Der Traum eines kleinen Mädchens (7) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Dienstag, 08. Dezember 2009 um 12:15

Polly hakt nach

7. Kapitel

Letzte Woche hatte Polly in der Schule groß angeben wollen mit ihrer Reiterei. Das ging aber schwer in die Hose. Ihre Klassenkammeradin Moni, die richtig Monika hieß, behauptete nicht nur reiten zu können, sondern darüber hinaus sogar ein eigenes Pony zuhause zu haben. Polly war immer noch misstrauisch: vielleicht hatte Moni einfach nur gelogen und aus einem Stofftier ein lebendiges Pony erfunden...

 

 

Was aber Polly seit dem Vorfall in der großen Pause zu denken gab war der Umstand, dass Moni etwas über Pferdepflege wusste und sie, Polly, hatte keine Ahnung. Sie kam sich so doof vor. Aber heute würde sie das überprüfen.

 

Opa brachte sie früher als sonst in den Reitstall. Einige Kinder waren schon da. Harald, der immer von Max herunter fiel, und Maria, das kleine Mädchen mit der Brille, die letztes Mal Lisa mit Polly obendrauf geführt hatte und die Lisa einfach losgelassen hatte. Jetzt erfuhr Polly, dass die beiden Geschwister waren und die Kinder vom Reitstallbesitzer. Denen gehörte ein ganzer Reitstall. Polly staunte: alle Ponys von der Schulstunde, mindestens zehn Stück, gehörte denen. Für Polly ein unvorstellbares Glück.

 

Petra war da und auch Gabi, immer noch mit lila Jacke. „Gut, dass Du schon da bist“, sagte Gabi. „Du kannst putzen helfen. Komm mit.“ Sie nahm Polly mit in den Raum, wo alle Sättel und Trensen hingen. Dort waren Eimer und so Plastik-Boxen, die Polly letztes Mal schon bei einigen Kindern gesehen hatte. Gabi drückte ihr eine bläuliche Box in die Hand.

Der Deckel war schon ein bisschen kaputt. Überhaupt sah diese Box schon sehr ramponiert aus. In ihr befanden sich unterschiedliche Bürsten

und so was aus Metall und ein oller Schwamm sowie dreckige Lappen. Gabi nahm Polly mit zu den Schul-Ponys. Sie zeigte ihr ein Gummi-Teil, einen Striegel. „Damit reibst Du Lisa ganz doll ab. Immer in kreisenden Bewegungen, vom Hals über den Rücken, hinten die Beine runter. Vorderbeine nicht vergessen! Nie gegen den Strich des Fells!“ Während sie Anweisungen an Polly gab, holte sie so einen Metallhaken mit Plastikgriffen und Bürstchen

aus der Putzbox, wie selbstverständlich nahm sie ein Bein von Lisa nach dem anderen hoch und kratzte die Hufe aus, befreite sie von Mist. „Das ist ein Hufkratzer. Die Hufpflege ist überaus wichtig. Auf den Hufen läuft das Pferd. Sind die Hufe krank, tut es dem Pferd weh und dann kann es nicht laufen.“ Gabi machte wieder so ein wichtiges Gesicht. Polly kannte es schon. Das hatte Gabi schon gemacht, als sie erklärt hatte, wie man die Zügel richtig in den Händen hält.

 

Sie ließ Polly alleine. Mit der linken Hand fühlte Polly das weiche Fell des Pferdchens, mit der linken ließ sie den Gummi-Striegel auf dem Hals von Lisa kreisen, rund und rund und rund. Da wo Lisas Fell weiß war, befanden sich zum Teil gelbe Flecken. Das kam vom Mist, in den sich das Pony nachts legte. Polly konnte noch so oft den Striegel dort kreisen lassen, die Flecken gingen nicht weg.

 

„Bist Du immer noch nicht fertig?“ es war Harald, der hinter ihnen vorbei ging. Augenblicklich wurde Polly gewahr, dass einige Kinder schon ihre Ponys gesattelt in die Halle führten.

 

Sie war mit Putzen auf der ersten Seite des Ponys. Würde sie jetzt die Reitstunde verpassen? Sie bekam Angst, dass sie heute nicht mehr mitreiten könnte. Was sollte sie machen? Würde trotzdem ein Kärtchen von der Zehnerkarte abgerissen, obwohl sie die Reitstunde verpasst hatte? Es war ja ihre eigene Schuld. Sie war nicht rechtzeitig fertig geworden. Polly schwitzte. Sie bekam Panik. Was sollte sie tun? Wie das zuhause erklären? Im Geiste hörte sie Ihre Brüder höhnisch lachen.

 

Unvermittelt bog Gabi um die Ecke. Sie trug Sattel und Trense. „Wir müssen uns beeilen.“ Sie legte den Sattel auf, und die Trense zog sie über den Pferdekopf. Gabi schien gar nicht zu bemerken, dass Lisa nur halb geputzt war. Polly lief nur hin und her. Sie konnte in dem Moment nichts machen. Alle anderen waren schon in der Reithalle.

 

Gabi half ihr aufs Pferd. „Häng Dich einfach hinten dran“, Gabi rannte aus der Halle. Polly hatte bemerkt, dass sie den Führstrick vergessen hatten. Sie war viel zu aufgeregt, um alleine was zu machen. Sie wartete und wurde immer nervöser. Der Reitlehrer kümmerte sich nur um Petra mit ihrem braunen Pony Diana. Herr van Hopps bekam von der ganzen Hektik nichts mit. Gabi kam zurück gerannt. Ohne „Türfrei“ zu rufen, lief sie in die Reitbahn, auf Polly zu und reichte ihr die unappetitliche Reitkappe. Vom Führstrick keine Spur. „Worauf wartest Du? Häng Dich an die Abteilung!“, Gabi rannte wieder aus der Halle. Wieder ohne „Türfrei“.

 

Vorsichtig klopfte Polly die Fersen an Lisas Bauch, die prompt brav im Schritt loslief. Genauso vorsichtig lenkte Polly das Pony in Richtung Abteilung. Zuerst hatte sie einen zu großen Abstand. Dann kam sie immer näher an die Abteilung heran. Nun war sie die vierte Reiterin einer Abteilung. Sie ritt ganz selbstständig, keiner führte sie mehr. Von jetzt an verwandelte sich die Hektik in aufgeregte Freude.

 

„Abteilung halt!“ kommandierte der Reitlehrer. Petra, die vorne ritt, parierte durch. Alle kamen zum Halten. Herr van Hopps erklärte was mit lauter Stimme. Polly hörte es dennoch nicht. Sie versuchte Lisa so anzuhalten, dass die nicht zu dicht hinter dem Vorderpferd  stand. Das misslang. Lisa lief weiter, bis sie schräg neben dem Vorderpferd zum Stehen kam. Das Pony machte, was es wollte. Außerdem drehte sich dann auch noch das Mädchen, das vor Polly ritt, nach Polly um und herrschte sie an: „Halt gefälligst Abstand. Mein Pony tritt.“

 

Am Führstrick hatte sich Polly immer Mühe gegeben, gut zu sitzen und die Hände korrekt zu halten. Jetzt passierte so viel auf einmal, Polly schien alles vergessen zu haben. Sie hatte ausschließlich damit zu tun, den richtigen Abstand zum Vorderpferd zu halten und im Trab nicht runterzufallen. Herr van Hopps rief ihr irgend etwas zu von Leichttraben und Rhythmus und Aufstehen und Sitzenbleiben. Polly verstand gar nichts. Sie musste das Gleichgewicht halten und hielt sich zwischendurch an der Mähne fest. Das Kommando „Antraben“ kam immer so plötzlich. Die Pferdchen trabten von selbst an. Lisa jedenfalls. Polly konnte sich gar nicht vorbereiten, da war das Pony schon im Trab und Polly wurde im Sattel hin und her geworfen. Gerade, wenn sie das Gleichgewicht gefunden hatte und sie sich trauen wollte, die Mähne loszulassen, kam das Kommando „Durchparieren zum Schritt“ und sie musste irgendwie versuchen, an den Zügeln zu ziehen, dass Lisa dem Vorderpferd nicht zu dicht kam. Es klappte nicht, wieder lief das Pony einfach weiter. Alles ging so schnell. Zu schnell für Polly.

 

Die Reitstunde war vorüber. Die Zeit verging im Flug. Polly hatte die Zeit und alles um sich herum vergessen. Aber sie hatte es geschafft. So viel Aufregung!

 

Heute hatte sie besonders viel gelernt. Was Moni in der Schule gesagt hatte, das mit der Pferdepflege, schien durchaus richtig zu sein. So schön das war, mit dem Striegel und den Händen über das Fell zu streicheln, es wollte gelernt sein. Polly würde auch das schaffen. Sie würde schneller sein.  Eines Tages würde sie besser sein als Moni.

 

Gerade brachte sie die Kappe zurück zu Gabi, die sich als rechte Hand des Reitlehrers bei den Schul-Ponys verstand, als Harald hinter ihr herrief, sie solle sofort zu Herrn van Hopps kommen. Polly erschrak. Hatte sie etwas falsch gemacht? Sie beeilte sich, in die Halle zu kommen. „Du hast doch heute beim Pony-Putzen geholfen, oder? Wenn Du willst, kannst Du noch eine Stunde reiten. Für Lisa hab ich keinen mehr. Die kann aber noch eine Stunde gehen.“

 

So schnell sie konnte holte Polly die Kappe. Sie hatte es selbst kaum für möglich gehalten: ganz ohne Hilfe kletterte sie auf Lisa. Der Reitlehrer hielt das Pferdchen nur am Zügel fest, dass es nicht loslief. Wie sie es bei den anderen schon gesehen hatte, nahm sie den linken Fuß hoch, steckte ihn in den Steigbügel, drückte sich mit dem rechten Bein vom Boden ab und schwang das rechte Bein über den Pferderücken. Mit den Händen hatte sie sich am Sattel hochgezogen.

 

Komisch, die zweite Stunde war viel entspannter als die erste. Die Überraschung mit einer zusätzlichen Reitstunde machte nur Freude. Wie gut würde es erst nächsten Mittwoch werden...

 

(Fortsetzung folgt...)

 

 

Um die Nutzbarkeit unserer Seiten zu verbessern, verwenden wir Cookies. Falls Sie mit der Speicherung von Cookies nicht einverstanden sind, finden Sie hier weitere Informationen. Weitere Informationen >>> Cookie-Hinweis.

Hinweis >>>