Der Traum eines kleinen Mädchens (9) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Donnerstag, 24. Dezember 2009 um 15:05

 

Polly und ihre "blöden" Brüder

9. Kapitel

 

Heute waren Mama und Pollys Brüder, Andy (6) und Georg-Dieter (4), mit in den Reitstall gekommen. Polly hatte den Verdacht, dass Mama erleben wollte, was in einem Reitstall abgeht. Das Erlebnis von letzter Woche, als ein Pony verunglückt war, saß noch allen in den Knochen.

 

Was bisher geschah:

 

Pollys großer Tag 1. Kapitel

Polly hat Geburtstag und wird sieben. Sie bekommt eine Zehnerkarte für Reitunterricht.

 

Allererste Reitstunde für Polly 2. Kapitel

Polly hat eine Kleiderfrage. Im Reitstall duftet es nicht nach Parfum. Aber sie lernt das coolste Pony der Welt kennen.

 

Polly trifft Lisa wieder 3. Kapitel

Polly darf Lisa reiten und sie lernt, wie man die Zügel richtig hält. Eine Reitkappe dient der Sicherheit. Was eigentlich ist ein Hufschlag?

 

Pollys Familie staunt 4. Kapitel

Polly erzählt zu Hause was die Kinder im Reitstall machen, wenn sie nicht reiten. Sie findet neue Freunde. Stress in der „Tränke“.

 

Polly findet Anschluss 5. Kapitel

Harald fällt wieder von Mäxchen. Polly trabt das erste Mal. Sie ist etwas sauer auf Maria.

 

Polly gibt an 6. Kapitel

In der Schulpause will Polly vor ihren Freundinnen angeben. Das geht aber in die Hose.

 

Polly hakt nach 7. Kapitel

Polly lernt Pferdepflege. Polly reitet zu dich auf.

 

Polly ist bestürzt 8. Kapitel

Ein schrecklicher Unfall ist im Reitstall geschehen. Polly darf heute Lisa nicht reiten.

 

 

Um sich alles von der Tochter zeigen zu lassen, fuhr Mama mit ihren Kindern heute besonders früh los. So blieb noch etwas Zeit, bis die Reitstunde begann.

 

Polly hatte keine große Lust,  ihren kleinen Brüdern alles zu zeigen und sie mit ihren neuen Freunden bekannt zu machen. Der Reitstall war ihr Bereich. Den wollte sie nicht, wie gezwungener Maßen die Schule und das Leben in der Familie, mit den Brüdern teilen. Vor allem wollte sie ihre neuen Freunde mit niemandem teilen. Sie war eifersüchtig.

 

Polly nutzte den Moment, als Mama sich mit dem Reitlehrer bekannt machte, um raus zu laufen. Sie suchte die Schmiede, wo der Unfall mit dem Pony Lukas geschehen war.  Neben dem großen Misthaufen stand ein kleineres Gebäude. Ungefähr so groß wie eine Doppelgarage. Die Holztüre bekam sie ganz leicht auf. Lebte hier der Esel drin? Musste der jetzt ganz alleine hier stehen, oder war, wie von Harald versprochen, ein anderes Pony dazugestellt worden? Tatsächlich, da war ein Esel. Man erkannte ihn sofort an den langen Ohren. Shetland-Ponys haben ganz niedliche Öhrchen. Ein Pony stand neben ihm. Es war schwarz.

Polly kannte es nicht. Hier gab es gab keine Pfosten mehr. Die beiden Tiere waren durch Holzbretter von einander getrennt. So ein brutaler Unfall konnte also nicht mehr passieren. In soweit war alles in Ordnung. Aber Pollys Herz klopfte ziemlich schnell. Sie war ganz aufgeregt, weil sie nicht wusste, ob sie hier überhaupt sein durfte. Und sie hatte keinem Bescheid gesagt.

 

Mama und Herr van Hopps redeten wie wild auf einander ein. Und sie lachten dabei. Sie schienen sich blendend zu verstehen. Na ja, er war ja auch ganz nett. Aber sah Mama die Beule nicht? Sie selbst musste immer auf die Beule an seiner Schläfe schauen, wenn der Reitlehrer mit ihr redete. Und immer befürchtete sie, dass diese Beule gerade dann aufplatzen könnte. Grauen erfasste sie bei dem Gedanken, sie schüttelte sich.

 

Gabi rief schon nach ihr,  sie solle gefälligst Putzen helfen. „Geh zu Max. Den reitest Du heute“, sagte Gabi und reichte ihr das Putzzeug. Polly stand wie erstarrt. Max war das Schimmelchen, von dem der nach ihrer Meinung erfahrene Reiter Harald immer runterfiel. Den sollte sie nun reiten! Was, wenn sie nun auch purzelte? Ausgerechnet heute, wo Mama und die Brüder da waren. Musste das wirklich sein? Polly war verärgert. Sie schnappte sich den Putzkoffer und schlich sich zu Max. „Dein größerer Bruder reitet Prinz, der kleinere Lisa“, Gabi rief hinter Polly her. Diese wusste bis dahin gar nicht, dass die Brüder auch reiten würden. Hieß das, sie solle jetzt drei Ponys putzen vor der Stunde? Das war ja wohl zu viel verlangt. Und wieso durfte Georg-Dieter ihre geliebte Lisa reiten und sie nicht? Das hatte van Hopps wohl mit Mama klar gemacht. So ein Mist!!! Sie hatte doch ihrer Familie vorreiten wollen, um zu zeigen, was sie schon alles konnte. Vielleicht würde sie heute sogar galoppieren...

 

Wenigstens ließ Max sich von ihr alle vier Hufe aufnehmen und auskratzen. Das hatte sie alleine geschafft. Wenigstens etwas... Schneeweiß bekam sie das Schimmelchen durch Striegeln und Bürsten aber nicht. Gelbe Flecken blieben zu sehen.

 

Gabi half ihrem kleinen Bruder mit Lisa. Georg-Dieter selber tat gar nichts. Er war zu klein. Was sollte der auf Lisa? Polly wollte vor Ärger in die Luft gehen. Harald half dem Andy mit Prinz. Diese Jungs waren nur am Quatschen. Sie putzten das Prinzchen ja überhaupt nicht.

 

Als sie mit gemischten Gefühlen Max in die Reithalle führte, saß Andy schon auf seinem Apfelschimmelchen. Er ritt einfach los, keiner führte ihn am Strick. Harald war nirgends zu sehen. Krumm wie ein Flitzebogen hing Andy auf dem Pferd. Sah richtig uncool aus. Aber er ritt selbstständig, ohne Führstrick. Sie, Polly, musste die ersten Male am Führstrick gehen. Das war ungerecht! Wären die blöden Brüder doch besser zu Hause geblieben.

 

Herr van Hopps kam bestgelaunt auf sie zu und half ihr aufzusteigen. Er hielt Max am Zügel fest. „Pass auf, dass er den Kopf nicht runter nimmt. Wenn der Kopf oben ist, fällt man nicht so schnell vorne runter“, waren seine ratgebenden Worte. Sie klangen echt wohlgemeint.

 

„Petra an die Tete. Dann Gabi, dann Andy, dann Polly“, jetzt brülle der Reitlehrer wieder durch die Halle. Andy drehte sich zu seiner Schwester rum. Er kannte die Stimme vom Reitlehrer ja nicht. Georg-Dieter auf Pollys Lieblings-Pony wurde von der ebenfalls noch sehr jungen Maria geführt und hatte mit der Abteilung nichts zu tun. Aber das Pony ging sowieso nur Schritt.

 

Mama stand an der Bande und schaute zu. Sie sah sehr zufrieden aus. Man meinte beinahe, sie sei stolz auf ihre Kinder. Sie zog genüsslich an einer Zigarette.

 

Polly fühlte sich beobachtet. Dieses Gefühl hatte sie bisher in der Reitstunde so noch nicht erlebt. Auch nicht, als Opa sie die ersten Male hergebracht hatte. Dennoch versuchte sie sich auf Max zu konzentrieren. Sein Bewegungsablauf fühlte sich wiederum ganz anders an als bei Prinz und der hatte sich wiederum ganz anders angefühlt als Lisa. Polly musste wirklich aufpassen. Weil sie jetzt schon wusste, was kommt, nahm sie die Zügel kurz und ganz fest in die Hand. „...dass er den Kopf nicht runter nimmt...“, diese Worte rasten durch ihren  Kopf. „Abteilung im Arbeitstempo - Trab!“, von Hopps nahm keine Rücksicht. Polly hielt die Zügel fest. Die Finger schmerzten schon. Der Druck wurde größer. Max zog an den Zügeln, er wollte den Kopf runternehmen. Polly spürte das. Sie hielt gegen. Immer stärker. Ihre Kraft ließ nach. Die Hände taten weh. Aber sie hielt fest.

 

„Durchparieren zum - Schritt!“ Endlich! Polly atmete auf. Es war gut gegangen. Nicht sie, Polly, lag im Dreck, sondern Andy. Er war im Trab runtergefallen. „Das ist normal“, sagte van Hopps. „Wer niemals runtergefallen ist, hat nie richtig reiten gelernt. Das gehört dazu. Außerdem ist es Deine erste Reitstunde, oder?“ sagte er zu Andy und half ihm. „Ihr müsst auch lernen, richtig zu fallen.“ Es ging weiter in der Abteilung. „Wenn ihr fallt, bemüht Euch, auf dem Hinterteil zu landen. Streckt nicht die Arme aus. Eure Handgelenke sind ein Schwachpunkt, wenn ihr Euch damit abstützt, könnten sie brechen. Wenn Ihr aber auf dem Popo landet, passiert meistens gar nichts. Aber am allerbesten ist es natürlich, überhaupt nicht herunter zu fallen“.

 

Die Reitstunde ging zu Ende. Max hatte es nicht geschafft, seinen Kopf „in den Sand zu stecken“ und Polly runter zu werfen. Polly war mächtig erleichtert. Max war ein Mäxchen. Es spielte auch keine Rolle, dass sie heute nicht galoppieren mussten, worüber Petra ihrerseits aber sauer war. Auf jeden Fall hatte sich Polly nicht blamiert.

 


 

Andy schämte sich keineswegs, dass er runtergefallen war. Im Gegenteil: Er wollte nächste Woche wieder reiten. Er hatte Blut geleckt. Er verstand sich sehr gut mit Harald, und er war außerdem verliebt in Prinzchen. Polly stand ziemlich belämmert da: Wenn  Georg-Dieter jetzt auch so verliebt war in ihre Lisa, konnte sie möglicherweise ihr  Lieblings-Pony los sein. Das wusste sie.

 

„Der kleine Georg-Dieter hat ja so toll auf dem Schecken-Stütchen geritten“, sagte Mama und war voll begeistert. Sie kriegte sich gar nicht mehr ein über ihren jüngsten Sohn. Dabei wusste sie nicht mal den Namen des Ponys, das ihn so brav durch die Halle getragen hatte. Mama musste doch mitbekommen haben, dass es Lisa war, dass es Pollys Lisa war... Aber Mama schwärmte nur von Pollys mutigem kleinen Brüderchen.

 

Über ihre Tochter sagte sie jedenfalls kein Wort.  Dass Polly es geschafft hatte, nicht von Mäxchen zu fallen, hatte für Mama keine Bedeutung. Sie hatte ja auch keine Ahnung.

 

Polly war tief getroffen. Für ihre Mutter schien es immer selbstverständlich, dass sie alles machte und konnte. Wir sehr sich Polly heute angestrengt hatte, war keinem außer ihr selber klar. Ihre roten Hände hatte auch keiner gesehen. Es interessierte auch keinen. Für Polly war es ein nur allzu vertrautes Gefühl. Immer musste sie die große Schwester sein.

 

„Wie hast Du das denn geschafft?“, Harald kam auf sie zugelaufen. Er klopfte ihr mit der Hand auf die Schulter. „Ich reite nun schon so lange. Aber jedes Mal falle ich von Max.“ Er schaute Polly bewundernd an und wollte nun ganz genau wissen, wie sie es gemacht hatte.

 

„Komm, wir müssen nach Hause. Dein kleiner Bruder ist müde“, es war Mama, die sie rief. Polly konnte nur noch „Tschüss! Bis nächsten Mittwoch“ zu Harald sagen. Schade! Die Anerkennung von einem älteren Reitkollegen hätte sie gerne noch ein bisschen ausgekostet.

 

(Fortsetzung folgt...)

 

 

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