Der Traum eines kleinen Mädchens...(109) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Donnerstag, 15. Dezember 2011 um 15:34

Vom Reiten geträumt - und ausgelacht...

 

 

Wieder einmal hatte Polly in der Schule, wie schon so oft, nicht aufgepasst. Als die Lehrerin etwas fragte, sollte Polly aufstehen und eine entsprechende Antwort geben. Sie wusste jedoch einfach  nichts zu sagen. Verzweifelt schaute sie sich nach ihren Freundinnen um. Aber die konnten in dieser Situation auch nicht mehr helfen. Polly versank fast in den Boden vor Scharm. Als dann die Lehrerin von ihr wissen wollte, wovon sie geträumt hatte, holte Polly tief Luft und war gerade im Begriff von den Pferden im Reitstall zu erzählen, da stoppte sie die Lehrerin mit den Worten: „Ach, lass man! Für Deine Träume interessieren wir uns hier überhaupt nicht. Hier geht es allein darum, wirkliche Märchen zu deuten und nicht Deine.“ Damit war Polly noch mehr blamiert, die ganze Klasse lachte höhnisch.

 

Tatsächlich hatte Polly vom Reitstall geträumt. Dort schien für sie alles ganz gut zu laufen. Den ollen Herrmanns mit seiner Fairness, ihrem ehemaligen Pflegepferd,  war sie los. Auch den kleinen Nebenverdienst natürlich auch.  Dafür sollte sie sich von nun an um die kleine Cilly kümmern.

 

An beiden Tagen des vergangenen Wochenendes beobachteten Cillys Eltern ganz genau, wie liebevoll Polly mit dem kleinen Mädchen umging. Dabei schoss der Vater von Cilly sogar ein paar Fotos. Polly fühlte sich sehr kontrolliert. Dabei bekam sie heraus, dass die Mama und der Papa von Cilly sehr erfolgreiche Geschäftsleute waren, die sich über alle Maßen um ihr einziges Töchterchen kümmerten. Vom Reiten hatten die allerdings keine Ahnung, fand Polly. Cillys Mama wollte noch nicht einmal das kleine Shetty streicheln. Sie hatte richtige Angst vor Pferden, wie sie sagte, sogar vor Ponys. Cillys Papa sah aus wie der Politiker im Fernsehen, der abgeschrieben hatte und rausgeschmissen wurde, dachte Polly. So gelackt. Von Guttenberg, ihr fiel sogar der Name des Politikers ein. Der war genauso ein Typ wie Cillys Papa. Von Reiten keine Ahnung, dachte Polly, aber wichtig tun.

 

Aber irgendwie lag da ein Geheimnis über der Familie. Es fiel auf, wie viel Getue um Cilly gemacht wurde. Dabei war es  nicht so, dass sie sich über ein bisschen Schmutz an den teuren Reitsachen von Cilly aufregten. Es ging ihnen allein darum, dass das kleine Mädchen glücklich war und ihm nichts passierte. Polly kam das völlig übertrieben vor. Aber es konnte ihr ja egal sein.

 

Am Montag erschienen die Eltern erneut, aber nur kurz im Stall und teilten Polly mit, dass sie von jetzt ab das braune Shetty und das weiße mit den schwarzen Punkten ganz gemietet hätten. Sie stünden nun Cilly und deren kleiner Freundin Becky ständig zur Verfügung. Anne und Polly dürften sich um die beiden Ponys und die beiden kleinen Mädchen kümmern wie sie es für angemessen erachteten. Aber alles sollte vorher telefonisch oder mit dem Reitlehrer abgestimmt werden. Dafür sollten Polly und Anne jeweils 30,-Euro im Monat bekommen. Polly fragte noch einmal nach, damit sie nichts missverstanden hatte: sie und Anne durften die beiden Pferdchen wie ihre eigenen Pferde behandeln. Wenn diese mit den kleinen Mädchen nicht ausgelastet waren, durften sie sie sogar reiten. Schade nur, dass die Pferde so klein waren!

 

Anne war schon dreizehn, ein Jahr älter als Polly. Für beide bedeuteten die 30 Euro im Monat, zusätzlich zu ihrem normalen und dem doch viel bescheideneren Taschengeld bei Anne, ein sehr guter Verdienst, den andere Kinder in dem Alter nicht hatten.

 

Gestern war schönes Wetter, und für drei Uhr am Nachmittag hatten sich Polly, Cilly, Anne und Becky zum Reiten verabredet. Die beiden größeren Mädchen  hatten jedoch überhaupt nicht bedacht, dass genau zu diesem Zeitpunkt die Reithalle mit Schulstunden besetzt war. Sie mussten also mit ihren Schülerinnen auf den Reitplatz nach draußen gehen.

 

Den beiden kleinen Mädchen schien das nichts auszumachen. Herr van Hopps, der Reitlehrer, riet den Kindern, auf eines der Paddocks  zu gehen. Den Kindern war es recht. Hauptsache, das Wetter spielte mit.

 

Polly kümmerte sich um Browny, das kleine braune Shetlandpony mit der hellen Mähne, Anne putzte und sattelte Spotty das weiße Shetty mit den schwarzen Punkten. Cilly und Becky halfen beim Putzen und Satteln. Sie versuchten es jedenfalls. Dabei wussten sie noch nicht einmal, dass man mit dem Auskratzen der Hufe begann und zwar immer in gleicher Reihenfolge, zuerst also vorne  rechts, dann hinten rechts, dann vorne links und hinten links. Immer in der selben Reihenfolge und immer das Pferdchen ansprechen und berühren.  Den beiden großen Mädchen dauerte das zu lange. Bei ihnen saß bereits jeder Handgriff. Es ging alles wie von selbst. Die beiden Großen stellten fest, dass die beiden Kleinen von nichts eine Ahnung hatten. Das nächste Mal würden sie ihnen erst einmal Putzen und Pferdepflege beibringen müssen.

 

Auf dem Paddock, der ziemlich hoch eingezäunt war, ging alles besser, als gedacht. Vor allem Cilly stellte sich gar nicht so ungeschickt an. Anne führte Spotty am Strick, Polly Browny. Die kleinen Mädchen quietschten vor Vergnügen. „Schneller! Schneller!“, riefen sie und lachten sich gegenseitig zu. Polly und Anne kamen ganz schön außer Atem. Immer neben den trabenden Pferdchen herzulaufen, strengte sie an. Sie keuchten und machten eine Pause. Diese nutzten sie um den Anfängerinnen zu zeigen wie man richtig im Sattel zu sitzen hatte. Sie erklärten die Zügelhaltung und wiesen daraufhin, dass man bei „hohen Händen“ schneller das Gleichgewicht verliert.

„Sollen wir sie mal los lassen?“, fragte Polly. „Nee, zu gefährlich!“, antwortete Anne. Sie war die vernünftigere von beiden. Polly fügte sich. Also weiter laufen! Das klappte so gut, dass Polly beschloss, eine Longe für jeden zu holen. Anne hielt unterdessen beide Ponys mit ihren kleinen Reiterinnen an den Zügeln fest.

 

An den Longen liefen die Ponys so brav, dass man davon ausgehen konnte, sie kannten diese Übung bereits. Die kleinen Mädchen hatten Spaß. „Das ist ja fast wie alleine Reiten“, riefen sie und quietschten wieder. Anne und Polly mussten selber darüber lachen. Sie konnten sich noch an ihre ersten Reitversuche erinnern.

 

Sie bemerkten gar nicht, dass sie schon länger als eine Stunde auf dem Paddock waren. Sie machten Schluss. Es wurde auch langsam zu kalt. Sie riefen jeweils die Ponys zu sich heran, um die Longen abzuschnallen. Polly führte Browny gerade auf der rechten Hand, sodass sie die Longe vom rechten Gebissring ausschnallen musste. Dann ging sie vorne um Browny herum, schon die Longe aufwickelnd.

(Alle Fotos: Olaf Rutschek)

 

In diesem Moment lief Browny weg. Polly hatte keine Hand frei, um nach den Zügeln zu greifen. Browny trabte an. „Lass die Hände unten!“, rief Polly Cilly hinterher. „Die verliert das Gleichgewicht“, sagte sie wie zu sich selber. Browny wurde immer schneller. Cilly nahm die Hände hoch, sie bekam Rückenlage. Browny galoppierte an. Noch konnte Cilly sich halten,

Gott sei Dank, dass wir auf einem kleinen Paddock sind. Die Ponys können auf der kleinen Fläche gar nicht so schnell werden. „Hände tief, Zügel! Nimm die Zügel kurz!“, rief Polly. Cilly kam immer zu hoch aus dem Sattel. Noch immer konnte sie sich irgendwie halten. Dann aber bog Browny ab, rannte auf die Stange zu und….und sprang darüber. Mit Cilly oben drauf. Sie landete – und Cilly blieb im Sattel sitzen.

Von ganz alleine parierte Browny durch. Polly fiel ein Stein vom Herzen. Cilly saß noch im Sattel, sie war nicht heruntergefallen. Hatte doch der Reitlehrer Recht gehabt, sie auf ein kleines Paddock zu schicken. Es war nichts passiert. Alle lachten nun, und Cilly war natürlich ganz stolz auf sich.

 

Polly aber hatte Angst. Angst vor Cillys Eltern. Wie konnte das nur passieren. Alles war so gut gelaufen. Warum war Browny nicht den Moment stehengeblieben? Warum hatte Polly im richtigen Moment keine Hand frei? Was hätte sie anders machen sollen? War sie mit ihren zwölf Jahren überhaupt in der Lage, einer kleinen Siebenjährigen eine Reitstunde zu geben?

 

So viele Fragen und Zweifel quälten Polly. Hätte sie doch jemanden, der ihr da helfen könnte. Ihren eigenen Eltern konnte sie das nicht so sagen. Vor den Freunden aus dem Reitstall traute sie sich auch nicht, solche Fragen zu stellen. Wer nur hatte einen Rat für Polly, was sie hätte tun müssen? Wer nur könnte ihr einen Rat ins Gästebuch schreiben? Ob sich da jemand findet, der wirklich Bescheid weiß? Ob es vielleicht jemanden gibt, der sagt, dass sie alles richtig gemacht hatte?

 

Sobald sie heute Abend zu hause sein würde, wollte in ihrem PC im Gästebuch bei „Ludwigs-Pferdewelten“ mal nachsehen. Vielleicht hatte sie ja Post per E-Mail…

(Fortsetzung folgt….)

 

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