Der Traum eines kleinen Mädchens (58) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Donnerstag, 02. Dezember 2010 um 11:29

Kalt, und dann knatterten die Ponys los...

 

Polly war es dauernd kalt, sie fror, auch in der Schule. Doch immer mussten die Kinder in den Pausen nach draußen. Nie durften sie in den Klassenräumen bleiben. Und gerade, wenn es ihnen in den Stunden langsam wieder wärmer wurde, kam irgend so ein „Hirnie“ darauf, die Fenster öffnen zu lassen. Angeblich sei die Luft so schlecht. Und dann schoss die Kälte direkt hinein. Vor allem die Mädchen froren. Zuhause wiederum war es wohlig warm. Mama machte die Fenster immer nur vormittags zum kurzen Lüften auf. Dann nicht mehr. Zuhause war es wirklich kuschelig.

Die Kälte hatte auch den Reitstall fest im Griff. Eisige Kälte in der Reithalle. Wieso die Pferde nicht erfroren, war ein Rätsel. So dicht konnte das Fell doch gar nicht sein, oder ? Den Ponys ging es gut. Die Kinder bürsteten an dem langen Fell herum, um es sauber zu bekommen. Der Gries darin, so ein graues Zeug, ging dennoch nicht weg. Sie konnten striegeln wie sie wollten. Immer noch kam etwas aus dem Fell heraus. Genau das sei es aber, was die Pferde warm hielte, sagte der alte Pitter. Er hatte den Kopf nach hinten geworfen und sah mit hängenden Augenlidern wie aus Sehschlitzen auf die Kinder herab. „Wir können uns ja auch dreckig machen, damit wir nicht frieren“, schlug Hansi lachend vor. Nur Petra und Marion, die immer aussahen wie Püppchen, vermochten darüber nicht zu lachen. Selbst nach dem Putzen ihrer jeweiligen Ponys sahen die beiden Mädchen immer noch wie aus dem Ei gepellt aus.

Das Thermometer zeigte heute morgen minus sieben Grad an, saukalt also. Natürlich befanden sich in der Tränke Heizungen. Im Stall, in der Sattelkammer und auf den Stall-Toiletten jedoch nicht. Die Kinder froren die ganze Zeit. Erst im letzten Augenblick gingen sie aus der Tränke, um ihre Ponys für die Reitstunden fertig zu machen. Forschen Schrittes kam ihnen Joachim entgegen. Er hatte frei und würde am heutigen Tage die Pony-Schulstunden übernehmen. Herr van Hopps war erkältet und im Stall gar nicht erst aufgetaucht. Schon heute Vormittag bei der „Kochlöffelstunde“ der Hausfrauen, hatte er nur noch geschnieft. Seine Stimme hatte versagt. Er konnte nicht einmal mehr mit den Damen flirten. Da er sich als Reitlehrer kaum bewegen musste und nur in der Mitte der Halle stand, war ihm so kalt geworden, er hatte Fieber.

Darüber aber dachten die Kinder mit keinem Gedanken nach. Sie freuten sich einfach, dass der junge Hilfsreitlehrer die Stunden hielt. Er scheuchte die Kinder erst einmal in den Ponystall, um die Pferdchen ordentlich zu putzen. „Dabei werdet ihr schon warm werden. Immer nur den Striegel schön kreiseln lassen!“, befahl er lachend. „Wer sich nicht anstrengt, dem wird nicht warm“, sagte er. Die jammerten, dass ihnen nicht warm würde. Die Hände blieben kalt. Die Fingerspitzen froren. Polly erinnerte sich, dass das im letzten Jahr genauso war. Der Kälte im Stall war nicht zu entrinnen. Da half auch kein Putzen. Joachim hatte ja keine Ahnung! Die Zehenspitzen brannten vor Kälte. Wie sollte da kräftiges Striegeln helfen? Der spinnt doch!

Mit den klammen Händen schafften die Kinder es nur mühsam, die Lederriemen der Trensen und die Strippen des Gurtes in die Schnallen zu bekommen und anzuziehen. In der Halle würde Joachim helfen müssen. Der fror ja nicht. Soll der das doch machen, wenn er schon so kluge Ratschläge gegen die Kälte parat hatte!

So geschah es auch. Die Kinder ordneten sich in einer Abteilung. Kaum dass sie hintereinander herritten, sollten sie schon antraben. „Damit ihr gleich warm werdet“, ordnete Joachim an. Selbst stapfte er Runde um Runde auf einem imaginären Hufschlag neben der Abteilung her. Sogar beim Handwechsel wechselte er auch seine Laufrichtung. Zu keiner Zeit aber blieb er auf einer Stelle stehen, bewegte sich ständig. Dabei hielt er einen Vortrag über Aufwärmen beim Sport.

Gerade, als er das Wort „Zwiebelsystem“ in den Mund nahm, schossen alle Ponys ab. Sie galoppierten los, buckelten, und rannten kreuz und quer durch die Reitbahn. Polly war darauf nicht gefasst gewesen. Prinzchen machte einen Satz nach vorn und Polly lag im Sand.

 

Tränen der Wut schossen ihr aus den Augen. Es hatte einen ordentlichen Bums gegeben. Ihr tat der linke Batzen weg. Sie war auf dem Popo gelandet. Wütend rappelte sie sich wieder auf und stellte fest, sie war nicht die einzige gewesen: Marion und Harald lagen ebenfalls am Boden. Die Blamage war somit nicht ganz so groß. Ihre Tränen versiegten. Alle sammelten ihre Ponys wieder ein und die Reitstunde konnte weitergehen.

„Das ist die Kälte“, sagte Joachim. „Ganz normal! Die Pferde wollen sich bewegen. Ihnen ist auch kalt. Deswegen sind sie so knackig“, fuhr er fort. „Eigentlich hätten wir im Schritt anfangen müssen. Aber Euch war ja so kalt. Ohne Rücksicht auf die Tiere habe ich Euch direkt traben lassen. Das war falsch. Denn, wenn die Ponys noch nicht warm geworden sind, ist die Verletzungsgefahr auch bei dem Tieren viel höher als normal. Wenn es so kalt ist und die Pferde brettern einfach los, wie gerade eben, dann sind Muskelzerrungen und Sehnenrisse vorprogrammiert. Genau wie bei uns Menschen. Je kälter das Wetter ist, desto vorsichtiger müssen die Muskeln, Gelenke und Sehnen aufgewärmt werden. Im Grunde genommen sind unsere Pferde auch Sportler und sind wie Sportler zu behandeln“, erklärte Joachim. So hatte Polly alles noch nicht betrachtet. Aber es leuchtete ein. Das mit den Zwiebelprinzip hatte sie letzten Winter schon gelernt: zwischen über einander geschichtete Kleidung bildet sich eine warme isolierende Luftschicht. Sie hatte es nicht vergessen.

 

Dass Skifahrer und Schlittschuhläufer und ganz besonders Fußballspieler sich vorher aufwärmen und Stretching machten, hatte sie schon oft im Fernsehen gesehen. Bis heute war ihr das immer albern vorgekommen. Sie hatte es affig gefunden und gedacht, die Sportler machten das nur, um sich wichtig zu machen. Aber wenn Joachim das sagte, dann musste es schon stimmen.

 

Joachim ließ die Kinder immer weiter traben, leichttraben. Rechts herum, links herum, dauernd die Hand wechselnd. Tatsächlich verspürten die kleinen Reiter die Kälte kaum noch. Die Ponys fingen sogar an zu schwitzen. Zuerst am Hals. Dann immer mehr. Sie begannen zu dampfen. Nebel stieg über ihnen auf. Joachim ließ durchparieren zu Schritt. Dampf kam aus den Nüstern. Allen, Reitern und Ponys, war warm geworden. Das lange Winterfell tat seine Wirkung. Die Ponys schwitzten. Die Reitstunde konnte ihren normalen Verlauf nehmen. Aber sie war früher zuende, als gedacht. Joachim ließ Schritt gehen. „Die Ponys sind sehr nass. So könnt ihr sie nicht in den Stall stellen. Sie würden sich erkälten. Sie müssen erst mal trockengeritten werden. Also los: Schritt reiten! Nicht stehen bleiben!“ befahl er den Kindern. Die ritten zu zweit nebeneinander, schwatzten und lachten. Aber nicht lange, ihnen wurde bei Schrittreiten sofort wieder kalt. Das Trockenreiten dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Es musste aber sein. Keiner wollte, dass sich die Pferdchen erkälten.

 

Langsam kroch die Kälte von den Füßen aufwärts in den Körper. Die Fingerchen ließen sich kaum noch bewegen. Scheiß Winter! „Können wir aufhören?“ riefen sie. Petra hatte es gut: sie legte ihrer Diana eine Decke über und führte sie in die Box. Das Stütchen sollte unter der Decke trocknen. Petra war schon mit Aufräumen fertig, als die anderen Kinder erst in den Stall kamen. Joachim erschien im Ponystall. Er berührte jedes einzelne Pferdchen mit der Hand, um festzustellen, ob keine Feuchtigkeit mehr vorhanden war. Bei Dianas Box blieb er stehen, schaute auf die Decke und rief dann Petra zu sich. Alle Kinder konnten hören, was er zu dem Mädchen sagte: „Wenn Du schon eine Decke auf das verschwitzte Pferd legst, muss es eine leichte Decke sein. Keine Stalldecke. Die Feuchtigkeit muss nach außen abgegeben werden können. Am allerbesten ist, zwischen das feuchte Fell und die Decke stopfst Du eine Schicht trockenen Strohs. Dann bist Du ganz auf der sicheren Seite. Legst Du eine dicke Stalldecke auf das noch feuchte Fell, kann die Feuchtigkeit nicht durch den Stoff nach außen weg und macht nur den Innenstoff nass. Da trocknet gar nichts mehr und eine Erkältung ist vorprogrammiert“.

 

Die anderen Kinder waren schon fertig, hatten ihre Pferdchen abgepflegt und das Sattelzeug aufgeräumt. Petra aber musste die schwere Stalldecke wieder von Diana herunternehmen und schnell eine leichte Abschwitzdecke holen und auflegen. Natürlich stopfte sie Stroh dazwischen, wie Joachim es geraten hatte. Das war auch gut so, denn Petras Pferdchen war tatsächlich noch nass.

 

(Fortsetzung folgt....)

 

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