Der Traum eines kleinen Mädchens (51) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Mittwoch, 13. Oktober 2010 um 13:55

Sich quälen, um in Sport und Leben gut zu sein...

 

 

Das fragte sich Polly seit letzter Woche. Herr Weber hatte sie alle in seiner Reitstunde ganz schön rangenommen. Polly war gut gewesen, dabei ritt sie ja erst seit etwas mehr als einem Jahr. Harald, der Sohn des Reitstallbesitzers, und der kleine Klaus mit seinem eigenen Pferd, dessen Vater der große Klaus genannt wurde, ritten doch schon viel länger als sie. Trotzdem hatte der strenge Herr Weber ausgerechnet Polly als Vorbild herausgestellt und sie gar vorreiten lassen.

Am Abend nach dieser besonderen Reitstunde schmerzten ihre Knie fürchterlich. Unter der warmen Dusche brannten sie noch mehr. Die Innenseiten waren wund gescheuert, doch sie bluteten nicht. In der Stunde hatte sie die Knie mit aller Kraft an den Sattel gepresst, die wunden Stellen waren die Folge.

Stolz überkam sie, sie lief zur Mama in die Küche und zeigte ihr die Wunden. „So sehr habe ich mich angestrengt!“, sagte sie. Liebevoll klebte ihr die Mama zwei Pflaster über die Wunden Kurz vor dem Einschlafen fragte sich Polly, ob die anderen auch die Knie wund geritten hatten. Oder war sie die einzige. Und wenn ja, war sie nur deswegen die Beste gewesen? Musste man so etwas aushalten, um besser zu sein als die anderen? War das bei den Weltmeistern auch so? Polly nahm sich vor, sich danach zu erkundigen. Sie schlief dennoch ganz zufrieden ein.

Die anderen Kinder litten nicht unter wunden Knien. Aber alle waren sich einig,  jede Woche müssten sie den Herrn Weber nicht haben. Ihr gewohnter Reitlehrer, Herr van Hopps, gab zwar langweilige Reitstunden, aber manchmal konnten sie dabei auch Quatsch machen. Dann wurden die Stunden lustiger. Außerdem verließ Herr van Hopps manchmal die Halle, und die Kinder durften reiten, wie sie wollten. Die Jungs veranstalteten dann meistens Rennen. Das ging so lange gut, bis der Reitlehrer zurückkam und sie zur Ordnung rief. Er ermahnte die Kinder immer, an die Pferdchen zu denken. Es seien Lebewesen, mit denen man nicht einfach tun dürfe, was man wolle. Natürlich könne man die Ponys auch überfordern. Immer nur durch die Bahn zu düsen im Renngalopp, wäre selbst für das stärkste Pony zu anstrengend.

Die Mädchen wollten meistens paarweise nebeneinander reiten. Dabei konnte man so schön miteinander plaudern. Manchmal ahmten sie auch das Musikreiten der Erwachsenen nach, nur ohne Musik. Das vordere Paar gab dann Kommandos, wie geritten werden sollte. Meistens spielte sich  Petra dann besonders auf und wollte angeben, was die anderen reiten sollten. Zum Beispiel durch die Länge der Bahn wechseln und dann am Hufschlag „einer links, einer rechts“. Dabei entstanden zwei entgegengesetzte Abteilungen, die gegeneinander ritten. Dabei musste man schon genau aufpassen. Die Abteilungen mussten dann rechts aneinander vorbeireiten, wobei die Abteilung auf der rechten Hand nach innen ausweichen musste. Leider kam der Reitlehrer immer zu früh zurück in die Bahn. Nie konnten die Kinder mal so lange üben, dass es fehlerlos klappte. Überhaupt gingen die Reitstunden immer viel zu schnell vorbei.

Diese Woche hatten die Herbstferien begonnen, sodass die meisten Kinder schon vormittags in den Stall kamen. Nur Rolf und seine große Schwester Monika waren mit ihren Eltern weggefahren. Polly durfte sich solange um Rih kümmern. Das braune Pony mit der schwarzen Mähne war in dieser Zeit wie ein eigenes Pferd für Polly.  Sie sollte zwar an den regulären Pony-Stunden eines Reitlehrer teilnehmen, aber sie durfte den Rih putzen und betüddeln soviel sie wollte. Und das nutzte sie aus.

Sie nahm sich sehr viel Zeit, um die Hufe auch noch von dem allerletzten bisschen Dreck zu säubern. Stundenlang bürstete sie das Fell. Immer wieder vom Kopf über die Schultern, Widerrist, Rücken bis zum Schweif. Die Mähne kämmte sie wieder und wieder. Pollys Hände waren schon ganz grau und fettig vom Gries aus Rihs Fell. Aber das war egal. Hauptsache das Pferdchen „blinkte“, und das Fell glänzte.

„Wills Du den Rih nicht mal in Ruhe lassen?“, fragte Herr van Hopps im Vorbeigehen, als er zum Mittagessen ging. Polly riss sich zusammen und hörte auf mit Bürsten. Die anderen Kinder waren in der Tränke. Frau Opitz, die Wirtin, hatte Frikadellen im Angebot. Sie stellte eine Platte mit den Köstlichkeiten mitten auf den Jugendtisch. „Zwei Stück für jeden von Euch. Was übrig bleibt, wird gerecht verteilt. Wenn es nicht auskommt, muss der Rest eben durchgeschnitten werden“, lauteten ihre Anweisungen. Dann brachte sie noch Senf.

Sofort nach dem Essen lief Polly wieder in den Stall zu ihrem Pflegepferd. Es lag in der Box, ganz wohlig und ruhte. Fast alle Ponys hatten sich in das Einstreu gelegt und „mümmelten“ am Stroh. Rih stand sofort auf, als Polly an ihn herantrat. Er war sowieso ein ziemlich nervöses Pony. Nicht nur im Stall. Beim Reiten merkte man das kaum. Doch kein anderes Pony scheute so oft wie Rih, keines ging auch so oft durch. Ohne Vorwarnung rannte Rih los und raste an der Abteilung vorbei. Rolf kam da immer in Wohnungsnot und hatte Mühe, nicht das Gleichgewicht zu verlieren und zu stürzen. Aber Rolf hatte sich daran gewöhnt und war immer auf der Hut.

Am Spätnachmittag kehrte Ruhe im Ponystall ein. Keine Stunde mehr. Doch heute hielt sich immer noch eines der Kinder dort auf: Polly. Immer noch stand sie bei Rih im Stall und strich mit einer weichen Bürste über das glänzende Fell.

„Lass das Pony doch nun mal in Ruhe!“, sagte Aggi zu ihr. Aggi war die fast erwachsene Tochter des Reitlehrers van Hopps. Sie hatte Polly im Pony-Stall entdeckt. „Es ist sehr nett von Dir, dass Du Dich so um Dein Pflegepony kümmerst. Aber die Tiere brauchen auch mal ihre Ruhe“, sagte sie. „Wenn Du aber etwas ganz besonderes für den Rih tun möchtest, kannst Du ihm morgen mal den Schweif waschen. Ich helfe Dir dabei“, sagte sie freundlich. Das war eine gute Idee. „Der Rolf wird sich wundern, wie gut Rih ausschaut, wenn er aus dem Urlaub  kommt“, fügte Aggi noch hinzu. „Der ist ja selber nicht gerade der beste Pferdepfleger der Welt“, bestätigte Polly begeistert und nahm sich vor, morgen Shampoo mitzubringen.

Ferien waren einfach etwas Herrliches. Könnte man doch nur die Schule ganz kippen und nur noch in den Reitstall gehen....

(Fortsetzung folgt....)

 

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