Der Traum eines kleinen Mädchens...(103) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Donnerstag, 03. November 2011 um 15:09

Polly hörte nicht auf zu weinen...

Entweder war es grenzenlose Dummheit oder Dreistigkeit, die nicht zu übertreffen waren: Am Tag nach dem unerfreulichen Vereinsturnier trumpfte die Siegerin der Pony-Prüfungen Petra damit auf, dass sie ab sofort gar den Dressurrichter „Onkel“ und beim Vornamen nennen dürfe. Polly blieb die Sprache weg. Diese Kumpanei mit einem Richter, der höchstwahrscheinlich im nächsten Jahr wieder in den Reitstall eingeladen werden würde, stellte alle sportliche Fairneß in Frage. Petra, die nicht nur ein eigenes Pony besaß, wodurch sie schon einen Vorteil den Schulpony-Reitern gegenüber hatte, merkte anscheinend gar nicht, wie unbeliebt sie sich machte. Sie hörte gar nicht auf, von Onkel Markus zu schwärmen. Onkel Markus hier und Onkel Markus da…..

 

Petra ahnte dabei gar nicht, wie entschlossen Polly war, so gut im Reiten zu werden, dass sie Petra in jeder und zwar wirklich jeder Prüfung um Längen schlagen würde.

 

Pollys Ehrgeiz war neu entflammt. Das ging so weit, dass sie in der Schule wieder einmal einen Anschiss vom Lehrer beim Rechnen erhielt, weil sie nicht aufpasste. Sie hatte mal wieder geträumt. In Gedanken stellte sie einen Schlachtplan auf, wie sie von nun ab soviel lernen könnte, wie nie zuvor.

 

Eine Idee kam ihr, sie könne zum Beispiel den Reitlehrer fragen, ihr jedes mal das neue Pony zuerst zuzuteilen, wenn eines in den Reitstall kam. Oder: wenn ein anderes Kind von einem Pony herunterfiel, dass sie, Polly, es erst einmal abreiten könnte. Oder wenn ein Erwachsener Angst hätte, könne sie sogar das große Pferd für denjenigen abreiten oder sogar abgaloppieren. Außerdem würde sie für die Tochter des Reitlehrers, Aggi, oder für Gudrun den Turnier-Neger machen. Auch wenn sie dabei nicht selbst würde reiten können, aber lernen, das könnte sie doch eine Menge ... So träumte Polly die letzten Tage, seitdem sie hinter Petra plaziert worden war. Sie konnte und wollte sich einfach damit nicht abfinden. Scheiß auf „Onkel Markus“!!!!

 

An diesem Nachmittag im Reitstall Hubertus drückte sich Polly immer um Herrn van Hopps herum, um mit ihm zu sprechen. Dabei wollte sie natürlich keine Zuhörer haben. Aber das alleine war schon ein schwieriges Unternehmen. Herr van Hopps hatte entweder tausend Kinder um sich herum, die ein bestimmtes Pferdchen in der Stunde reiten wollten, oder ebenfalls fast tausend Mütter, die diese Wünsche ihrer Kinder durchzusetzen versuchten. Immer eine Traube von Leuten um den Reitlehrer geschart. Polly kam  nicht an ihn heran.  Im übrigen schien er sogar Polly zu übersehen. Er teilte sie nicht für die nächste Reitstunde ein. Alle Ponys waren hierfür schon vergeben.

 

Polly blieb nichts anderes übrig, als sich die erste Ponystunde von der Bande aus anzuschauen. Sie war gelangweilt. Wie immer! Herr van Hopps war zwar lieb und nett, aber seinen Reitstunden fehlte die Spannung. Für Fortgeschrittene, wie Polly, müßte er schon andere Lektionen reiten lassen. Wäre doch wenigstens Joachim da! Der konnte guten Reitunterricht erteilen. Jedes mal ließ er die Kinder neue oder schwierige Lektionen reiten. Letztes Mal mussten sie „Schenkelweichen“ und sogar „Schulterherein“ reiten. Bei keinem hatte das wirklich gut geklappt, aber es machte Spaß.

 

Wenn so etwas Neues gelernt wurde, machte es auch keinen Unterschied mehr, ob man, wie Petra, ein Privat-Pony besaß oder auf einem Schulpony ritt. Die Herausforderung war für alle Kinder die gleiche. Dann nämlich war für alle offensichtlich, dass Polly geschickter reiten konnte als die blöde Petra  mit ihrem „Onkel Markus“.

 

Aber Joachim kam heute nicht. Polly wartete weiter auf eine passende Gelegenheit, mit dem Reitlehrer zu sprechen.

 

Polly war mies drauf, ihre Stimmung unterirdisch. Als der Reitlehrer sie doch tatsächlich wahr nahm, teilte er sie auch noch für Fips ein, das kleinste Pony des Schulbetriebes. Aber sonst war kein anderes mehr frei. Polly fühlte sich erniedrigt. Aber sie wollte ja trainieren. Also nun denn, heute nunmal auf Fips in einer langweiligen Reitstunde bei Herrn van Hopps. Beim Halten der ganzen Abteilung reichte er Polly zwar ein Hustenbonbon, aber das konnte die Situation auch nicht mehr retten.

 

Zweite hinter Petra beim Vereinsturnier, Anschiss wegen Nicht-Aufpassens in Mathe - und Fips nun auch noch in der Reitstunde. Irgendwie schien im Moment gar nichts zu laufen für Polly. Das war ein Scheiß-Leben, dachte sie und ritt lustlos als Schlusslicht der Abteilung. Fast war sie froh, als die zu Ende war und sie das kleine Pony absatteln durfte. Sie trug das Sattelzeug in die Kammer, und dabei konnte sie nicht verhindern, daß Tränen der Enttäuschung und Wut in ihre Augen stiegen und die Wangen herunterliefen.

 

Ausgerechnet die Tochter des Reitlehrers holte gerade ihr Putzzeug aus dem Spint, als Polly die Sattelkammer betrat. Aggi merkte, dass Polly weinte. Die beiden befanden sich allein m Raum, und Aggi fragte ihre kleine Reitkollegin nach der Ursache.  Beide setzten sich auf einen alten Strohballen. Aggi ließ Polly reden, fragte nicht einmal zwischendurch. Ab und zu nickte sie mit dem Kopf und schaute Polly interessiert in die Augen. Sie blieb völlig ernst und hörte Polly bis zum Ende aufmerksam zu. Dann schwiegen beide und dachten über Pollys verkorksten Tag nach.

 

„Ich könnte ja mit meinem Vater über Dich reden“, sagte Aggi. „Aber das würde nichts nutzen. Er würde von Dir erwarten, dass Du selber mit ihm sprichst“, sagte Agg weiter. Dann dachte sie noch einen Moment lang nach und fügte hinzu: „Das mit der Vetternwirtschaft bei der Richterei wird Dich Dein Leben lang begleiten. Das geht sogar bis in die Weltspitze. Selbst da wird gehuschelt und gemauschelt. Als Dressursportler muß man damit leben. Noch schlimmer: Man muß bis zu einem gewissen Grad sogar mitmachen. Das klingt zwar ungeheuerlich, aber ich fürchte, auch Du musst Dich daran gewöhnen, wenn du Dressurreiterin werden willst. Und das willst Du doch, oder?“.

 

Aggis Worte sollten Polly trösten, taten es aber nicht. Im Gegenteil. So hatte sich Polly den schönsten Sport der Welt nicht vorgestellt. Lautlos liefen die dicken Tränen über das Gesicht. Überrascht schaute Aggi sie von der Seite an. Was war nur mit Polly los heute? Sie war nicht zu trösten. Da hatte Aggi eine Idee: sie bot Polly eine Extra-Trainingsstunde auf Marco an!

 

Sofort erhellte sich das Gesicht von Polly, die Augen leuchteten auf, und Polly sprang sofort auf : „Wann? Sofort? Heute noch?“ „Ja, jetzt gleich“, erwiderte lachend Aggi und war froh, ihre kleine Freundin wieder fröhlich gestimmt zu haben.

 

(Fortsetzung folgt…….)

 

 

 

 

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