Der Traum eines kleinen Mädchens (67) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Mittwoch, 02. Februar 2011 um 17:10

Vor der ersten Abzeichen-Prüfung...

 

Der Reitstall blieb der Mittelpunkt in Pollys Leben. Die Schule war einfach nur nervend. Das aller Schlimmste daran, dass Pollys Eltern die Situation ganz anders sahen. Fast jeden Tag entbrach eine Diskussion am Mittagstisch über die Wichtigkeit „fürs Leben zu lernen“. Polly konnte es nicht mehr hören. Immer die selben Sprüche Ihrer Eltern. „Du lernst nicht für uns, sondern für Dich“.  „Uns kann egal sein, ob Du dumm bleibst. Aber eines Tages wirst Du uns dankbar sein“, sagte entweder Mama oder Papa jedes Mal in dieser Diskussion. Man brauchte nur noch zu wetten, von wem der Spruch kam. Dass er aber gebracht wurde, war wie eine ständig laufende CD.

 

Dann kamen noch blödere Argumente von den Eltern: „Wenn Dir etwas passiert, hilft Dir keiner aus dem Reitstall. Stell Dir mal vor, Du wirst so verletzt, dass Du keinen Beruf ausüben kannst! Wer hilft Dir dann? Wer bezahlt Dir Deinen Unterhalt?“ Polly war sicher, dass ihr nichts geschehen würde: 1.) sie konnte schon gut reiten, 2) würde sie immer besser werden, je länger sie ritt. Außerdem trug sie immer ihre Kappe Am meisten aber regte sie sich auf, wenn Papa sagte: „Mit Sport kann man kein Geld verdienen. Sport ist nur Hobby.“ Hatte der eine Ahnung. Herr van Hopps verdiente doch als Reitlehrer im Reitstall Hubertus Geld, um seine Familie zu unterhalten. Oder? Was war denn mit den Pferdehändlern?

 

Polly gab es ihrerseits auf, weiter mit Ihren Eltern zu diskutieren. Sie hatte letzte Woche noch gehört, dass Bereiter Geld damit verdienten, anderer Leute Pferde zu trainieren. Dazu durften Bereiter mit den Pferden von anderen Leuten sogar an Turnieren teilnehmen. Das war doch traumhaft, genau das Richtige für Polly, fand sie. Aussprechen tat sie diese Gedanken natürlich nicht. Jedenfalls nicht am Esstisch, wenn die ganze Familie zusammen saß. Es konnte dann nämlich passieren, dass ihr Bruder Andy ihr einen klugen Spruch reindrückte wie „ich kann immer Sport treiben. Soviel ich will. Weil ich auch gut bin in der Schule und daher zusätzlich Karriere machen werde!“ Polly wollte sich die Klugscheißereien ihres um ein Jahr jüngeren Bruders nicht mehr antun. Sie sagte gar nichts mehr.

 

Polly hatte heute gerade wieder so eine elende Auseinandersetzung mit ihren Eltern erlebt. Sie war nur heilfroh, dass sie ohne weitere Ermahnungen in den Reitstall durfte. Von Anfang an war sie immer zuerst in den Ponystall gegangen, um ihre Lieblinge zu begrüßen. Obwohl Polly Lisa in letzter Zeit kaum mehr geritten hatte, war es immer noch das gescheckte Stütchen, das ihr als erstes entgegenwieherte. Aber auch Mäxchen schnaubte sachte.Alle Ponys drehten sich nach Polly um oder versuchten, ihre Schnäuzchen durch die Stäbe Polly entgegen zu strecken. Es tat Polly gut. Sie spürte, dass die Ponys sie mochten und ihrerseits Pollys Ankommen begrüßten. Im Ponystall fühlte sich Polly willkommen. Sie ging an jeder Box vorbei und streichelte jedem einzelnen Pony über die weichen Nüstern. Lisa bekam sogar ein Zückerchen. Die großen dunklen Augen der Tiere schauten sie ganz lieb an.

 

Am schwarzen Brett, das über dem Futterwagen hing, steckte ein neuer Zettel. Polly kam näher, um zu lesen, was dort stand. Es war ein grüner Zettel in der Größe eines DINA4-Blattes. Dort stand gedruckt mit großen Buchstaben:

 

Mitteilung an alle Pony-Kinder 

Wer Interesse hat, das „Steckenpferdchen“ zu machen, bitte eintragen!

Bitte Ponys ebenfalls eintragen! 

Liste:

Reiter     Pferd

1.  Harald L.     Max

2.  Maria L.       Lisa

3.  Marion B.     Fips

4.  Rolf H.         Rih

5.

6.

7.

8.

9.

10.

usw. 

Die Prüfung wird voraussichtlich in den Osterferien abgehalten. 

Zur Teilnahme ist es Pflicht an den Übungsstunden teilzunehmen. Sie beginnen Anfang März jeweils Dienstags um 15:ooUhr. Wer mehr als 5 Übungsstunden verpasst, kann an der Prüfung nicht teilnehmen. Theoretischer Unterricht erfolgt anschließend in der Tränke. 

Übungsleiter sind Herr van Hopps oder Joachim M., für die Theoretischen Stunden Aggi van Hopps. 

Der Lehrgang und die Prüfungsgebühr kosten 100,- Euro 

Der Reitlehrer ist für die Einteilung der Reiter und Pferde verantwortlich. 

Der Vorstand des Reitstalls Hubertus

i.V. Karl van Hopps

 

Polly wurde ganz aufgeregt. Eine Prüfung! Sie musste beweisen, dass sie etwas gelernt hatte. Toll! Die ersten hatten sich schon eingetragen. Das musste sie sofort erledigen. Sie lief schnell los, vorbei an der Reitbahn, ohne zu schauen, wer dort ritt, rein in die Tränke. Bei der neuen Wirtin, Frau Schneider, holte sie einen Stift und flitzte wieder ans schwarze Brett. Sie kletterte auf den Futterwagen, um die Liste überhaupt zu erreichen. Ohne nur einen Augenblick zu zögern, trug sie sich ein. Pony: Michi.

 

Nach und nach trafen ihre Freunde ein. Sie machten sich gegenseitig auf den Aushang aufmerksam und riefen durcheinander, welches Pony sie reiten wollten. Über ihre Ponys hinweg unterhielten sie die Kinder über die Prüfung. Alle hatte Aufregung erfasst. Sie vergaßen sogar die Zeit, sodass der Reitlehrer in den Ponystall kommen musste, die Kinder zur Reitstunde in die Reithalle zu rufen.

 

Erst beim Aufsteigen stellte Polly fest, dass sie den Zügel im Kehlriemen festgeschnallt hatte. Sie war so unkonzentriert gewesen, dass sie gar nicht auf die andere Seite geschaut hatte, ob das alles in Ordnung war. So war ihr gar nicht aufgefallen, dass der Zügel im Kehlriemen steckte.

 

Natürlich merkte Herr van Hopps sofort, was mit den Kindern los war. Auch bei Rolf stimmte irgendetwas mit dem Sattelzeug nicht. Der Reitlehrer musste helfen. Dann kam er auf die Prüfung zu sprechen. Die Kinder wollten alles wissen. Was müssten sie können?

 

Herr van Hopps begann zu erklären:

„Das Steckenpferdchen“ ist eine Prüfung für Kinder. Im Jahr der Prüfung dürfen die Teilnehmer nicht älter als 16 Jahre sein. Die Prüfung besteht aus zwei Teilen: einer praktischen und einer theoretischen Prüfung. Das heißt, man muss auch mündlich Fragen beantworten können.“ Nach einer Pause fuhr er fort „Im praktischen Teil wird folgendes verlangt: Der Umgang mit dem Pferd. Also Ihr müsst etwas zeigen wie:

Führen am Strick und Anbinden des Ponys.

Pferdepflege, also Putzen und so etwas

Versorgen des Ponys und Satteln

Dann Reiten:

An der Longe,

Leichttraben und Aussitzen

Eventuell Galopp

Es kann mit Hilfszügeln z.B. Ausbinder geritten werden

In der theoretischen Prüfung müsst Ihr erklären können,

was man zum Putzen braucht, also: Putzzeug

Welche Bedürfnisse hat ein Pferd,

Wie verhält sich ein Pferd,

Wie muss ein Pferd gehalten werden,

Ihr müsst Antworten geben können, was ein Pferd für Futter benötigt. Ihr müsst auch ein bisschen über Tierschutz wissen und sogar über Unfallverhütungsvorschriften, ein blödes Wort. Ich weiß. Aber Aggi wird das alles erklären im Vorbereitungskursus.

Dazu kommt noch: Reitlehre – Sitz und Hilfen, Hufschlagfiguren müsst ihr kennen.

Habt Ihr schon einmal etwas über Bahnordnung gehört?

Ihr müsst erklären können, wie gesattelt und aufgezäumt wird, wie Steigbügel verschnallt werden. Ihr seht, es kommt eine Menge auf Euch zu, was Ihr alles lernen müsst. Also überlegt gut, ob Ihr das bewältigen könnt. Nur, wenn Ihr sicher seid, tragt Euch in die Teilnehmer-Liste ein. Da nicht alle auf einem Pony reiten können, muss ich die Ponys einteilen für die Prüfung. Deswegen ist es wichtig, dass jeder von den Teilnehmern auf jedem Pony reiten kann. Wir müssen also häufiger „Pferdetausch“ vornehmen. So: Und jetzt los. Heute fangen wir schon an, auf die Prüfung hinzureiten.“

 

Polly war ganz aufgeregt. Sie hatte eine Menge gehört vom Reitlehrer vorhin. Aber sie hatte nichts gehört, was ihr ganz unbekannt war. Außer, vielleicht, Unfall-Dings-Da und ...nee... Tierschutz – ist eigentlich klar – man muss alle Tiere beschützen und Pferde sind auch Tiere...

 

Polly war voll zuversichtlich. Sie würde die erste Prüfung ihres Lebens bestehen! Bis Ostern war ja auch noch lange hin. Die 100,- Euro-Gebühr hatte aber total übersehen.

 

(Fortsetzung folgt......)

 

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