Der Traum eines kleinen Mädchens (61) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Donnerstag, 23. Dezember 2010 um 19:37

Herrliche Stimmung im Reitstall

 

Weihnachten stand kurz bevor. Nur noch einmal schlafen, dachte Polly schon  beim Aufstehen. Sie konnte sich noch ganz genau daran erinnern, wie das Weihnachten vor einem Jahr ablief. Damals hatte sie die gleiche Spannung gefühlt, heute war das nicht anders.

 

Wieder hatte sie einen Wunschzettel geschrieben. Der Inhalt glich dem vom letzten Jahr: Pollys geheimster Wunsch war ein eigenes Pony. Dabei wusste sie schon, dass sie mit den Eltern in einer Wohnung wohnten und hier kein Platz für einen Ponystall war. Aber das hatte sie mit ihrer Schulfreundin Moni ganz genau besprochen. Die Mädchen hatten auch für dieses Problem eine Lösung gefunden. Die war so perfekt, dass beide Eltern gar kein Argument dagegen haben konnten. Es gab kein Argument mehr, das ihren Plan verhindern könnte.

 

Also schrieb Polly auf ihrem Wunschzettel ganz oben, sie hätte gerne ein eigenes lebendiges Pony. Sie dachte dabei an Michi, das neue Doppelpony aus dem Reitstall Hubertus. Aber ihr wäre jedes Pony recht gewesen.

 

Unter dem Pony standen noch andere, bescheidenere Wünsche. Nur so, für alle Fälle, falls sich das Christkind einfallen lassen würde, kein Pony zu bringen. Eine neue Reit-Ausrüstung wäre auch schön, dachte Polly. Mal eine tolle richtige Reithose mit Kniebesatz, wäre das Richtige für eine so gute Reiterin, wie sie. Neue Handschuhe täten es auch. Die müsste sie eigentlich sogar ganz dringend haben. Denn die, die sie hatte, waren schon zerrissen. Um das Christkind milde zu stimmen, wollte Polly nicht unbescheiden erscheinen und hatte deswegen für die Schule nichts gewünscht. Obwohl sie sich auch in diesem Lebensbereich schöne Geschenke gewünscht hätte.

 

Im Reitstall hatten die Kinder sich gegenseitig ihre Weihnachtswünsche erzählt. Dabei war herausgekommen, dass Petras sehnlichster Wunsch ein mit Diamanten besetztes Stirnband für die Trense ihrer Diana war. Polly konnte sich das gar nicht vorstellen: ein Lederkopfstück für ein Tier mit Diamanten besetzt. Das gab es doch gar nicht! Zuhause hatte Polly ihrer Familie von Petras ausgefallenem Weihnachtswunsch erzählt. „Mit echten Diamanten gibt es kein Stirnband. Die Petra meint bestimmt mit Strass-Steinchen“, sagte Pollys Mama. „Oh doch“, erwiderte Pollys Papa. „Gibt es doch!“, sagte er noch und fügte hinzu: „Ich habe eine Reportage über Russland gesehen. Dort gibt es eine spezielle Messe für Superreiche Moskauer. Die hatten dort mit Brillianten besetzte Handys. Warum sollte es so etwas nicht auch als Reitzubehör für Moskaus Milliardäre geben?“ Polly sah ihren Vater mit großen Augen an. „Konnte es wirklich sein, dass Petra ihrem Pony ein mit Diamanten besetztes Stirnband umtat?“, dachte sie fassungslos und stellte sich das Funkeln der teuren Steinchen in der Reitbahn von Hubertus vor.

 

Die Wünsche der übrigen Kinder erschienen sehr bescheiden daneben. Aber sie waren typisch. Die Jungen wünschten sich überhaupt nichts, was mit den Ponys zu tun hatte. Bei denen standen eher neue Fahrräder auf den Zetteln. Die kleine Marion hatte ihren Wunschzettel mit ihrer Mama zusammen geschrieben. Dort stand eine echte Reitbluse an erster Stelle: In weiß und mit einem Stehkragen, der mit einem betickten Band oder so etwas zusammen gehalten wurde.

 

Das alles hatte Polly am Sonntag erfahren. Die Kinder konnten lange im Stall bleiben, weil die Eltern wieder einmal versackten. Das Musikreiten war toll gewesen. Jemand hatte Nikolauskostüme besorgt, und jeder, der an diesem Sonntag mitreiten wollte, musste in ein Kostüm schlüpfen. Alles wirkte unglaublich lustig. Kaum musste die Abteilung antraben, trällerte aus den Lautsprechern „Jingle Bells“, da verrutschte dem großen Klaus, der an der Tete ritt, der lange weiße Bart. Der Reiter dahinter verlor seine rote Mütze, und der ältere Herr auf Contessa verlor gleich den Anschluss an die Abteilung. Contessa lief in die Mitte der Bahn und rührte sich nicht mehr vom Fleck. Das Chaos war perfekt! Herr van Hopps wusste nicht mehr, wohin er zuerst schauen sollte. Alle wollten was von ihm: Den Bart befestigen, die Weihnachtsmann-Mütze aufheben und Contessa anschieben. Das immer bei „Jingle-Bells, jingle all the way“… Doch als Bing Crosby “I am dreaming of a white christmas” sang, fielen alle Reiter mit ein und schmetterten im Chor das sexieste Weihnachtslied der Welt. Das war ein cooler Sound in der Schnee bedeckten Reithalle. Die Gäste an der Bande sangen oder summten mit. Es schien, dass die Weihnachtsdekoration an der Reitbahnwand ein Übriges dazu tat, dass sich die festliche Stimmung immer mehr steigerte. Herr van Hopps ließ die Abteilung durchparieren und aufmaschieren. Alle kamen gerade zum Stehen, da ertönte die samtweiche Tenorstimme von Luciano Pavarotti „Silent Night, holy Night“. Alle kannten die Melodie und sangen auf deutsch „Stille Nacht, heilige Nacht“. Polly war ergriffen. Hier, im Stall, Weihnachten... Nicht nur Polly wurde gerührt, auch ihre Freunde. Es war schön.

 

Der Reitlehrer kannte die CD natürlich. Er hatte den Aufbau der Reitstunde so geplant, dass alles passte. Und es hatte funktioniert. Es war selbstverständlich, dass nach dem Musikreiten alle in der Tränke „ein kleines Getränk“ nehmen würden. Es gab Weihnachtsgebäck und Schokoladen-Weihnachtsmänner für die Kinder. Die Stimmung war ausgelassen und fröhlich. Streithähne gab es heute keine. Auch nicht unter den Erwachsenen.

 

Mitten in der Weihnachtsfeier stahl Polly sich aus der Tränke. Sie ging in den Ponystall. Alles war ganz ruhig und friedlich an diesem Sonntagmittag. Die Jugendlichen, die sonst ihre Pferde nach dem Musikreiten in der Halle bewegten, hatten die Pferde kurzerhand in „die Halle geworfen“ und ließen Training Training sein. Sie wollten in der Tränke mitfeiern. Deswegen war es im Ponystall ganz ruhig, als Polly dort ankam. Man hörte nur, wie die Pferde das Heu zwischen den Zähnen mahlten. Ab und zu schnaubte eines der Ponys. Es war friedlich im Stall. Polly fühlte sich den Tieren sehr verbunden. Sie befand sich in ihrer Welt. Sie fühlte sich glücklich. Sie kauerte sich in Lisas Box, nahm Stroh und Heu in die hand, roch daran, fühlte den Atem ihres Lieblings, der ab und zu mit der weichen Nase kam und sie anstubste. Polly grub ihre Nase in das Fell des Ponys und roch daran. Herrlicher Geruch!

 

Plötzlich hörte sie einen Schrei aus Richtung Reithalle. Der Zauber des Augenblicks verflog. Sie rappelte sich auf und lief, um zu schauen. Frau Dimmer hatte geschrien: „Wie schade! Die haben die Dekoration ruiniert!“. Polly sah das Unglück: die freilaufenden Pferde der Jugendlichen hatten die Weihnachtskränze mitsamt den Kugeln von den Wänden gerissen. Frau Dimmer rief alle aus der Tränke, damit sie sich über den Schaden aufregten, wie sie. Tat aber keiner! War ja nur die Reithallen-Dekoration. Die Jugendlichen, deren Pferde dort freiliefen, mussten die Reste der zerbrochenen Kugeln sorgfältig entfernen. Zum Schutz der nächsten Pferde, die freilaufen durften. Das störte Aggi, Gudrun, Hans und Bernd und die anderen aber nicht. Frau Dimmer hatte sich umsonst so aufgeregt.

 

Nach und nach verabschiedeten sich alle von einander, wünschten „Frohe Weihnachten“ und machten sich auf den Weg nach Hause. Jetzt konnte der Heilige Abend kommen. Nur noch einmal schlafen! Polly vermochte ihre Spannung kaum noch ertragen. Sie wusste, das Christkind kannte ihren Plan.

 

(Fortsetzung folgt....)

 

 

 

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