Der Traum eines kleinen Mädchens...(93) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Donnerstag, 18. August 2011 um 12:21

Polly und Anne als „Turnier-Neger“...

 

 

Polly und ihre Freundin Anne sollten mit zum Reitturnier, sie sollten  „negern“. Da machte Pollys Mama unerwartet größten Stress. Polly nämlich war nach Hause gekommen und hatte gefragt, ob sie mitdürfte, zusammen mit Anne mit Gudrun und deren neuem Pferd Burgos 2 auf ein Reitturnier. Dabei sollten die beiden Pony-Reiterinnen Gudrun helfen, die zwei Dressur-Prüfungen genannt hatte.

 

Gudrun und Aggi ritten normalerweise die gleichen Prüfungen eines Turniers. Aber dieses Wochenende war Aggi in Urlaub gefahren, und Gudrun war alleine. Die Kinder wunderten sich, dass sie nicht Hans fragte, dass er ihr helfe. Es war allgemein bekannt, dass Gudrun und Hans über normale Reiterkameradschaft hinaus befreundet waren. Später sollte sich herausstellen, dass Gudrun Hans um seine Hilfe gebeten hatte. Der aber musste in dem familieneigenen Restaurant aushelfen und konnte deswegen nicht. So kam es, dass Gudrun zwar widerwillig, aber aus der Not heraus die Pony-Kinder fragen musste. Die wiederum waren begeistert. Ein Reitturnier, bei dem sie sozusagen dazugehören würden. Denn Pferde-Pfleger gehören zum Reitturnier wie die Pferde selber. Untereinander nannten sich die Pfleger „Neger“, und die Turnier-Pferde zu pflegen und den Reiter zu betüddeln hieß „negern“.

 

Polly hatte diesen Umstand genauso, wie sie es von den Großen im Reitstall gehört hatte, zuhause Mama erklärt. Die regte sich darüber fürchterlich auf, weil das „rassistisch“ sei. So etwas dürfe man nicht sagen. Das sei despektierlich farbigen Menschen gegenüber. Die Großen hatten das aber so gesagt, hielt Polly dagegen. Und Polly wiederum wollte zu den Großen gehören und deren Sprache und damit deren Ausdrücke benutzen. Mit so einem „Segen“ hatte sie nicht gerechnet.

 

Unter allen Umständen wollte Polly mit zum Reitturnier. Deswegen verkniff sie sich, ihrer Mama das mit dem „negern“ zu erklären. Nicht nur das, sondern sie entschuldigte sich sogar, obwohl sie keinerlei Grund sah, warum sie das tun sollte. Aber sie hatte letzten Endes die richtige Taktik angewandt. Sie durfte mit. Seltsamerweise erhielt sie noch nicht einmal Order, zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder zuhause zu sein. Das hatte sie doch gut hinbekommen! Freute sie sich innerlich.

 

Die einzige Schwierigkeit, die sich für Polly auftat, war der Umstand, dass sie morgens früh um fünf Uhr im Reitstall Hubertus auf der Matte stehen sollte. Die erste Prüfung für Gudrun und Burgos begann um 08:30 Uhr. Da sie einige Kilometer zum Turnierplatz zu fahren hatten, war es wichtig rechtzeitig fertig zu sein. Nach dem Theater mit ihrer Mama wollte Polly jede Konfrontation mit Unangenehmem vermeiden. Dazu gehörte allzu frühes Aufstehen am Morgen. Deswegen rief sie einfach Opa an, der versprach, sie pünktlich um viertel vor fünf abzuholen und in den Stall zu bringen.

 

Als Gudrun Anne und Polly am Freitagnachmittag gefragt hatte, ob sie einspringen wollten, hatte sie auch gleich unmissverständlich deutlich gemacht, dass Turniervorbereitung am Abend vorher dazu gehörten. Die Mädchen sollten Sattel und Trense von Burgos reinigen. Anne und Polly arbveiteten fleißig und mit Begeisterung. Sie hatten nämlich einen wichtigen Part übernommen. Während sie mit Sattelseife und Lederfett hantierten, erklärte Gudrun, was man alles nicht vergessen dürfe. Sie hatte dazu sogar einen Merkzettel geschrieben. Auf dem stand zum Beispiel, dass die Startnummer an die Scharbracke befestigt werden müsse. Ebenfalls war zu lesen, dass ein Eimer mit notwendigstem Putzzeug, Schwamm und Lappen bereitgestellt sein müssten. Der Eimer konnte sogar schon  am Vorabend ins Auto gebracht werden. Genauso eine Longe, ein sauberer Wassereimer und die Reitgerte. Blankgeputzte Turnierstiefel, Jackett, weiße Handschuhe, Plastron und Zylinder hatte Gudrun selbst in ihr Auto getragen.

 

Gudrun rannte dauernd zwischen Sattelkammer und Auto hin und her. Plötzlich kam sie wieder in die Sattelkammer gestürmt, griff sich die Longierpeitsche dazu ein Halfter mit Strick und sagte: „Alles nur für alle Fälle. Wenn man es nicht dabei hat, braucht man es garantiert.“

 

Den Pony-Mädchen schwirrte der Kopf: „Woran man alles denken muss!“, wunderten sie sich und waren froh, dass sie in Ruhe erst einmal mit Trense- und Sattelreinigen beschäftigt waren. In aller Ruhe? „Wie lang braucht Ihr denn dafür?“ raunzte Gudrun sie an und griff sich die Trense, um sie genau zu inspizieren. Sie war sauber genug und wurde zum Auto gebracht. Zurück geeilt, untersuchte sie den Sattel und nahm ihn einfach mit, um ihn auch zu verstauen.

 

Dann ging sie ihre Notizen durch. Sie kontrollierte, ob sie etwas vergessen hatte. Jetzt musste nur noch Burgos fertig gemacht werden. Das hieß: Zöpfchen flechten. Gudrun sagte: „Eine Scheißarbeit!“.

 

Sie holte sich Gummiringe, einen Mähnenkamm und einen Stuhl. Burgos hatte sie bereits auf der Stallgasse beidseitig am Halfter festgemacht. Den Stuhl stellte sie neben den Pferdehals auf die Seite, auf der die Mähne lag. Dann fing sie an: oben, hinter den Ohren von Burgos, legte sie den Mähnenkamm an. „Das ist, um immer die gleiche Breite der Zöpfchen hinzubekommen“, erklärte sie. Die Mädchen sahen zu, wie Gudrun einflocht. Aber es schien ewig zu dauern. Mittlerweile hatten die Kinder sich auf den Stallgassenboden gesetzt. Jedes einzelne Zöpfchen musste ganz fest geflochten werden, weil es ja über Nacht und länger halten musste. Dann sollte es auch noch am anderen Tag genauso ordentlich aussehen, wie jetzt beim Einflechten. Allzu oft rutschten Gudrun die Strähnen aus der Hand, und das gerade halbgeflochtene Zöpfchen löste sich wieder auf. Gudrun musste jeweils dieses Zöpfchen neu flechten. Wirklich eine Scheißarbeit. War das überhaupt nötig? Die Mädchen fragten vorsichtig nach. Gudrun war gereizt. „Klar, alle machen das so. Beim Dressurreiten ist das so üblich. Es sieht schöner aus. So elegant. Wie sähe das denn aus, auf einem Pferd mit einer Zottelmähne ins Viereck zu reiten?“, sagte sie schnippisch. „Hol mal das Radio aus der Sattelkammer“, befahl sie Anne. Ein höfliches „Bitte“ schien für sie nicht mehr notwendig.

 

Anne steckte den Stecker in die Dose. „So `ne Scheiße !“, rief Gudrun. „WDR 4! Wer hört denn so einen Oma-Sender?“ rief sie und kletterte vom Stuhl, um „ihren“ Sender einzustellen. Die Kinder wagten gar nichts mehr zu sagen. Dann klingelte auch noch Gudruns Handy. „Hallo?“, sagte sie. Während sie nun mit jemandem telefonierte, löste sie die Stricke und stellte ihr Pferd halbeingeflochten in die Box. Mit dem Handy lief sie nach draußen.

 

Anne und Polly blieben vorsichtshalber in der Stallgasse auf dem Boden sitzen und verhielten sich ganz unauffällig. Da hörten sie den Burgos im Stroh scharren, und merkten, dass er sich hinlegte. Die Kinder sprangen auf und liefen an die Gitter. Burgos wälzte sich im Stroh. Die Mädchen konnten nichts machen. Zu spät! Sollten sie Gudrun holen? Was konnten sie tun? Ratlos schauten sie einander an und beschlossen abzuwarten. Gudrun würde ausflippen.

 

Genau das geschah. Sie keifte und schimpfte. Wütend holte sie ihr Pferd aus der Box. Mindestens fünf Zöpfchen musste sie neu flechten. Und sie hatte ja sowieso erst die Hälfte geschafft. Sie ärgerte sich grün und blau, dass ausgerechnet jetzt das Telefonat gekommen war, auf das sie schon den ganzen Nachmittag gewartet hatte.

 

Gudrun war am letzten Zöpfchen. Das befand sich an Burgos` Widerrist. Es war besonders kniffelig, die kurzen Haare noch zu einem Zöpfchen zu verarbeiten. Endlich war es geschafft: das allerletzte Zöpfchen war fertig. Die Kinder atmeten hörbar auf. Es hatte ewig lange gedauert, bis Gudrun fertig war. Da sagte sie: „Holt mir mal die Rolle weißes Klebeband aus dem Spind. Und vergesst die Schere nicht!“ Was denn nun noch? Was sollte das denn jetzt? Fragten sich Polly und Anne, die sofort losliefen. „Polly, Du musst mir die Klebebändchen angeben“, sagte die junge Turnierreiterin dann. Die begriff langsam, wie viel Arbeit Turniervorbereitungen für fünf Minuten Prüfung notwendig waren. Ein enormer Aufwand. Das hatte sich Polly so nicht vorgestellt. Ist das denn immer so? fragte sie sich und wusste die Antwort bereits.

 

Dann reichte sie Gudrun Stückchen für Stückchen vom Klebeband. Anne hatte es in circa 7 cm Länge abgeschnitten. Fünfzehn Zöpfchen hatte Burgos jetzt. Er sah sehr elegant aus. Aber die Arbeit, die dahinter steckte..... Dabei hatte das Turnier noch nicht einmal angefangen.

 

Was würde morgen noch alles geschehen? Pollys Vorfreude auf das Reitturnier war gemischt mit einer gewissen Befürchtung: sehr viel Aufwand! Nun verstanden sie und Anne, dass es für einen richtigen  Turnierreiter unmöglich war, ohne jede Hilfe alles bewältigen zu können. „Negern“ war fast so wichtig, wie der Reiter selbst. Diesmal waren sie die „Neger“. Vielleicht hatten sie zum Erfolg dadurch ihrer Stallkameradin beigetragen...

 

(Fortsetzung folgt......)

 

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