel ziehst, tut das dem Pferd weh im Maul.“ Polly erschrak. Daran hatte sie überhaupt nicht gedacht. Das andere Zügelende war ja an so einem Metallteil befestigt, das sich im Maul des Pferdes befand, das sogenannte Gebiss. Lisa Schmerzen zufügen war das Letzte, was Polly wollte und so hielt sie die Hände ganz still.

 

„Auf dem Hufschlag geritten!“ kommandierte der Reitlehrer, nein, er schrie durch die Halle. „Was hatte das zu bedeuten?“. Polly fragte Gabi. Mit ganz wichtiger Miene erklärte diese, dass der Hufschlag der Weg ist, auf dem die Pferde an der Bande entlang liefen. „Was, schon wieder, ist eine Bande?“ Die Bande sei die Holzwand, die um die Reitbahn gebaut war. Diese Holzwand ging nicht ganz bis zum Boden. Sie war so hoch, dass an der einen Seite die Zuschauer draußen die Arme darauf aufstützen konnten, um so bequem in die Halle zu schauen.


 

Plötzlich raste eines der weißen Ponys, das, auf dem der eine Junge saß, los, galoppierte an allen anderen vorbei, kam zur Hallenmitte direkt auf  Polly zu. Lisa wurde ganz gespannt. Polly fühlte das. Der Junge rutschte nach links und fiel herunter. Er lag am Boden. Polly bekam Angst. Das Schimmelpony raste weiter. Runde um Runde. Die anderen Ponys blieben stehen. Lisa, von Gabi am Strick geführt, blieb auch stehen. Alle hielten den Atem an. Das weiße Pony rannte weiter, immer dichter an den anderen vorbei. Der Junge im Dreck bewegte sich und stand auf, klopfte den Hallenboden von der Hose. Es war ihm nichts passiert. Er lachte sogar und ging los, um seinen Max wieder einzufangen. Das Pony war inzwischen sogar langsam  geworden, so dass Harald, so hieß der Junge, es einfangen konnte. Er wollte sich gerade wieder draufsetzen, als der Reitlehrer, der auch erschrocken gewesen war, „Aufmarschieren!“ brüllte,  die Reitstunden zuende war.

 

Polly war sehr erleichtert,  dass dem Harald nichts passiert war. Aber dass die Reitstunde schon fertig war, passte ihr gar nicht. Das mit den Zügeln und dem Händeruhighalten hätte sie gerne noch mal geübt. Aber sie musste jetzt von Lisa absteigen. „Danke“ sagte sie zu Gabi. Für Lisa aber holte sie die Zückerchen aus der Hosentasche und gab sie dem Pony. Polly hatte das Gefühl,  Lisa verstand, dass sie sich  bedanken wollte. Hoffentlich kam Lisa niemals auf die Idee, auch so loszurennen wie Max heute.

 

„Bis nächsten Mittwoch“, Polly streichelte noch mal Lisas weiches Fell und verließ dann die Reitbahn.

 (Fortsetzung folgt in wenigen Tagen)

 

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