Der Traum eines kleinen Mädchens (53) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Donnerstag, 28. Oktober 2010 um 11:28

Petras Unfall doch schwerer...

 

Petra lag im Krankenhaus. Immer noch. Letzte Woche bei der Reitstiunde, da flog plötzlich ein Fußball über die Bande, die Ponys stürmten in Panik los, Petra stürzte schwer und musste ins Krankienhaus gebracht werden, sie erlitt schreckliche Schmerzen: Die Untersuchung ergab: Milzriss.

Polly hatte noch Petras schmerzverzogenes Gesicht vor Augen. Bisher wussten die Kinder nicht, was Milz bedeutet. Sie erkundigten sich nun und erfuhren, dass die Milz ein inneres Organ ist, das in der Nähe der Leber im Körper liegt und mit der Blutbildung zu tun hat. Soviel wusste Polly nun. Mehr nicht. Nur, dass alles wohl schlimmer war, als sie gedacht hatten.

 

Den Kindern im Reitstall Hubertus wurde noch einmal eingehend ins Gewissen geredet: Ponys und Pferde sind Lebewesen. Als solche konnten sie sich genau so erschrecken wie Menschen. Und genau das war ja geschehen. Keiner hatte damit rechnen können, dass in einem Reitstall ein Fußball durch die Gegend flog.

 

Die Abordnung der Erwachsenen hatten für Anton ein absolutes Stallverbot ausgesprochen und seinen Eltern mitgeteilt. Das lag jetzt genau eine Woche zurück. Die Kinder unter sich sprachen noch immer darüber. Sie standen unter dem schwarzen Brett im Reitstall, an dem sie das Ball-Verbots-Schild aufgehängt hatten. Sie registrierten, dass die meisten Leute, die den Stall betraten, erst mal auf das Schild zugingen und es zur Kenntnis nahmen.

 

Aber die Kinder waren heute nicht mehr so aufgeregt wie am Anfang, als der Unfall passiert war. Sie überlegten, wie es dazu kommen konnte. Warum Anton so etwas Gefährliches und Dummes gemacht hatte. Er war derjenige, der überhaupt nicht reiten wollte und als Außenseiter dastand. Hansi, der ritt auch nicht. Hansi hatte aber klipp und klar erklärt, warum, dass seine Mutter eben nicht genügend Geld für die Reitstunden besaß. Obwohl Hansis Vater Steuerberater war, hatten sie kein Geld für so etwas übrig. Zudem lebte der Vater lebte von der Familie getrennt. Bei Anton lag die Sache anders. Er lebte mit den Eltern zusammen, nur ein paar Häuser vom Stall entfernt.

 

Polly wirkte sehr nachdenklich seit dem Sturz von Petra. Sie hatte bekanntlich vor einiger Zeit beobachtet, wie tief traurig Anton einer Reitstunde zugeschaut hatte. Bis er sich durch Polly entdeckt fühlte und sofort wieder in Angriff ging. Damals beschlich Polly der Gedanke, dass Anton vielleicht einfach nur Angst hatte. Vielleicht Angst, nicht reiten zu können und sich vor der anderen zu blamieren.... Solange er sich nicht auf ein Pferd setzen musste, konnte er den Großen machen und allen zeigen, was für ein cooler Typ er sei.

 

Pollys Gedanken gingen noch weiter. Wenn Anton wirklich Angst hatte, sich zu blamieren, dann war er doch ein ziemlich armes Würstchen. Bei dem Gedanken hatte Polly so etwas wie Mitleid mit dem Jungen. Armer Kerl! Dann aber musste sie an Petra denken. Auch wenn diese immer so ein bisschen eingebildet war, tat sie doch allen leid. Schlimm genug, dass sie im Krankenhaus liegen musste und nicht in den Reitstall kommen konnte, aber vor allem hatte sie ja arge Schmerzen gehabt. Das hatte keiner vergessen.

 

Die Kinder hatten eine Karte mit in den Stall gebracht. Sie saßen um den Jugendtisch in der Tränke, und jeder schrieb einen Gruß darauf. Für Maria und Marion, die noch nicht schreiben konnten, erledigten das die größeren. Pollys Mama nahm die fertige Karte an sich und fuhr mit Pollys jüngstem Bruder George zu Petra ins Krankenhaus, während Polly Reitstunde hatte.

Insgeheim hatte Polly gehofft, dass ihr die Pflege von Diana übertragen werden würde. Auch ging sie davon aus, dass sie Petras Pony reiten dürfte. Es kam anders. Petra hatte wohl verfügt, dass Aggi, die Tochter des Reitlehrers van Hopps, Diana reiten sollte. Polly war schon klar, dass niemand von Petras Pony-Freunden für ihr Pferdchen gut genug sein würde. Für Petra hatte das Ganze auch den Vorteil, dass sie nach der Genesung ein hervorragend berittenes Pferd zurückbekommen würde. Etwas Gutes musste diese schlimme Situation anscheinend mit sich bringen. Polly freute sich und war gespannt, Aggi zuschauen zu können, weil die eine sehr gute Reiterin war.

 

Die Pony-Abteilung bildete sich aus fünf Ponys. Dass Aggi auf Diana die Tete übernehmen würde, stand außer Zweifel. Genauso kam es. „Alle andere reihen sich dahinter ein!“, rief der Reitlehrer. Frau Dimmer, Petras Mama stand an der Bande und schaute genau zu. Sie sollte ihrem Töchterchen alles genau berichten. Schließlich ging sie dann doch in die Tränke. Von dort konnte sie ja auch in die Halle schauen. Das reichte.

 

Etwas zu groß, um auf einem Pony zu reiten, war Aggi ja schon. Aber es ging so gerade eben noch, fand Polly. Aggi trieb Diana richtig an. Der Schritt war viel zügiger als bei Petra. Die anderen hatten Mühe mitzukommen. Fast alle rundeten daher die Ecken ab. Natürlich sah der Reitlehrer das sofort und kommandierte: „Ecken ausreiten! Abstand einhalten!“. Es blieb den Kindern nichts anderes übrig, als sich sehr anzustrengen. „Im Arbeitstempo antraben!“, erfolgte das Kommando. Der Trab war genauso zügig wie der Schritt. Also nicht nachlassen! Mithalten! Polly gab sich alle Mühe. Naomi, ihr Pony, zählte zu den etwas kleineren Ponys. Ein Shettie eben. Mit seinen kurzen Beinchen musste das Pony ziemlich schnell traben. Wenn der Reitlehrer nicht hinschaute, rundete Polly doch die Ecken einfach ab, um dranzubleiben an dem Vorderpferd.

 

„Durchparieren zum Schritt“, rief der Reitlehrer. Für Pollys Meinung viel zu früh. Sonst mussten sie immer viel länger leichttraben am Anfang der Stunde. „Hast Du nichts gemerkt, Aggi?“, fragte er seine erfahrene Tochter. Die verneinte und wunderte sich, dass sie nun einmal alleine antraben und an der Abteilung vorbeitraben sollte. „Jetzt mal handwechseln“, befahlt ihr Vater. „Nur Aggi!“, fügte er hinzu. Aggi wechselte durch die ganze Bahn im Trab und ritt nun der Abteilung entgegen. Auf der Innenseite der Bahn auf dem zweiten Hufschlag. „Merkst Du immer noch nichts?“, rief Herr van Hopps.

 

„Diana lahmt. Vorne rechts. Das musst Du doch spüren“, sagte der Reitlehrer nun ernst. „Ich sitze doch das erste Mal auf Diana. Ich kenne doch deren Bewegungsablauf überhaupt nicht’“, rechtfertigte sich Aggi. Polly verstand, dass ein guter Reiter fühlen müsste, wenn sein Pferd lahme. Gesehen hatte Polly aber nichts. Ihr war nicht aufgefallen, dass Diana lahmte. Aber Polly hatte so genau auch nicht darauf geachtet.

 

Herr van Hopps klopfte an die Scheibe der Tränke und winkte Frau Dimmer heraus. Die hatte gar nichts mitbekommen von den Geschehnissen in der Reitbahn. Nur ab und zu hatte sie einen Blick in die Halle geworfen.  Auch ihr war nichts aufgefallen.

 

Gemeinsam beschlossen der Reitlehrer und Frau Dimmer, dass Diana nur noch Schritt gehen sollte heute. Aber die Erwachsenen rätselten rum, wieso das Pony lahm war. Die letzten Tage, seit Petras Unfall, wurde das Pony gar nicht geritten. Es kam nur nach draußen auf ein Paddock. Dort konnte es frei auf Sandboden herumlaufen. „Genau das ist wahrscheinlich die Ursache“, sagte Herr van Hopps. „Entweder tobte Diana dort zu wild herum und hat sich versprungen oder sie hat sich in der Box verlegen. Wir warten ein paar Tage ab und fangen dann erst mal mit Schritt wieder an, Diana zu bewegen. Mal sehen, ob es dann besser ist“, beschloss er.

 

„Nichts ist mit gutem Beritt“, dachte Polly. Petra würde sich wohl selber anstrengen müssen, wenn sie wieder da wäre. Die anderen Kinder müssen sich ja auch Mühe geben. Die Schulponys wurden kaum beritten. Wer sollte das auch tun. Da war keiner scharf drauf von den Großen. Ein bisschen Schadenfreude empfand Polly ja schon.

 

„Kind im Krankenhaus, Pony lahm...Ich muss einen Prosecco trinken!“, sagte Frau Dimmer theatralisch und rauschte in Richtung Tränke ab.Von dieser Pony-Stunde blieb nicht mehr viel übrig. Polly war sauer. „Das sage ich dem van Hopps aber. Der bekommt kein Märkchen aus meiner Zehnerkarte von mir“, schimpfte sie leise vor sich hin. Ihre Wut steigerte sich noch, als die Stunde fünf Minuten zu früh beendet wurde. Frau Dimmer hatte dem Reitlehrer durch die Tränken-Scheibe signalisiert, dass dort ein Glas Prosecco auf ihn wartete.

 

Das würde sie ihm heimzahlen, dachte Polly. Sie hatte ein Recht auf die volle Reitstunde. Schließlich bezahlte sie ja auch dafür! Sie würde sich wehren....

 

(Fortsetzung folgt...)

 

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